Nur völlige Dunkelheit und das schwache Licht von zwei iPads braucht Kai Effinger für seine Fotos. Trotz oder gerade wegen der simplen Mittel sind seine Bilder ausdrucksstark. Sein Projekt kommt Viva con Agua zu Gute.

Stuttgart - Kai Effinger braucht nicht viel für seine Fotografien. Nicht einmal viel Zeit. Die Voraussetzungen für seine Porträts sind die völlige Dunkelheit, zwei iPads als einzige Lichtquelle und nur wenige Minuten. Trotz oder gerade wegen der simplen Mittel sind seine Bilder ausdrucksstark. Sie wirken wie jene Schnappschüsse, die Freunde voneinander machen, und scheinen den Charakter der ablichteten Person erkennen zu lassen. „Ich will das Gesicht sehen und keine Maske“, sagt Effinger. Deshalb macht er nur wenige Aufnahmen, bis das Foto im Kasten ist.

 

Die Menschen, die der 22-Jährige vor die Linse geholt hat, geben ihr Gesicht aber nicht nur für ein außergewöhnliches Foto, sondern für den guten Zweck her. Das ursprünglich kleine Projekt, das in einer Art Nacht- und Nebelaktion auf seinem Hausdach im Stuttgarter Norden begonnen hat, ist eine Aktion für Viva con Agua: Die Initiative setzt sich seit Jahren dafür ein, Menschen in Entwicklungsländern einen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. „Für einen großen Teil der Weltbevölkerung ist sauberes Trinkwasser keine Selbstverständlichkeit“, sagt Effinger, „doch nur wenige wissen das. Da gibt es noch großen Aufklärungsbedarf.“ Dazu will er mit seinen Fotos beitragen. Die Porträts sollen im übertragenen Sinn auf die Problematik aufmerksam machen und sie verbildlichen. „Zuerst stehen die Menschen im Dunkeln. Man sieht sie nicht, bis ich das Licht anmache“, sagt Effinger. „Licht an“ hat er deshalb auch sein Projekt genannt.

Aufnahmen in Hinterhöfen und in dunklen Gassen

Beinahe ein Jahr, nachdem er das Projekt gestartet hat, sitzt er in einem Café in Stuttgart-Mitte und rührt in seinem Cappuccino. Es sind nur noch wenige Tage bis zur Vernissage im Wilhelmspalais. Die vergangenen Monate waren hart, am Ende hatte er rund 600 Menschen auf seiner Speicherkarte. Darunter viele Musiker wie die Orsons, Künstler und Schauspieler wie Cosma Shiva Hagen. Zunächst war er nur in Stuttgart, dann in Berlin, Leipzig, Düsseldorf, Hamburg und in der Schweiz unterwegs. Dabei ging es ihm nicht darum, möglichst bekannte Gesichter vor die Linse zu bekommen. „Jeder kann ein Teil davon sein“, sagt Effinger. Deshalb hat er oft nicht nur den Musiker, sondern gleich seine ganze Crew fotografiert. Die Bedingungen waren häufig haarsträubend, einige Aufnahmen sind in Hinterhöfen, im Backstagebereich oder in dunklen Gassen entstanden. „Das war teilweise Akkordarbeit“, sagt er – Akkordarbeit ohne Einnahmen.

Denn lange Zeit hat er das ganze Projekt aus eigener Tasche finanziert. Erst später hat er sich Hilfe geholt, auf der Crowdfunding-Plattform Startnext eine Seite eingerichtet und dadurch Unterstützer gefunden. Das Geld hat er schließlich dafür verwendet, mit einer Auswahl der Porträts seinen ersten Bildband zu machen. Deshalb ist die Vernissage gleichzeitig auch eine Buchpräsentation. Der Erlös des Verkaufs geht an Viva con Agua. Die ausgestellten Fotografien sollen außerdem im Wilhelmspalais versteigert werden.

Auch wenn Effinger ein großes Foto-Projekt gestemmt hat: als Fotograf will er sich nicht bezeichnen. „Ich bin Künstler, bei meinen Fotos geht es nicht um gutes Aussehen, sondern um die Aussage“, sagt er. Mit einem Kunststudium habe er es einmal versucht, jedoch wieder abgebrochen. „Das war nichts für mich. Das Studium hätte mir den Weg verbaut und mir die künstlerische Freiheit genommen“, sagt er, „heute würde es mir sicherlich leichter fallen, weil ich meinen Weg kenne und meinen Stil gefunden habe.“ Effinger hat es auch so geschafft. Mit 19 Jahren hat er sich selbstständig gemacht, sein Grafikdesign-Büro Blattkunst gegründet und mit „Licht an“ wird er einmal mehr auf sich und seine Arbeit aufmerksam machen.

Vernissage:
Die Ausstellung startet am Mittwoch, 22. Mai, 18 Uhr, der Einlass ist um 17.30 Uhr, im Wilhelmspalais. Kai Effinger präsentiert sein Fotobuch, das es dort auch zu kaufen gibt. Musik gibt’s von More Colours, Ephraim Juda und Simon Grohé & Soulions. Die Ausstellung läuft bis zum 29. Mai.

Viva con Agua
: Die Initiative setzt sich dafür ein, Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen zu ermöglichen. Sie unterstützt hauptsächlich Wasserprojekte der Welthungerhilfe und wurde vom St. Pauli-Spieler und Stuttgarter Benjamin Adrion 2005 ins Leben gerufen. Mehr Infos unter www.vivaconagua.org.