Die Regierung will die Versorgungssicherheit erhöhen. Nach der Einigung mit der Betreiberfirma müssen aber noch einige technische Probleme gelöst werden.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Belgien plant den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Die Laufzeiten der beiden Atommeiler Tihange 3 und Doel 4 sollen bis 2035 verlängert werden, verkündete der belgischen Premierminister Alexander De Croo in Brüssel eine Einigung mit dem Betreiberunternehmen Engie. Geplant war, die AKW 2025 vom Netz zu nehmen, doch die Energiekrise in Folge des Krieges in der Ukraine hat einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Die Kraftwerke sollen nun die Versorgungssicherheit in den kommenden zehn Jahren gewährleisten. In Belgien wird rund die Hälfte des Strombedarfes von Atommeilern gedeckt.

 

Heftige Diskussionen über den Atomausstieg

Der Atomausstieg wurde in Brüssel eigentlich schon 2003 gesetzlich festgelegt, doch die Debatte um das Thema zieht sich seit Jahren. Derzeit sind noch sechs Meiler am Netz. Die Regierung hatte sich schon im vergangenen Frühjahr politisch darauf verständigt, die beiden jüngsten Reaktoren im Fall von Versorgungsproblemen zehn Jahre länger laufen zu lassen. Damals hatte allerdings Engie noch abgewunken und erklärt, dass der Weiterbetrieb nach dem aktuellen Stand technisch nicht machbar sei. „Ein Weiterbetrieb steht bei uns nicht auf dem Programm“, sagte damals Kraftwerkschef Peter Moens. „In Sachen nukleare Sicherheit improvisiere ich nicht.“

Nun hat sich die Einschätzung des Unternehmens geändert, doch bis zur tatsächlichen Laufzeitverlängerung ist es noch ein sehr langer Weg. Denn die erzielte Einigung zwischen Staat und Betreiber ist allenfalls grundsätzlicher Natur. Fest steht lediglich, dass an den Meilern in Zukunft je zur Hälfte der belgische Staat und Engie beteiligt sein werden. Zentrale praktische Fragen werden in den nächsten Monaten noch zu erörtern sein.

Das ungelöste Problem mit dem atomaren Abfall

Völlig unklar ist etwa, wie der radioaktive Abfall entsorgt wird und wie hoch die Kosten dafür sein werden. Allerdings hat die Regierung versprochen, diese Kosten zu deckeln. Im Klartext heißt das, dass der Staat dieses finanzielle Risiko voll übernimmt. Nach dieser Zusage konnte auch Engie nach eigenen Angaben dem Deal zustimmen. Man werde nun „sofort mit Umwelt- und technischen Studien“ beginnen, um danach von der belgischen Atomaufsichtsbehörde die Genehmigung für den Weiterbetrieb zu bekommen. Ziel ist es laut einer Mitteilung nun, die zwei Meiler nach den für die Verlängerung nötigen Arbeiten im Winter 2026 wieder in Betrieb zu nehmen.

Die Reaktoren gelten als „Pannenmeiler“

Die Kraftwerke Doel in der Nähe von Antwerpen und Tihange bei Lüttich gelten seit vielen Jahren als „Pannenmeiler“. In den Blöcken Tihange 2 und Doel 3 fanden Experten bereits im Jahr 2012 tausende Haarrisse in den Reaktordruckbehältern. Dennoch beschloss Belgien 2015 eine Laufzeitverlängerung bis 2025, ohne die Nachbarländer anzuhören und ohne die Umweltverträglichkeit zu prüfen - widerrechtlich, wie unter anderem der Europäische Gerichtshof urteilte. Vor einigen Wochen wurde Doel 3 vom Netz genommen, spätestens im Februar soll Tihange 2 folgen. Auch im nahen Deutschland sorgen die belgischen Atommeiler aus den 1970er und 1980er Jahren immer wieder für Diskussionen. Die Stadt Aachen und die Bundesregierung haben in der Vergangenheit gefordert, die Kernkraftwerke stillzulegen.

Die Grünen kommen in Erklärungsnot

Die Laufzeitverlängerung bringt nun die Grünen in Erklärungsnöte. Die Öko-Partei sitzt in Belgien mit in der Regierung und ausgerechnet die grüne Energieministerin Tinne Van der Straete hat die Einigung zusammen mit Premier Alexander De Croo in Brüssel verkündet. Bis jetzt konnte die Partei, deren Kampf gegen die Atomkraft zum unverwechselbaren Markenkern gehört, jede größere interne Debatte verhindern. In der Tageszeitung „Le Soir“ wird allerdings spekuliert, dass die Partei an einer ideologischen Neupositionierung nicht vorbeikommen werde.