Yoga-Kurse speziell für Männer – das bietet die Volkshochschule Filderstadt an. Unser Autor Sascha Maier hat das ausprobiert und sich irgendwo zwischen Selbsthilfegruppe und Erleuchtungserlebnis wiedergefunden.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Filderstadt - Die Zigarette davor hätte ich mir mal lieber gespart. Im Reihenhausidyll mitten in Bonlanden werde ich heute in der Alten Mühle, wo auch die Volkshochschule (VHS) Filderstadt sitzt, an einem Yoga-Kurs speziell für Männer teilnehmen. Hier ist es so ruhig, dass ich mich frage, wie man sich eigentlich noch mehr entspannen soll. Und ich amüsiere mich ein bisschen über die hüpfenden Buchstaben auf dem Logo der Alten Mühle.

 

Vorweg sei gesagt, dass ich noch nie in meinem Leben Yoga gemacht – und soweit ich mich erinnere, auch noch nie darüber geschrieben habe. Außerdem bringe ich ein womöglich gesundes Misstrauen für alles mit, was im Dunstkreis des Begriffs Esoterik stattfindet. Düfte exotischer Gewürze, Klangschalen-Sound und indirektes Licht von der Lavalampe erwartend bin ich im zweiten Obergeschoss der VHS etwas enttäuscht von kahlen Gängen und einem spärlich eingerichteten Multifunktionsraum mit niedriger Decke.

Die Männer meiden Blickkontakt

Und da stehen sie etwas verloren rum, diese Männer, die da gleich mit mir Yoga machen. Auffällig: Sie reden kein Wort miteinander, meiden sogar Blickkontakt. Sie sind jünger, als ich es mir ausgemalt hatte. Und normaler. Alles in allem wirkt es auf den ersten Eindruck ein bisschen so, als sei man in einer Selbsthilfegruppe gelandet. Gut, denke ich mir. Es ist ja nicht so, dass ich mit Sicherheit keine Therapie nötig hätte.

Warum mir das so vorkommt, dafür werde ich aber erst eine gute Stunde später eine Erklärung finden. Auf mich wirkte so viel Anonymität zunächst jedenfalls etwas befremdlich. Wenn sich Männer zum Sport oder anderen Gemeinschaftsaktivitäten treffen, kenne ich es so, dass man sich herzlich grüßt, ein wenig scherzt; irgendjemand meint, den Platzhirsch markieren zu müssen. Nichts von alledem trifft hier zu.

Absolute Begeisterung für Yoga

Olaf Pagel ist da schon eher so, wie ich mir einen Yoga-Lehrer vorgestellt hatte. Der 46-Jährige bittet alle, auf den Matten Platz zu nehmen. Der drahtige Mann in kurzen Hosen strahlt absolute Begeisterung für das aus, was er tut. Mit wachen Augen fordert er die Kursteilnehmer freundlich auf, eine bequeme Sitzposition einzunehmen.

Und dann wird es finster. Nicht etwa, weil ich direkt Muskeln benutzen muss, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie habe: Die meiste Zeit findet Yoga mit geschlossenen Augen statt. Da mir aber offenbar manchmal etwas die Vorstellungskraft fehlt, wie Figuren, die „Krieger zwei“, „herabschauender Hund“ oder „Kobra“ heißen, aussehen sollen, wenn es nur vage heißt, „linker Arm rüber, rechter runter, Brust raus“, muss ich schon manchmal spickeln. Ob die anderen das auch tun, weiß ich nicht. Man beobachtet einander beim Yoga nicht. Zumindest machen das die Männer so.

Der „Sonnengruß“

Etwa zur Halbzeit kommt eine Übung dran, die „Sonnengruß“ heißt. Im Grunde ist es gar keine einzelne Übung, sondern eine ellenlange Abfolge von irgendwelchen Hunden, Kriegern und Schlangen. Und genau jetzt bereue ich die Zigarette vor der Alten Mühle.

Denn ein offenbar wichtiger Aspekt beim Yoga ist die Atmung. Und die, stelle ich fest, ist bei mir etwas kurz, als der Sonnengruß wieder und wieder wiederholt wird. Wären Frauen anwesend – jetzt wäre der Punkt gekommen, wo ich mich, leicht am Japsen, vermutlich etwas schämte.

Lavalampe kommt zum Einsatz

Gottfroh, dass die letzte Sonnengruß-Runde vorbei ist, wird es glücklicherweise immer entspannter. Die gefühlte letzte Viertelstunde liegen wir eigentlich nur noch herum. Olaf Pagel macht die Rollläden runter. Ich spickel wieder. Ha, jetzt kommt sie doch noch zum Einsatz: die Lavalampe.

Es gongt ein paar Mal, die Yoga-Stunde geht zu Ende. Ich erwische mich dabei, fast eingeschlafen zu sein. Und: Was ich im Vorfeld für nur schwer möglich gehalten hätte: Ich bin tatsächlich ziemlich tiefenentspannt. Aber was war das gerade eigentlich? Die Männer verabschieden sich förmlich voneinander, treten dann aber hastig den Nachhauseweg an. Da wird kein Bier mehr in der Umkleide getrunken. Nicht mal den Namen von einem der anderen Kursteilnehmer habe ich aufgeschnappt. Und mir wird klar: Beim Männer-Yoga ist jeder verdammt alleine.

Kein Bier in der Umkleide

Das ist im Grunde genommen auch gar nicht schade. Schließlich beschäftigt man sich auch mit sich selbst. Und um die Alltagssorgen für einen Moment abzustreifen, brauche ich meinen Mattennachbarn nicht. Aber auch in der Isolation – so viel ist mir nach der Stunde klar – ist das Erleuchtungserlebnis ausgeblieben.

Der therapeutische Ansatz

Anders war es wohl bei Yoga-Lehrer Olaf Pagel gewesen. Seit er vor fünf Jahren das erste Mal Yoga machte, ist es schnell „sein Leben“ geworden, wie er sagt. Der Grund damals: Private Probleme, auf die er heute nicht näher eingehen will. Dann lag ich mit dem therapeutischen Ansatz, den ich gleich zu Beginn vermutete, wohl nicht so falsch.

Offenbar spülen immer weniger Männer – so wie ich es bisweilen zu tun pflege – ihren Missmut einfach mit einem Bier herunter. Nicht nur das Kursangebot der VHS Filderstadt, wo zum Beispiel auch Rücken-Schulter-Nacken-Fitness speziell für Männer angeboten wird, zeigt, dass die Nachfrage für seelische wie körperliche Gesundheitsvorsorge offenbar im Aufwärtstrend ist. Und für viele Yoga und andere Leibesübungen vielversprechender sind, als das Heil am Kneipentresen zu suchen.

Otter auf der Visitenkarte

Die Statistik scheint ihnen zumindest recht zu geben. Noch immer sterben Männer im Schnitt früher als Frauen. Eine Studie der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) etwa hat ergeben, dass Männer auch heute noch nur halb so oft zu Vorsorgeuntersuchungen gehen wie Frauen. Gleichzeitig sagen Mediziner, dass Männer ohnehin schon ungesünder leben.

Ich zünde mir wieder eine Zigarette an. Olaf Pagel hat mir zum Abschied seine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Das Layout erinnert mich ein wenig an die tanzenden Buchstaben vom Logo der Alten Mühle. Ich wende das Kärtchen. Darauf: ein Otter, der die Pfoten ungefähr so faltet wie beim Yoga, dazu das Wort „Namasté“ – eine Hindu-Grußformel. Ich grüße den Otter zurück.