Markus Frohnmaier und Jan Rittaler sind regionale Vertreter der AfD – und stehen für zwei Strömungen innerhalb der Partei.
Böblingen - Jan Rittaler sieht so aus, wie man sich einen Liberalen gemeinhin vorstellt: Der 55-Jährige sitzt in einem sandfarbenen Jackett mit edlem Einstecktuch im Leonberger Café Trölsch und rührt bedächtig mit dem Löffel in seinem Kaffee. Keine Latte macchiato, sondern guter, alter Filterkaffee mit etwas Milch. Rittaler ist Unternehmensberater. Als Jugendlicher war er Schülersprecher am Ludwigsburger Mörike-Gymnasium. Er hat in den 1980er Jahren die Jungen Liberalen im Land mitgegründet, 32 Jahre lang gehörte er zum Kern der FDP, saß sogar im Landesvorstand.
Jan Rittaler hat sich von der FDP entfernt – oder die FDP sich von ihm. „Als Nationalliberaler fühle ich mich nicht mehr vertreten“, sagt er. Auch die neue Ausrichtung unter Christian Lindner passt dem Unternehmensberater überhaupt nicht. Steuern senken, Regulierungen abschaffen und Sozialleistungen kürzen – das sind Rittalers politische Ziele. Er wünscht sich den Staat als Nachtwächter. Dessen Aufgabe soll auf die Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit beschränkt sein, um in erster Linie das Privateigentum der Bürger zu schützen. Dieser Minimalstaat greift nicht durch Wirtschafts- oder Sozialpolitik in den freien Markt ein. So sieht Jan Rittalers Ideal aus, das seit dem Tod des ehemaligen Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff kein prominenter FDPler mehr in dieser Klarheit vertritt.
Die Partei versinkt in Querelen
So kam Rittaler zur Alternative für Deutschland – und wurde sofort Landesschatzmeister. Die Partei braucht erfahrene Organisatoren, und mit Geld kennt sich der promovierte Wirtschaftswissenschaftler aus. Doch so schnell sich sein Aufstieg bei der AfD vollzieht, so schnell geht es auch wieder bergab: Beim Landesparteitag im Januar wurde Rittaler – ebenso wie ein Teil des Vorstandes – nicht wiedergewählt. Die Partei versank zeitweise in Querelen. „Die Vorwürfe gegen mich waren absurd“, sagt Rittaler. Der Rechenschaftsbericht sei korrekt gewesen, sonst hätte die AfD keine Parteienfinanzierung bekommen.
Heftige interne Auseinandersetzungen sind nicht untypisch für neu gegründete Parteien. Die Piraten, die vor drei Jahren noch kometenhaft aufgestiegen waren, haben sich durch ihre andauernden Personalstreitigkeiten selbst zerlegt. Den meisten Gruppierungen im rechten Spektrum erging es ähnlich: von den Republikanern in den 1990er Jahren über Ronald Schills Rechtsstaatliche Offensive bis zur islamkritischen Gruppierung Die Freiheit.
„Das sind Häutungsprozesse “, sagt Jan Rittaler zu den Streitigkeiten, die ihn das Schatzmeisteramt gekostet haben. Er will trotz seiner persönlichen Niederlage weitermachen. Immerhin habe er auch im Beruf einen Neustart geschafft: Einst war er Bereichs- und Chefbüroleiter beim Telekommunikations-Konzern Mannesmann, dann hat er sich als Unternehmensberater selbstständig gemacht. „Ich habe jetzt nur noch das halbe Gehalt, aber die doppelte Lebensqualität“, sagt Rittaler. Das passt zum Bild eines Selfmade-Mannes, der viel von Eigenverantwortung und nichts von staatlicher Bevormundung hält.
Wie Markus Frohnmaier Feuer gefangen hat
Jan Rittaler träumt weiterhin davon, eine neue liberale Partei rechts der durch Angela Merkel modernisierten CDU und der marginalisierten FDP zu etablieren. Immerhin befindet sich die AfD auch in Baden-Württemberg weiterhin im Aufwind: 3100 Mitglieder meldet Anastasia Koren, die 28-jährige Landesgeschäftsführerin in Stuttgart, eine von zwei festen Angestellten, die im Bürohochhaus Bülowbogen an der Heilbronner Straße arbeiten. Es gibt 36 Kreisverbände, der Stuttgarter Verband hat 150 Mitglieder. „Wir wollen bei der Landtagswahl in allen 70 Stimmkreisen antreten“, sagt Anastasia Koren. Im Juni soll ein Parteitag die Verhältnisse ordnen und den Vorstand neu wählen.
