Ausschreitungen in der Fußball-Bundesliga Ultras gegen Polizei – ein Dialog muss den Streit auch beim VfB befrieden

Die Polizei zeigte zuletzt erhöhte Präsenz rund um die Bundesligastadien – wie hier am vergangenen Samstag in Frankfurt. Foto: dpa/Arne Dedert

Den deutschen Fußball beschäftigen die Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fan-Gruppen und der Polizei – auch rund um den VfB Stuttgart. Es braucht kluge und akzeptierte Vermittler, kein Ende des Dialogs, kommentiert unser Autor Dirk Preiß.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Das Jahresende naht. Doch weil sich der Profifußball in heutigen Zeiten so gut wie keine Pause mehr gönnt, stehen zumindest bis Weihnachten auch in deutschen Stadien noch jede Menge Spiele an – unter anderem die Partie des VfB Stuttgart gegen den SV Werder Bremen am Samstag (18.30 Uhr/Liveticker). Es wird dann jeweils vorher um personelle Rochaden gehen, um angeschlagene Akteure, dramatische Tabellenstände und unter Druck stehende Trainer. Aber nicht nur. Denn derzeit steht nicht nur die Taktik des Trainers im Zentrum des Interesses – sondern auch jene der Einsatzkräfte der Polizei.

 

Der Fußball fasziniert seit jeher mit seiner Fähigkeit, die Massen zu begeistern und zu emotionalisieren. Wie in keiner anderen Sportart erwachsen daraus aber auch immer mal wieder negative Begleiterscheinungen, nirgends sonst im Sport steht ein friedliches Drumherum so regelmäßig infrage wie hier. Wo liegt der Ursprung dafür? In der Tatsache, dass sich beim Fußball Menschen das Recht herausnehmen, zumindest verbal derart aus der Rolle zu fallen, wie sie es im Alltag wohl nie tun würden? Womöglich. Emotionen, sagt man dann ja gerne, gehören doch dazu.

Damit könnte man leben, keiner will Fußballspiele unter Laborbedingungen, nur mit Sitzplätzen oder mit Geisterkulisse. Doch zuletzt gehörten eben auch heftige Auseinandersetzungen zwischen Polizeibeamten und Teilen der organisierten Fanszene zum Bild des deutschen Fußballs – mit einer Zahl an Verletzten im dreistelligen Bereich allein am vergangenen Samstag in Frankfurt vor der Partie gegen den VfB. Der Schaden ist immens. Wie es so weit kommen konnte? Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.

Die einen beklagen ein in ihren Augen unverhältnismäßig hartes Vorgehen der Polizei in den vergangenen Wochen und unterstellen einen Zusammenhang mit der nahenden EM 2024 im eigenen Land. Man fühlt sich gegängelt und provoziert. Die Polizei weist ihrerseits auf das Verhältnis von Ursache und Wirkung hin. Zudem behalten sich die Ordnungshüter vor, selbst zu bestimmen, wo und wann sie Präsenz zeigen, Angriffe auf die Beamten dulde man erst recht nicht.

Deutsche Stadien haben eigentlich einen guten Ruf

So hat sich mancherorts eine verfahrene Situation ergeben, obwohl in den vergangenen Jahren viel getan wurde um Konflikte rund um die Anhängerschaft zu verhindern. Es gibt Fanprojekte, Fanbetreuer, teils Fanausschüsse, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) schreibt einen Club-Fan-Dialog vor. Vor jeder Partie finden Sicherheitsbesprechungen statt, die Stadionallianzen regeln, dass der Dialog noch darüber hinaus geht.

Allerdings fällt auch den Vereinen der Umgang mit ihren Ultras nicht immer leicht. Einerseits brauchen sie die Stimmungsmacher und Choreografen für Support und Attraktivität des Stadionerlebnisses. Gerade Fußball-Deutschland hat sich hier im Vergleich zu anderen Nationen über Jahre einen guten, stimmungsvollen und auch friedfertigen Ruf erarbeitet – auch dank der Ultra-Szenen, die oft auch vereinspolitisch aktiv sind. Andererseits sorgen allein die Verstöße gegen das Verbot von Pyrotechnik für Strafzahlungen in mittlerweile horrender Höhe – das, und auch strafrechtlich Relevantes wird oft stillschweigend hingenommen. Zudem ist manche Kurve, trotz vielfältiger sozialer Engagements zahlreicher Ultra-Gruppierungen, eben auch ein Hort für Gewaltaffinität.

Klar ist: ein Fußballstadion darf kein rechtsfreier Raum sein, Polizeipräsenz nicht per se als Provokation verstanden werden. Und Gewalt hat bei keinem Sportevent dieser Welt eine Daseinsberechtigung. Wird gegen dieses Prinzip verstoßen, muss das aufgearbeitet und mit Konsequenzen bedacht werden. Allerdings gibt es auch verschiedene, wohl erprobte und weitsichtige Methoden der Deeskalation. Die sollten mit Blick auf die kommenden Monate nicht in Vergessenheit geraten.

An der Bereitschaft zum Dialog liegt es nun, ob das Misstrauen zwischen Polizei und organisierten Fanszenen wieder ein Stück weit abzubauen ist. Gegenseitige Schuldzuweisungen und Provokationen sind nicht mehr das Mittel der Wahl, ebenso wenig das Aufkündigen von Dialogformaten wie jüngst in Stuttgart. Es braucht kluge und akzeptierte Vermittler – bei allen beteiligten Parteien.

Sonst gibt es in einem Sport, in dem auf dem Spielfeld jeder nach dem Gewinnen strebt, daneben nur: Verlierer.

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