Kamen die chemischen Bausteine des Lebens aus dem All? Darauf deutet ein neuer Fund deutscher Astronomen hin: Sie haben eine Substanz im Raum zwischen den Sternen entdeckt, aus der letztlich Proteine entstehen könnten.

Stuttgart - Bereits in den Tiefen des Weltraums wurden die Grundlagen für wichtige Moleküle gelegt, aus denen später Leben entstehen sollte. Die Hinweise auf eine solche Wiege für Biomoleküle verdichten sich von Jahr zu Jahr weiter. Bereits 2008 hatten Arnaud Belloche und Karl Menten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn gemeinsam mit dem Astrochemiker Holger Müller von der Universität zu Köln und weiteren Kollegen in der Nähe des Zentrums unserer Galaxie das Molekül Aminoacetonitril nachgewiesen. Aus diesem entsteht in einer simplen chemischen Reaktion Glycin und damit die einfachste einer Reihe von Aminosäuren, aus denen Proteine bestehen.

 

Die in Aminosäuren sehr häufigen verzweigten Gerüste aus Kohlenstoff- und Stickstoffatomen aber hatte bisher noch niemand im Weltraum gefunden. Diese Lücke schließen die beiden Max-Planck-Forscher und der Kölner Astrochemiker sowie Robin Garrod von der Cornell University im US-Bundesstaat New York jetzt mit dem Nachweis von Iso-Propylcyanid in der gleichen Region des Weltraums. Sie berichten darüber im Fachmagazin „Science“.

Bei der Verbindung handelt es sich um eine Kette aus drei Kohlenstoffatomen, an deren mittlerem Glied eine Cyan-Gruppe hängt, die aus einem Kohlenstoff- und einem Stickstoffatom besteht. Dieses Iso-Propylcyanid ist eines der größten Moleküle, die bisher im Weltraum entdeckt wurden. „Mit der Radioastronomie können wir ohnehin nur relativ einfache Verbindungen nachweisen“, erklärt Holger Müller. Je größer ein solches Molekül ist, umso seltener ist es normalerweise auch. Sobald diese Verbindungen verdampfen, drehen sie sich um ihre eigene Achse und senden dabei Strahlung einer bestimmten Wellenlänge aus. Diese Strahlung registrieren die Forscher mit dem größten Radioteleskop der Welt, das kurz ALMA genannt wird. Es besteht aus 66 einzelnen Antennen mit jeweils zwölf oder sieben Meter Durchmesser, die auf einem Hochplateau in der chilenischen Atacama-Wüste stehen.

Aus der Fülle der empfangenen Wellenlängen filterten die Forscher dann die für Iso-Propylcyanid typischen heraus. Das Signal kam aus der Region Sagittarius B2 in der Umgebung des Zentrums unserer Galaxie, der Milchstraße.

Auch Meteorite enthalten Biomoleküle

Wie solche Verbindungen dort entstehen, haben die Forscher inzwischen ausgetüftelt. Ausgangspunkt sind Sonnen, die am Ende ihres Sternenlebens Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Silizium und andere Atome produzieren und bei ihrer Explosion im Weltraum verteilen. Diese Substanzen ziehen sich zu riesigen Wolken zusammen, in denen auch Weltraumstaub schwebt, der viel Kohlenstoff oder Silizium enthält. Solche Wolken heizen sich von den Weltraum-typischen Tieftemperaturen von etwa minus 270 Grad Celsius ein wenig auf vielleicht minus 263 Grad auf. „An der Oberfläche der Staubkörner bilden sich dann aus Atomen und einfachen Molekülen wie Kohlenmonoxid einfache Verbindungen wie zum Beispiel Wasser, Methanol und Methylcyanid“, erklärt Holger Müller.

Von diesem in der Tiefe des Weltraums entstandenen Eis landeten größere Mengen in unserem Sonnensystem, das viel später entstand. Das haben gerade Lauren Cleeves von der University of Michigan und ihre Kollegen ebenfalls im Journal „Science“ ausgerechnet. Als die kosmische Wolke später weiter zusammenschnurrte, heizte sich ihr innerer Bereich kräftig auf und erwärmte auch die Umgebung. Jetzt reagieren vorher entstandene Gase und Molekülbruchstücke auf der Oberfläche des Weltraumstaubes miteinander zu größeren Verbindungen wie Formaldehyd und Methanol. Erreichen die Temperaturen wie in der Region Sagittarius B2 in der Wolke den Bereich zwischen minus 240 und minus 120 Grad, entstehen noch größere Verbindungen wie Propylcyanid oder Aminoacetonitril. Oder auch das soeben nachgewiesene Iso-Propylcyanid.

Diese Verbindungen wiederum können sich zu Aminosäuren und damit zu wichtigen Biomolekülen verbinden, ohne die kein Leben auf der Erde auskommt. Holger Müller und seine Kollegen können Aminosäuren nur schwer nachweisen, weil sie kaum verdampfen und Strahlung aussenden. Allerdings erreichen Zusammenballungen dieses Weltraumstaubs manchmal als Meteorite die Erde. In diesen Boten aus der Frühzeit des Kosmos wurden tatsächlich bereits etliche verschiedene Aminosäuren gefunden.