Sind Rechtsliberale wie Jan Rittaler typisch für die AfD? Oder steht die Partei eher für Männer wie Markus Frohnmaier? Der 23-Jährige ist Landesvorsitzender der Nachwuchsorganisation Junge Alternative. Er gehört nicht nur einer anderen Generation als Rittaler an, sondern ist auch politisch völlig anders sozialisiert.
Wer ist dieser junge Mann, der in der gerade einmal 15 Quadratmeter großen AfD-Geschäftsstelle an der Heilbronner Straße sitzt? Frohnmaiers Bart ist akkurat gestutzt, das hellblaue Hemd ordentlich unter dem Pullover verstaut. Dem Gast bietet er freundlich einen Kaffee an, fast wirkt er ein wenig schüchtern. Dabei gehört der Jurastudent zu den Wortführern seiner Partei. Was er sagt, besitzt Gewicht.
Die Merkel-CDU ist nicht sein Ding
Markus Frohnmaier ist auf dem Land aufgewachsen – in Weil der Stadt, Ortsteil Schafhausen. Er stammt aus einer alteingesessenen Bauernfamilie, der Vater arbeitete bei Daimler als Elektrotechniker. Der Sohn ging auf die Hauptschule ins benachbarte Döffingen, später auf die Realschule nach Stuttgart und machte auf dem Calwer Wirtschaftsgymnasium über den zweiten Bildungsweg das Abitur. Markus Frohnmaier hat sich bis an die Uni gekämpft, nun studiert er in Tübingen Rechtswissenschaften. „Ich bin ein Kind des dreigliedrigen Bildungssystems“, sagt er, „deswegen sollten wir es unbedingt erhalten.“
Frohnmaier war eine Zeit lang Mitglied der Jungen Union, doch so richtig identifizieren konnte er sich mit den Christdemokraten nie. Zumindest nicht mit der CDU von Angela Merkel, die gegen Atomenergie ist, für flächendeckende Kleinkindbetreuung und für die der Islam zu Deutschland gehört. „Für mich gehört er nicht dazu“, sagt Markus Frohnmaier. „unser Land ist christlich-jüdisch geprägt.“
In der – eigentlich eher linken – Universitätsstadt Tübingen kam der junge Mann aus Weil der Stadt-Schafhausen mit den Thesen des Professors Joachim Starbatty in Berührung, eines wortgewaltigen Kronzeugen der Eurokritiker. „Sein Vortrag hat mich fasziniert“, erzählt Frohnmaier. Er hat Feuer gefangen und gründete eine AfD-Hochschulgruppe, aus der im vergangenen Sommer der Landesverband der Jungen Alternative hervorging.
Harte Töne auf der Facebook-Seite
Markus Frohnmaier sagt, er sei „bürgerlich-konservativ“, und tritt in der Öffentlichkeit auch so auf: Moderat kritisiert er die grün-rote Polizeireform, die Gemeinschaftsschule und den Bildungsplan für sexuelle Toleranz. Auf seiner Facebook-Seite und auf manchen Veranstaltungen schlägt er allerdings härtere Töne an. Von „Lügenpresse“ ist da die Rede, wenn RTL über die Pegida berichtet, und das ARD-Magazin „Hart aber fair“ beschimpft er als „National-Borderline-Demagogen-TV“. Auf dem AfD-Bundesparteitag sagte Frohnmaier: „Die Angst vor einer Islamisierung Deutschlands ist durchaus berechtigt, wenn Kirchen in Moscheen umgewandelt werden.“ Oft postet er Videos von gewalttätigen Ausländern, die Einheimische verprügeln. „Die deutsche Kartoffel wird auf dem Schulhof vermöbelt“, schreibt er etwa.
