Der Gemeinderat hat sich nach einer turbulenten Debatte für den umstrittenen Standort in Hohenhaslach entschieden – trotz des erbitterten Widerstands der Einwohner gegen das Asylbewerberheim.

Sachsenheim - Es ist richtig zur Sache gegangen. Eine turbulente Sitzung wie die des Gemeinderats am Donnerstag dürfte es selten gegeben haben im Sachsenheimer Kulturhaus. Schon die schiere Menge der weit mehr als 100 Besucher war beeindruckend – weil die Stühle nicht für alle reichten, lehnten die Bürger auch rundum an den Wänden, saßen auf dem Boden und standen bis hinaus auf den Flur. Und sie waren bereit zu kämpfen: Es wurde argumentiert, polemisiert und gefleht, es wurden Plädoyers gehalten und Vorschläge gemacht, auch Beleidigungen und Drohungen gab es. Aus Sicht der Gegner letztlich vergeblich: Der Gemeinderat entschied sich nach fast dreieinhalb Stunden Diskussion doch für den umstrittenen Standort in Hohenhaslach für das Asylbewerberheim.

 

Nun soll am Standort Im Steigle neben dem CVJM-Heim und etwa 90 Meter vom Kelterplatz entfernt eine Unterkunft für maximal 36 Asylbewerber entstehen. Ursprünglich hatte die Stadt dort Platz für 60 Flüchtlinge schaffen wollen, doch angesichts der anhaltenden Proteste aus dem Ort – vielfach gegen die angeblich viel zu hohe Zahl an Fremden auf einmal – hatte die Verwaltung den Umfang reduziert. Beschwichtigen konnte sie die Bürger damit jedoch nicht.

Skurril anmutende Argumente gegen den Standort

In der aufgeheizten Stimmung der überaus emotional geführten Debatte wurden bei der Bürgerfragestunde teils schon skurril anmutende Argumente gegen den geplanten Standort angeführt: Etwa, dass der steile Berg im Ort den Flüchtlingen nicht zugemutet werden könne, dass sie im Notfall zu weit vom Krankenhaus entfernt seien und – so nah an den Weinbergen – im Sommer durch das Gift beeinträchtigt würden, das auf die Reben gespritzt werde. Wohlgemerkt: diese Aussagen kamen fast ausschließlich von den Hohenhaslachern selbst. Vielfach betont wurde im Übrigen auch, dass es nur extrem schlechte Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr und so gut wie keine Freizeitangebote im Ort gebe und schon deshalb die Integration der Flüchtlinge schier unmöglich sei.

Dass der Gemeinderat sich dennoch für diesen Standort entschied, war eine herbe Enttäuschung für die Hohenhaslacher. Der Ortsvorsteher Alfred Xander warnte bereits vor der Beschlussfassung im Gemeinderat am Donnerstag vor „einer langen Kälteperiode“ und „ganz tiefen Gräben in der Stadt“, sollte diese Entscheidung fallen. Auch am Tag danach rückt er nicht davon ab: „Es ist sehr traurig, dass die Gemeinderäte auf die Meinung des Ortschaftsrats pfeifen“, sagt er. Schließlich habe der Ortschaftsrat mehrfach fast geschlossen gegen diesen Standort votiert.

Alternativvorschläge setzen sich nicht durch

Im Übrigen hatte Xander durchaus einige Alternativvorschläge gemacht – unter anderem den, das Verfahren ganz neu aufzurollen oder zumindest einen anderen Standort in Hohenhaslach für eine kleinere Unterkunft zu suchen: „Aber wir hatten gar keine Zeit zum Suchen, weil die Entscheidung so schnell fallen sollte“, kritisiert er. Dennoch hatte er nicht aufgegeben und in der letzten Gemeinderatssitzung im Mai doch noch ein Ass aus dem Ärmel gezaubert, auf das der Rest des Gremiums sich eingelassen hatte.

So hatte der Gemeinderat zugestimmt, ein neues Grundstück im Gewerbegebiet Holderbüschle auf seine Eignung zu untersuchen, statt sich bereits für einen Standort zu entscheiden. Das Grundstück sei durchaus geeignet und auch vom Landratsamt abgesegnet, teilte der Bürgermeister Horst Fiedler am Donnerstag mit. Die Bebauung sei aber teurer als im Steigle, vor allem, weil im Gewerbegebiet massive Schallschutzmaßnahmen umgesetzt werden müssten. Die Krux sei allerdings eine andere: Kurz nach Beginn der Verhandlungen hätten die Eigentümer ihr Angebot zurückgezogen und seien nicht mehr umzustimmen.

