Die Asylbewerberunterkunft gilt als Vorzeigeobjekt. Sie ist sauber, großzügig und zentral. Das ist kein Standard: Der Kreis ist zurzeit froh über jeden Platz für Flüchtlinge.

Schwieberdingen - Wasim Ahmad Tahir ist vor Kurzem Vater geworden: sechs Monate alt ist sein Baby. Es ist in der Asylbewerberunterkunft in Schwieberdingen zur Welt gekommen und wird die Heimat seines Vaters wohl so schnell nicht kennenlernen. Denn Tahir ist vor gut einem halben Jahr mit seinen Eltern, seiner schwangeren Frau und seinem ersten Kind aus Pakistan geflohen. Nun leben sie zu sechst auf knapp 30 Quadratmetern: „Wir hätten es nicht besser treffen können“, sagt Wasim Ahmad Tahir.

 

Tatsächlich gilt die Einrichtung im Scheerwiesenweg in Schwieberdingen als Vorzeigeunterkunft für Asylbewerber. Der Eingangsbereich mit weißen Fliesen, weißen Wänden und einer luftigen Galerie wirkt hell und freundlich. Das ehemalige Boardinghouse – eine Art Hotel für längere Aufenthalte – besteht aus Ein- bis Zwei-Zimmer-Apartments mit kleinen Kochgelegenheiten. Anders als in großen Massenunterkünften haben die Familien hier einen abgetrennten Bereich für sich. Außerdem liegt das Gebäude mitten im Wohngebiet unweit der Ortsmitte – das ist nicht selbstverständlich für Asylbewerberunterkünfte, die gern auch mal außerhalb liegen.

Die Integrationsministerin ist beeindruckt

Die Integrationsministerin Bilkay Öney ist beeindruckt: „Die Unterkunft macht einen sehr guten Eindruck“, sagt sie bei ihrem Besuch am Montag. Sie lobt die Sauberkeit, die Räume mit Privatsphäre und den zentralen Standort. Doch der Landrat Rainer Haas hatte Öney eingeladen, um die Problematik bei der Suche nach Unterkünften zu thematisieren: „Wir geben uns allergrößte Mühe, aber es klappt nicht immer so gut wie hier“, sagt er.

Für den Landkreis sei es schwer genug, überhaupt noch Platz für neue Asylbewerberheime zu finden. Bei manchen Gemeinden stoße die Kreisverwaltung bei dem Thema sofort auf Ablehnung, anderen fehlten die Kapazitäten, so Haas. Deswegen lehne er die angedachte Erhöhung des gesetzlichen Anspruchs von 4,5 auf sechs bis sieben Quadratmeter pro Person ab: „Dann wird es noch schwieriger“, sagt er. Doch Öney sieht das anders: „Selbst Hunde haben Anspruch auf sechs Quadratmeter im Zwinger“, sagt sie.

Immerhin hat der Kreis in den vergangenen Monaten neue Unterkünfte in Bietigheim-Bissingen und Freiberg sowie die in Schwieberdingen angemietet. Zudem sollen im Frühsommer zwei Objekte in Vaihingen-Horrheim und Benningen fertig werden. Auch Sachsenheim will einen neuen Standort einrichten. Die Container im Seepfad, in denen bisher 60 Plätze zur Verfügung standen, werden aufgegeben. Die gleiche Anzahl an Plätzen will die Stadtverwaltung künftig im Teilort Hohenhaslach schaffen. Allerdings sagte der Ortschaftsrat jüngst Nein zu dem vorgeschlagenen Standort bei den Sportanlagen. Angeblich befürchtete man gegenseitige Beeinträchtigungen von Vereinsleben und Asylbewerbern. Nun soll Mitte Mai über eine Alternative in der Nähe der Kelter diskutiert werden.

Die Bewohner wollen sofort Deutsch lernen und arbeiten

Probleme mit der Nachbarschaft gebe es im Scheerwiesenweg überhaupt nicht, erzählt Bettina Daubner, die als Sozialarbeiterin unter anderem für die Schwieberdinger Unterkunft zuständig ist. Die Bewohner seien sehr bemüht: „Am liebsten wollen sie sofort Deutsch lernen und arbeiten“, sagt Daubner. Allerdings stehe ihnen dabei das deutsche Recht im Wege: Ein Jahr lang dürfen Asylbewerber keinen Job ausüben.

Das sei sehr hart, sagt Sabah Babawy. „Zu Hause haben wir gearbeitet, hier dürfen wir nur schlafen und nichts tun.“ Die 42-Jährige sagt, sie habe in Bagdad ein eigenes Haus und einen gut bezahlten Job beim Ölministerium gehabt. Sie sei vor den brutalen Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen geflohen, ebenso wie die Muslimin Eptehaj Al Ataby, die erzählt, dass sie beim irakischen Bildungsministerium angestellt gewesen sei. Wasim Ahmad Tahir, der von einem Job als Wirtschaftsanalyst in Pakistan berichtet, ist trotz der Einschränkungen heilfroh, in Schwieberdingen zu sein. „Wir sind frei und brauchen uns nicht zu fürchten“, sagt er – in seiner Heimat drohten ihm wegen seiner Religion drei Jahre Gefängnis.

Die Kreise müssen weiter aufstocken

Kapazitäten:
Im Kreis Ludwigsburg gibt es noch 25 freie Plätze in Asylbewerberunterkünften von insgesamt 617. Der Kreis Esslingen hat noch 25 Plätze von 596 frei, der Rems-Murr-Kreis 25 von 642. Im Kreis Böblingen sind 105 der 464 Plätze frei. Alle 286 Plätze im Kreis Göppingen sind belegt, auch die 1218 Plätze in Stuttgart sind bereits voll ausgebucht.

Ausblick
: Die aktuelle Prognose lautet, dass 2013 zwischen 9000 und 11 000 Asylbewerber nach Baden-Württemberg kommen. Je nach Einwohnerzahl müssen die Landkreise einen bestimmten Anteil davon aufnehmen. So geht man im Kreis Ludwigsburg langfristig von einem Bedarf von mehr als 800 Unterkunftsplätzen aus, im Kreis Esslingen sowie im Rems-Murr-Kreis von rund 900, im Kreis Böblingen von etwa 600 und im Kreis Göppingen von vorerst rund 350. In Stuttgart sollen noch dieses Jahr weitere 335 Plätze geschaffen werden.