Bei der Ausbildung hat die Industrie- und Handelskammer junge Flüchtlinge im Visier. Bereits 100 Firmen im Kreis Böblingen haben ihr Interesse signalisiert, Asylbewerber auszubilden.

Böblingen - Die Integration junger Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ist ein neuer Schwerpunkt der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart im Kreis Böblingen. Mit Katharina Koser gibt es neuerdings eine direkte Ansprechpartnerin, die das Projekt „Integration durch Ausbildung – Perspektive für Flüchtlinge“ koordiniert. „Das Interesse der Unternehmen dafür ist groß“, sagt Marion Oker, die Geschäftsführerin der Böblinger Kammer der IHK. Rund 100 Firmen hätten sich gemeldet und ihre Bereitschaft erklärt, Asylsuchende auszubilden. „Voraussetzung dafür sind für die Unternehmen ausreichende Sprachkenntnisse sowie eine Bleibeperspektive der Leute.“

 

Deshalb wende man sich nun gezielt an anerkannte Flüchtlinge sowie Asylbewerber, die aus Syrien, dem Irak, Iran und Eritrea kommen und eine gute Bleibeperspektive haben. Positiv sei für die Betriebe die gesetzliche Regelung, dass Geflüchtete, die bei Ausbildungsbeginn noch unter 21 Jahren alt sind, während der Ausbildung nicht abgeschoben werden dürften, sagt Marion Oker: „Wir setzen uns dafür ein, diese Zeit noch zu verlängern. Drei Jahre Ausbildung plus zwei Jahre anschließende Berufstätigkeit ist das Ziel, damit die Betriebe auch was von den Leuten haben, die sie ausbilden.“

Katharina Koser hat bereits Kontakt mit den Berufsschulen im Kreis aufgenommen. Dort arbeitet sie mit den Lehrern den Vorbereitungsklassen zusammen, in denen Zuwanderer von 16 Jahren bis 20 Jahren, Deutsch lernen und parallel bei Schnupperpraktika erste Einblicke ins Berufsleben erhalten. „Im Visier haben wir aber auch die Integrationskurse zum Beispiel an den Volkshochschulen, in denen Flüchtlinge, die älter als 20 Jahre sind, Deutsch lernen“, sagt Katharina Koser.

IHK wirbt für Karriere mit dualer Ausbildung

Insgesamt ist der Ausbildungsmarkt im Kreis Böblingen stabil. 1285 neue Ausbildungsverhältnisse wurden im vergangenen Jahr bei der IHK gemeldet, im Jahr zuvor waren es 21 mehr gewesen. 744 aktive Ausbildungsbetriebe verzeichnete die Kammer, drei weniger als 2014. Sorge bereite den Unternehmen schon seit Längerem der „Trend zur akademischen Ausbildung“, sagt Andreas Hadler, der Präsident der Böblinger Bezirkskammer. „Auch mit einer dualen Ausbildung und Fortbildungen kann man Karriere machen.“ Und David Fais, der Leiter der beruflichen Bildung bei der IHK, zitiert aus einer Studie, nach der „Meister gefragter sind als Leute mit einem Bachelorabschluss“.

Am beliebtesten waren im vergangenen Jahr bei den Schulabgängern kaufmännische Berufe. Ganz oben stand der Einzelhandelskaufmann, gefolgt vom Groß- und Außenhandelskaufmann. Zu den Top Ten zählen aber auch gewerblich-technische Berufe wie Mechatroniker, Technischer Produktdesigner und Industriemechaniker. Unterschiede bei der Berufswahl gibt es zwischen den Geschlechtern. Während junge Frauen bevorzugt kaufmännische Berufe ergreifen und gerne im Verkauf arbeiten, zählen neben Einzelhandelskaufmann auch gewerbliche Berufe wie Mechatroniker zu den Favoriten junger Männer.

Einsteiger in technische Berufe haben zumeist einen höheren Schulabschluss als die im kaufmännischen Sektor. Jeder dritte Auszubildende in einem gewerblichen Beruf hatte im vergangenen Jahr Abitur oder Fachhochschulreife in der Tasche, nur zwölf Prozent den Hauptschulabschluss. Bei den Kaufleuten hingegen war jeder fünfte Hauptschüler, 31 Prozent der jungen Leute waren Abiturienten.

Trotz dieser hohen Qualifikation vieler junger Leute hätten manche Betriebe Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden. Das gelte vor allem für die Gastronomie und den Handel, sagt Andreas Hadler. Diese Branchen seien vor allem wegen der Arbeitszeiten abends und an Wochenenden unattraktiv für viele Jugendliche.