Die Liste der Nein-Sager wird nicht länger. Fellbach verweigert sich der Verweigerungshaltung anderer Kommunen im Großraum Stuttgart – und bleibt beim Projekt Regio-Rad im Sattel. Dieses Ja gilt jedenfalls vorläufig bis zur einer möglichen Neuauflage des Vertrags ab 2027. Zu den entsprechenden Erläuterungen von Baubürgermeisterin Beatrice Soltys hatte die Verwaltung lediglich eine „Kenntnisnahme“ und keine formale Abstimmung vorgesehen. Die Wortmeldungen aus den Fraktionen signalisierten aber großteils Zustimmung zum Kurs der Rathaus-Radexperten. Stadtrat Jörg Schiller (Gruppe Die Stadtmacher), der sich vor der Sitzung sehr kritisch geäußert und verlangt hatte, Fellbach müsse beim Regio-Rad die Reißleine ziehen, blieb weitgehend ohne Unterstützung.
260 Stationen in 51 Kommunen der Region
Das Angebot Regio-Rad wurde 2018 gestartet und ist seitdem stark gewachsen. Inzwischen können mehr als 1700 Fahrräder und Pedelecs sowie zehn Lastenpedelecs an rund 260 Stationen in 51 Städten und Gemeinden der Region entliehen werden, heißt es in einer Expertise der Stadt Fellbach.
Zuletzt hatte die Deutsche Bahn Connect GmbH allerdings Rückschläge zu verkraften. Weil häufig Räder fehlten, Ersatzteile nicht beschafft werden konnten und die Ausleihzahlen zu wünschen übrig ließen, entschlossen sich einige Kommunen zum Ausstieg. Im Rems-Murr-Kreis etwa haben Schorndorf, Backnang und Urbach den Ausstieg ins Auge gefasst oder bereits beschlossen. Andere, etwa die Kreishauptstadt Waiblingen oder Kernen, halten am Konzept fest.
Station am Fellbacher Rathaus über Wochen ohne Räder
In Fellbach geht es ebenfalls weiter. Vielleicht auch deshalb, weil hier schon sehr früh, nämlich 2016, an der Schaflandstraße beim Bahnhof eine mit zehn Rädern ausgestattete Pedelec-Verleihstation eröffnet wurde. Zur Jungfernfahrt strampelten der damalige Oberbürgermeisters Christoph Palm und diverse Lokalpolitiker durchs angrenzende Industriegebiet. Fellbachs Baudezernentin wie auch Birgit Orner von der Stabstelle Radmobilität sehen jetzt jedenfalls keinen Anlass, vom Regio-Rad-Sattel abzusteigen. In ihren Statements im Ausschuss räumten sie durchaus die jüngsten Mängel ein. Orner verwendete sogar den Begriff „Katastrophe“, die Ergänzungsstation nahe des Fellbacher Rathauses sei „über Wochen leer gestanden“.
Die Lage habe sich bei den durch Corona stark zurückgegangenen Ausleihzahlen mittlerweile aber deutlich gebessert. Nach lediglich 220 Ausleihen im Jahr 2021 gab es voriges Jahr immerhin 370 Ausleihen – 190 am Bahnhof, 180 in der Stadtmitte. Und auch beim Service sei die Bahn-Tochter, „wieder auf einem guten Weg“. Das Ordnungsamt schaue rund um die Lutherkirche öfter nach dem Rechten, die neue Seiltechnologie an den Rädern soll künftig robuster gegen Vandalismus sein. Letztlich wäre der Schaden bei einem Ausstieg größer, als wenn man bis zum Vertragsende 2026 dabei bleibe.
Touristische Ausflugsziele sollen per Leihrad erreicht werden
Die Baubürgermeisterin wiederum verwies ergänzend auf die angestrebte Verkehrswende: „Wir benötigen Alternativen zum Auto. Außerdem möchten wir, dass Tagesgäste unsere touristischen Ziele, wie zum Beispiel das F3 oder jetzt das Waldschlössle, möglichst einfach erreichen können.“ Die Räder würden gepflegt und zeitnah zurücktransportiert – „auch wenn sie immer noch veraltet sind“. Durch den Servicemangel habe die Stadt eine Rückerstattung der Kosten in Höhe von 35 Prozent zugesprochen bekommen. „Die tatsächlichen Zusatzkosten beliefen sich daher nicht auf 40 Euro je Ausleihe, sondern auf weniger als die Hälfte, nämlich 19,05 Euro“, korrigierte Soltys eine Berechnung unserer Zeitung.
Die jährlichen Kosten für die zwei Fellbacher Regio-Rad-Stationen betrugen im Jahr 2022 rund 16 500 Euro, davon trägt der Verband Region Stuttgart über das Programm „Zwei für eine“ 4000 Euro. Angesichts dieser Summen und der geringen Ausleihzahlen erkannte Stadtmacher-Stadtrat Schiller „ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis“. Viele Radelnde hätten sich E-Bikes gekauft, da sei die schwache Nachfrage kein Wunder. „Und das Netz wird schlechter durch die Ausstiege der Kommunen.“
Die meisten Räte plädierten jedoch für die Regio-Rad-Fortführung in Fellbach. Thomas Seibold (Freien Wähler/Freie Demokraten) brachte es so auf den Punkt: „Der Verlust nach der Neuberechnung ist nicht so dramatisch, als dass wir zu früh den Stab brechen sollten. Wir sollten der Sache Chance und Zeit geben.“