Spricht man ihn darauf an, sagt er: „Ich stehe zu meinen Aussagen. Als Jugendorganisation muss man auch mal provozieren.“ Markus Frohnmaier spricht von falsch verstandener Toleranz und Rücksichtnahme, wenn „einigen Religionsgruppen“ zu viel nachgesehen werde. Und die Statistik zeige eben, dass „bestimmte Gruppen“ häufiger kriminell seien.
Nur zur NPD grenzt Frohnmaier sich und seinen 150 Mitglieder starken Jugendverband ab. „Mit denen und den Jungen Nationaldemokraten wollen wir nichts zu tun haben.“ Das gilt nicht für Anhänger der Republikaner – hier solle jeder Einzelfall geprüft werden. In der Russlandpolitik gibt Frohnmaier den Putin-Versteher. Er sei strikt gegen Sanktionen, weil sie „vitalen deutschen Interessen“ gegenüberstünden.
Eine spannende Frage
„Für mich ist das Auftreten von Herrn Frohnmaier grenzwertig“, sagt Jan Rittaler, während er in seinem Kaffee rührt. „Ich habe ein Problem mit seinem Demokratieverständnis.“ So versuche Frohnmaier, ehemalige Jungliberale vom AfD-Jugendverband fernzuhalten, und hintertreibe die Gründung eines moderaten Kreisverbands in Freiburg.
Die spannende Frage ist: Werden sich Leute wie Rittaler oder Leute wie Frohnmaier in der AfD durchsetzen? „Das ist im Moment noch nicht abschätzbar“, sagt Oscar W. Gabriel. Der langjährige Professor für Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart diagnostiziert einen heftigen innerparteilichen Machtkampf, den sich die AfD-Wortführer auf Bundesebene liefern. „Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel wollen sich als Koalitionspartner der CDU andienen, während Alexander Gauland und Frauke Petry eine Anlehnung an den rechten Rand suchen.“
Einen Flügelkampf dieser Art gebe es auch in Baden-Württemberg. Die nationalkonservativen AfDler hätten große Probleme damit, sich deutlich von rechtsradikalen Kreise abzugrenzen: „Sie wollen das auch gar nicht so richtig, weil sie dort Stimmen sammeln wollen.“ Oscar W. Gabriel weist auf etwas hin, das auch auf Markus Frohnmaier zutrifft: Die offiziellen Aussagen seien so moderat, aber die alltäglichen Kommentare, etwa auf Facebook, radikal.
Die Einschätzung des Rechtsextremismusexperten
Der Rechtsextremismusexperte Lucius Teidelbaum schätzt Markus Frohnmaier als „relativ radikal“ ein. Der Junge-Alternative-Landeschef habe versucht, den Publizisten Felix Menzel nach Stuttgart einzuladen, der als Chefredakteur des Magazins „Blaue Narzisse“ ein prominenter Vertreter der Neuen Rechten sei. Frohnmaier selbst bezeichnet Menzel als „aufrechten Demokraten“.
Markus Frohnmaier strebt eine politische Karriere an. Anfang Januar kandidierte er für das Amt des Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative – am Ende fehlten ihm wenige Stimme zum Erfolg. Die „Patriotische Plattform“, eine rechtskonservative Vereinigung innerhalb der AfD, schrieb dazu: „Leider ist unser Kamerad Markus Frohnmaier knapp gescheitert.“
Wie geht es weiter? Der Hohenheimer Professor Frank Brettschneider glaubt, die AfD werde die ehemalige Rolle der Republikaner im Land einnehmen: „Die Asylpolitik wird dabei eine wichtige Rolle spielen.“ Wie der interne Machtkampf ausgehe, sei völlig unklar. „Je länger er dauert, desto mehr schadet er der AfD.“
Jan Rittaler glaubt, dass sich noch in diesem Jahr – „wenn es um das Verhältnis zum Islam geht“ – entscheide, welche Richtung seine Partei einschlage. Er erwarte harte Auseinandersetzungen und hoffe, dass es künftig keinen Platz mehr für rechtsextreme Ansichten in der AfD gebe.
Die Mittagspause ist vorbei. Rittaler muss zum nächsten Beratungstermin. „Unsere Partei hat viele kluge Köpfe“, sagt er, „sie kann nicht scheitern.“ Zumindest die Partei, die er sich vorstellt.