Kritik am Vorgehen der Stadt

Diese Aussage brachte Alfred Xander jedoch erneut auf die Palme: „Wenn man als Interessent auf keinen Fall das Grundstück will, dann geht man so vor wie die Stadt“, ätzte er. Deren Angebot an die Eigentümer sei ein Witz gewesen und habe erneut gezeigt, dass man ohnehin schon auf den Standort Hohenhaslach festgelegt hatte. Dies sowie mangelnde Transparenz bei der Standortwahl werfen die Bürger der Stadt bei diesem Thema schon lange vor.

Doch Bürgermeister Fiedler ließ sich nicht beirren: Er beschwor die Räte, eine Entscheidung zu fällen: „Es würde überall in der Stadt den gleichen Widerstand geben.“ Das sahen die meisten Räte ebenso. Mit 13 Ja- und sechs Nein-Stimmen votierten sie für den Standort Hohenhaslach.

Einzige Chance

Kommentar von Melanie Braun

Kaum zu glauben, dass sich Sachsenheim tatsächlich für einen Standort für das Asylbewerberheim entschieden hat. Allerdings wäre alles andere auch fatal gewesen. Wäre die Stadt eingeknickt vor dem Widerstand der Hohenhaslacher, hätte sie sich selbst zur Handlungsunfähigkeit verdammt. Denn sie hätte einen Standort in einem anderen Ortsteil den Bewohnern dort kaum vermitteln können, wenn sie das nach ihrer Aussage am besten geeignete Grundstück in Hohenhaslach aufgegeben hätte. Den Widerstand gegen ein solches Projekt hätte es nämlich wohl überall gegeben, wie an der Fläche im Holderbüschle deutlich wurde: Sobald diese ins Gespräch kam, wurden dort zig Vorbehalte geäußert.

Zudem hatte die Verwaltung bei den Hohenhaslachern kaum noch eine Chance. Von ihren Ängsten dermaßen beeinflusst, schien ihnen zuletzt jedes Argument gegen das Heim in ihrem Ort recht: der Berg ist zu steil, die Nahversorgung eine Katastrophe, das Freizeitangebot gleich null und kein Notarzt erreichbar? Mit Verlaub, aber wenn das so schlimm wäre, wie halten sie selbst es noch an diesem miesen Ort aus?

Auch für Argumente aus dem Rathaus schienen sie kaum noch zugänglich: Verwies diese auf Statistiken, dass Asylbewerber nicht öfter straffällig werden als Deutsche, halten sie diese für gefälscht. Sagt die Verwaltung, Grundstücksverhandlungen seien gescheitert, glauben sie, der Bürgermeister habe diese torpediert. Nun hat die Stadt wegen mangelnder Transparenz ihren Teil zu diesem Vertrauensverlust beigetragen. Das hätte anders laufen müssen. Es bleibt ihr, möglichst schnell dafür zu sorgen, dass die Eiszeit nicht zu lange anhält.

Die Hintergründe der Entscheidung

Ausgangslage:
Im Oktober 2012 beauftragte der Gemeinderat die Verwaltung mit der Suche nach einem geeigneten Standort für ein neues Asylbewerberheim. Denn der Vertrag für die Containersiedlung im Bereich Seepfad, wo bis zu 60 Asylbewerber untergebracht werden können, läuft zum Ende des Jahres 2013 aus.

Optionen:
Laut Stadtverwaltung hat sich aus zunächst 16 Standortoptionen der Festplatz im unteren Teil Hohenhaslachs als am besten geeignet gezeigt. Nach heftigem Protest aus dem Ort prüfte man stattdessen den Standort Im Steigle und befand ihn für gut. Die Hohenhaslacher sind aber auch hier dagegen. Sie fordern ein neues, transparenteres Suchverfahren.

Nutzen:
Kommunen, die eine – vom Landkreis finanzierte – Sammelunterkunft für Asylbewerber stellen, müssen für einen geringeren Prozentsatz an Anschlussunterbringungen für anerkannte Asylanten aufkommen.