Auftritt von Leif Randt Warum der Mörike-Preisträger nie in Fellbach war

Für dich soll’s rosa Tulpen geben? Am Donnerstag womöglich mit Blumen am Bahnsteig Fellbach anzutreffen: Am Abend gastiert Leif Randt im Kunstvereinskeller. Foto: Veranstalter/Belle Santos

2021 wurde er mit dem Mörike-Preis ausgezeichnet. Im Gespräch berichtet der Autor Leif Randt über die Hintergründe der seinerzeit ausgefallenen Preisverleihung. Nun steht ein Auftritt an. Welche literarischen Projekte hat er auf seiner Agenda?

Der Mörike-Preisträger 2024 heißt Jaroslav Rudiš. Bereits 2021 wurde die Auszeichnung dem Autoren Leif Randt zugedacht. Allerdings kennt ihn in Fellbach bisher selbst unter Literaturfreunden kaum einer. Im Interview mit unserer Redaktion schildert der 40-Jährige, dass er sich am Tag der vorgesehenen Preisverleihung wie in einem schlechten Traum fühlte, und mit welcher Show er nun die Fellbacher Literaturfreunde begeistern möchte.

 

Herr Randt, wie finden sie denn Fellbach mit seinen vielen auch kulturellen Besonderheiten? Und was haben Sie hier alles angeschaut, nachdem Sie bereits vor drei Jahren mit dem Mörike-Preis ausgezeichnet wurden?

Im Herbst 2021 war alles vorbereitet. Der Künstler Adam Kaplan, meine Partnerin Belle Santos, sogar meine Mutter Gudrun Randt, sie alle waren angereist, um am nächsten Abend an der Preisverleihung teilzunehmen, während ich noch in Berlin im Bett lag und glaubte, die erste Grippe seit vielen Jahren vollständig auskurieren zu können. Ich dachte, ‚morgen werde ich fit sein, morgen wird ein großer Tag’. Aber dann kam die Krankheit erst so richtig an… Neuritis Vestibularis, sagte eine junge Ärztin. Maßloser Schwindel und Übelkeit. Schlechter als an dem Tag, als in Fellbach die Preisverleihung steigen sollte, habe ich mich danach nie mehr gefühlt. Die Veranstaltung wurde auf Dezember verschoben und fiel dann damals wegen der stark gestiegenen Covid-Zahlen erneut aus. Es war wie in einem schlechten Traum und sollte einfach nicht sein. Was ich damit sagen will: Ich bin noch nie in Fellbach gewesen.

Ihr Werk „Allegro Pastell“ habe ich vor mehr als drei Jahren gelesen und kann mich somit nicht mehr ganz genau erinnern. Was war seitdem? Ein Schnell-Wegschreiber der Stoffe scheinen Sie ja nicht zu sein.

In der Zwischenzeit habe ich eine Kinoversion zu „Allegro Pastell“ geschrieben, ein Drehbuch, war in Brasilien und Japan und auf mehreren kanarischen Inseln und habe einen neuen Roman begonnen. Ich lasse tatsächlich immer recht große Pausen entstehen zwischen meinen Büchern. Das ist nur teilweise Absicht. Aber es fühlt sich auch richtig an. Alle fünf Jahre ein schmales Buch. Wenn ich diesen Rhythmus bis zum Ende beibehalte und ich zumindest mit jedem zweiten Buch zufrieden bin, wird es ein gutes Leben gewesen sein.

Und was ist mit dem Verdienst als Autor? Ihre Kollegin Anna Katharina Hahn schilderte kürzlich in unserer Zeitung eindrucksvoll, wie hamstermäßig sie unterwegs sein muss, um über die Runden zu kommen.

Vielen Dank für diese sehr schwäbische Frage. Ich habe das Glück, dass ich mit jedem neuen Roman bisher von einem größeren Publikum gelesen wurde und auch gelegentlich für Film und Theater arbeiten kann. Dadurch kann ich mich finanziell wohl knapp zur deutschen Mittelschicht zählen. Eher geringe Einnahmen erzielen, dafür fulltime das tun, was ich am liebsten tue — das war die Haltung, seit ich mit der Schule fertig war vor 20 Jahren. Ich würde es wieder genauso entscheiden.

