Stuttgarter Künstlerinnen und Künstler haben während des Lockdowns im Schwarzwald Unterschlupf gefunden. In der Galerie Kernweine sind die Ergebnisse ihres Aufenthalts zu sehen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Früher wäre man nach London geflogen oder wenigstens nach Berlin. Künstler hat es von jeher in Metropolen gezogen. Bei Schonach dagegen hätten sie nur müde abgewunken. Als der Fotograf Peter Granser aber im vergangenen Jahr einige Stuttgarter Künstlerinnen und Künstler ansprach, ob sie Interesse an einer Zuflucht im Schwarzwald hätten, waren alle sofort freudig dabei. So ändern sich die Dinge.

 

Kunst schaffen in der tiefsten Provinz

Es war ein ungewöhnliches Projekt, das Granser in den Hochzeiten der Pandemie auf die Beine gestellt hat. Während der Kulturbetrieb im Lockdown darnieder lag, initiierte er eine Art Künstlerresidenz, bei der er mit sechs Kolleginnen und Kollegen mehrere Wochen lang auf einem abgelegenen Hof im Schwarzwald lebte und arbeitete. „Da keine Kultur möglich war“, erzählt Granser, „haben wir überlegt, was können wir machen, damit man beisammen sein und etwas zusammen erarbeiten kann.“

Holzhacken gehörte zum täglichen Programm

Im Langenbachhof fand er das passende Domizil – und einen kunstsinnigen Betreiber, der die Stuttgarter Kunstschaffenden kostenlos bei sich aufnahm. „Es war ein bisschen gewöhnungsbedürftig“, so Peter Granser, die Zimmer aus dem frühen 19. Jahrhundert waren klein und hatten niedrige Decken. Die Künstler hatten zwar ein Bad, Holz aber mussten sie selbst hacken. Die Scheune konnten sie als Atelier nutzen. „Wir haben auch viel vor Ort im Wald gearbeitet“, erzählt Granser, dessen Fotografien ohnehin häufig auf Wanderungen entstehen. „Man kann sich da wunderbar inspirieren lassen.“

Pflanzen sammeln im Wald

In der Stuttgarter Galerie Kernweine kann man nun die künstlerischen Ergebnisse des Aufenthalts sehen. Hannah Zenger, die derzeit auch im Kunstmuseum Stuttgart ausstellt, ist an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft tätig und arbeitet häufig mit Pflanzen, Beeren und Moosen, die sie trocknet und destilliert. Der Schwarzwald war für sie die ideale Umgebung. Der Bildhauer Shinroku Shimokawa, der sich in seiner Kunst häufig mit dem Thema Essen befasst, hat dagegen eine fahrbare Küche gebaut, eine ästhetisch ansprechende Konstruktion auf einem Autoanhänger, die funktional, aber auch eine Skulptur ist.

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Geld gab es aus dem Programm Neustart Kultur

Finanzielle Unterstützung bekamen die Künstlerinnen und Künstler vom Fond Neustart Kultur für Fahrtkosten und Arbeitsmaterial. Peter Granser war aber auch wichtig, dass alle ein kleines Künstlerhonorar erhalten. Die Auswahl der Teilnehmenden hat er getroffen. „Man muss es schaffen, dass alle über längere Zeit miteinander klar kommen.“ Deshalb hat er Künstler angesprochen, die er bereits kannte von Ausstellungen im ITO-Projektraum in Bad Cannstatt, den er mit Beatrice Theil betreibt.

Man musste die plötzliche Nähe aushalten können

Nach der Ausstellung in der Galerie Kernweine sollen die Ergebnisse der Schwarzwald-Residenz noch an weiteren Stationen gezeigt werden. „Schön, dass es nachhaltig wirkt“, sagt Peter Granser, der froh ist, dass es Dank der Unterstützung dann doch auch solch positive Impulse während des Lockdowns gab. „Wir hatten die Hoffnung, dass man die Nähe wieder aushält, und es war schön zu sehen, dass es geklappt hat und der Stillstand unterbrochen wurde.“

40 Tage. Galerie Kernweine, Cottastrasse 4-6, Bis 1. Juli, Di - Do 10 bis 22 Uhr, So 10 bis 18 Uhr, www.galerie-kernweine.com