Bahn-Chef Grube plant harte Einschnitte bei dem Staatskonzern – und steht wegen der Probleme des Unternehmens selbst unter Erfolgsdruck. Die Gewerkschaften wollen einen Kahlschlag im Güterverkehr aber nicht hinnehmen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn (DB) will mindestens 2600 Stellen im verlustreichen Güterverkehr auf der Schiene streichen. Das sehen nach Informationen der Stuttgarter Zeitung die Sanierungspläne für den größten Staatskonzern vor, die der Aufsichtsrat am Mittwoch in Berlin beraten hat. Die Sitzung des 20-köpfigen Kontrollgremiums dauerte bis in den Abend. DB-Chef Rüdiger Grube, dessen Vertrag noch bis 2017 läuft, will sein Zukunfts- und Umbaukonzept mit dem gesamten Vorstand am Donnerstag der Öffentlichkeit vorstellen.

 

In einer von der DB-Spitze verbreiteten Erklärung von Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht hieß es nach der Sitzung, die Mittelfristplanung bis 2020 und der Konzept zum Konzernumbau seien „zur Kenntnis“ genommen worden. „Konkretisierungen“ würden 2016 mit dem Vorstand diskutiert. Der Kurs für mehr Qualität, Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit werde ausdrücklich unterstützt, so Felcht.

Grube steht massiv unter Druck, weil er viele hochfliegende Ziele und Prognosen seit seinem Amtsantritt im Mai 2009 weit verfehlt hat. Nach früheren Visionen sollte die DB den Umsatz verdoppeln und größter Mobilitätskonzern der Welt werden. Noch im Frühjahr hatte der DB-Chef angekündigt, den Konzernumsatz bis 2020 zumindest noch von rund 40 auf 50 Milliarden steigern und auch die Rentabilität verbessern zu wollen. Stattdessen wird in diesem Jahr nun unterm Strich ein Rekordverlust von 1,3 Milliarden Euro erwartet, das erste Minus seit mehr als einem Jahrzehnt. Die massiv nach unten korrigierte Mittelfristplanung, die Grube dem Aufsichtsrat vorlegte, sieht zudem nicht mehr, sondern zwischen 2015 und 2019 insgesamt 13,2 Milliarden Euro weniger Umsatz vor. Die operativen Ergebnisse vor Steuern und Zinsen (Ebit) werden laut den internen Unterlagen ebenfalls insgesamt um 3,55 Milliarden Euro geringer ausfallen als noch bei der letzten Planung, die den Kontrolleuren erst vor sechs Monaten präsentiert wurde.

In allen Geschäftsfeldern wachsen die Probleme

Im Aufsichtsrat wächst daher dem Vernehmen nach der Ärger über die schlechte Entwicklung des Konzerns, über immer wieder verschobene und korrigierte Planungen und immer neue Versprechen Grubes, dass alles besser werden solle. Zumal in allen Geschäftsfeldern die Probleme wachsen und der Konzern hohe Investitionen für  neue Züge sowie Bauprojekte wie Stuttgart 21 stemmen soll. Das aber wird bei sinkenden Gewinnen immer schwieriger. So droht eine noch höhere Verschuldung des Staatskonzerns, die Kritiker bereits als politisch brisanten Schattenhaushalt der Bundesregierung sehen. Laut Mittelfristplanung sollen allein die Nettoverbindlichkeiten bis 2020 von knapp 18 auf dann rund 22 Milliarden Euro steigen. Damit nähert sich die DB dem Schuldenberg, den die Deutsche Bundesbahn einst auftürmte und der mit der Bahnreform 1994 vom Steuerzahler übernommen werden musste, damit die neue DB AG unbelastet starten konnte.

Es gilt als fraglich, ob Grube die nun geplanten harten Einschnitte im Frachtverkehr gegen die Mitbestimmung der Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat durchsetzen kann. Noch für dieses Jahr sind 1,3 Milliarden Euro Sofortabschreibungen in dieser Sparte vorgesehen. Schon seit fünf Jahren fährt DB Schenker Rail, Europas größte Güterbahn, wie berichtet Verluste ein, viele Kunden sind über die – auch bahnintern scharf kritisierte – mangelnde Zuverlässigkeit und Qualität der DB-Angebote enttäuscht. Nun sollen 18 der bundesweit 39 Standorte aufgegeben werden, zudem droht 30 Prozent der Güterverkehrsstellen die Schließung, insgesamt wären das rund 400 Logistikzentren. Auch das geht aus vertraulichen Unterlagen der DB-Spitze zur Aufsichtsratssitzung hervor, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen.

Kritiker halten den Weg auch umweltpolitisch für falsch

Die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG), deren Vorsitzender Alexander Kirchner Vizechef des DB-Aufsichtsrats ist, hat bereits angekündigt, gegen einen weiteren Kahlschlag im Güterverkehr auf der Schiene mobilzumachen. In Arbeitnehmerkreisen wird befürchtet, dass mittelfristig bei DB Schenker Rail sogar bis zu 5000 der noch knapp 31 000 Stellen wegfallen und ganze Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern vom Frachtverkehr abgehängt werden könnten. Kritiker fordern stattdessen eine wirkliche Vorwärtsstrategie für die Schiene. Es sei auch umweltpolitisch der falsche Weg, Frachtzentren zu schließen, Güter-, Nacht-  und Autozüge komplett aufs Abstellgleis zu schieben und stattdessen wie berichtet mit DB-Unternehmen den Fernbusverkehr auf der Straße auszubauen.