Beim kurzfristigen Surfen im Internet bin ich auf Ihre Translit-Poetikdozentur gestoßen. Was hat es denn mit der Online-Plattform Tegel Media auf sich?

Das ist ein schönes Wort für den Alltag im Internet: surfen. Ein Wort aus den Neunzigern. In ungefähr diesem Spirit ist vor sieben Jahren auch Tegel Media entstanden, als anti-kommerzielles, künstlerisches Projekt. Auf tegelmedia.net publizieren wir kurze Erzählungen, die vielleicht nirgendwo sonst erscheinen könnten. Bei uns veröffentlichen viele Newcomer wie zuletzt die Schriftstellerin Sannah Jahncke, die ein Videoessay über das imaginierte Leben im Kloster entwickelt hat, aber auch längst etablierte Stimmen wie zum Beispiel die Schweizer Dramatikerin Katja Brunner oder Wolfram Lotz. Unregelmäßig veranstalten wir auch Partys in Berlin. Dann diffundiert der freundlich-skurrile Tegel-Media-Webspace in ein echtes Miteinander, und wir sind immer erstaunt darüber, dass so viele Leute kommen. Eines Tages werden wir sicher auch mal ein Event im Großraum Stuttgart veranstalten. Tegel Media Worldwide!

Ein Ausblick auf Donnerstag im Fellbacher Kunstvereinskeller: Angekündigt ist eine bebilderte Lesung unter dem Titel „Panoptikum Boy“. Was hat man sich denn darunter vorzustellen? Eine „Slideshow“ ist offenbar Bestandteil, und dann auch noch KI-generierte Fotokunst. Und das soll Spaß machen?

Am Donnerstag werde ich mich mit dem Schriftsteller Moritz Heger über die bevorstehende Verfilmung von „Allegro Pastell“ unterhalten — Ende Mai ist Drehstart. Zu exklusiven Fotos von der Motivtour lese ich kurze Auszüge aus der mittlerweile historischen Lovestory. Und danach stelle ich eine neue Arbeit vor, bei der ich mit Texten auf die KI-generierte Fotokunst des befreundeten Designers Max Kuwertz reagiere. Diese Fotos sind total irre, sehen hyperrealistisch aus, kommen aber ganz spürbar aus einer neuen Welt. Ich lese dazu hoffnungsvolle Texte. Viel mehr Spaß als an diesem Donnerstag in Fellbach gab es in der deutschen Literatur vielleicht noch nie.

Der Mann hinter „Allegro Pastell“ und „Panoptikum Boy“

Herkunft
 Leif Randt wird 1983 in Frankfurt am Main geboren und wächst im hessischen Maintal-Hochstadt auf. Er wird mehrfach von Kritikern für seine Werke gelobt und mit Literaturpreisen ausgezeichnet.

Werk
 Vier Romane sind bisher erschienen: „Leuchtspielhaus“ (2009), „Schimmernder Dunst über Coby County“ (2011), „Planet Magnon“ (2015) und zuletzt „Allegro Pastell“ (2020). Diese 280 Seiten starke Geschichte über Fernbeziehung begeisterte den Juror für den Fellbacher Mörike-Preis, den Literaturkritiker Ijoma Mangold, derart, dass er Randt für den Preis des Jahres 2021 auserkor.

Mörike-Preis
 „Die Leif-Randt-Festspiele können beginnen“, schrieb unsere Zeitung kurz vor der Preisverleihung – ehe dann wegen Erkrankung des Autors erst die Zeremonie und später der Nachholtermin wegen Corona ausfiel.

Lesung
 Im Keller des Fellbacher Kunstvereins, Cannstatter Straße 9, präsentiert Randt an diesem Donnerstag, 25. April, um 20 Uhr im Gespräch mit Moritz Heger (Vorsitzender Stuttgarter Schriftstellerhaus) die bebilderte Lesung „Panoptikum Boy“. Karten zu fünf Euro gibt es beim i-Punkt Fellbach (0711 / 58 00 58) und an der Abendkasse.

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