Verschleierte Tänzerinnen, Brüste mit Latexnippeln – als Adidal Abou-Chamat ihre Fotos in Berlin ausstellte, gab es Proteste von Moscheebesuchern. Jetzt sind die Werke in Ludwigsburg angekommen.

Ludwigsburg - Eine Balletttänzerin in der Burka – ist das eine Provokation? Wie immer, wenn es um die Beurteilung von Kunst geht, liegt das allein im Auge des Betrachters. Es gibt Menschen, die sich von den Fotos, Zeichnungen und Videoarbeiten von Adidal Abou-Chamat provoziert fühlen, von verschleierten Tänzerinnen, von der verhüllten Frau, die nur ihre mit Dutzenden Latexnippeln beklebten Brüste zeigt, oder der Jeansträgerin mit Handgranate am Gürtel. Als die in München geborene Deutsch-Syrerin ihre Werke vor einigen Jahren in Berlin ausstellte, ließ die Galerie Fenster abdunkeln, damit die Fotos von außen nicht sichtbar waren. Besucher einer nahegelegenen Moschee hatten sich beschwert. Abou-Chamat hat damit kein Problem: „Auf religiöse Gefühle muss man Rücksicht nehmen.“

 

Auch wenn Andrea Wolter-Abele, die Kuratorin des Ludwigsburger Kunstvereins, sagt, sie „habe schon deutlich provokantere Werke gesehen“: Adidal Abou-Chamats Kunst ist politisch und manchmal verstörend, geradezu hart. Am Sonntag wird ihre Ausstellung „Inter-Sections“ im Ludwigsburg-Museum (MIK) eröffnet, dann haben Besucher Gelegenheit, eigene Antworten zu finden.

Videoarbeit über palästinensische Selbstmordattentäterin

Der Konflikt im Nahen Osten ist ihr zentrales Motiv, und damit zusammenhängend das Rollenverständnis der Frau in der arabischen und der westlichen Welt. Abou-Chamat zeigt die Frau als Gebärmaschine, Sexualobjekt, Soldatin. Im MIK wird eine Videoarbeit abgespielt, die sich mit der ersten palästinensischen Selbstmordattentäterin auseinandersetzt, auch in mehreren Fotos widmet sich die 58-Jährige diesem Themenkomplex: etwa in dem Bild einer Europäerin in weißem Kleid, in das eine Art Sprengstoffgürtel eingenäht ist.

Geradezu brutal wirkt die Aufnahme eines Amerikaners mit nacktem Oberkörper und einer schwarzen Linie um den Hals, versehen mit den Worten: Cut here, zu deutsch: hier abschneiden. „Tatsächlich haben sich manche amerikanischen Soldaten eine solche Linie auf den Hals gemalt“, erzählt Adidal Abou-Chamat. „Als Bewältigungsstrategie gegen die alltägliche Bedrohung.“

Der Vater der Künstlerin kämpfte gegen Assad

Gewalt gegen Frauen, gegen Männer, gegen ein Land, die Rolle des Menschen in einer Spirale der Gewalt – für die Künstlerin ist das kein artifizielles, sondern ein existenzielles Thema. Ihr Vater hat, als er noch lebte, in Syrien gegen das Assad-Regime gekämpft, sie hat Verwandte in Damaskus. „Manchmal bin ich fast froh, dass mein Vater nicht mehr miterleben muss, wie das Land untergeht. Ich hoffe einfach, dass etwas Ruhe reinkommt.“ Eine Erklärung, einen Lösungsvorschlag, nein, habe sie nicht. Aber ihr sei bewusst, dass der Krieg eine lange Historie habe, dass die kolonialen Verwerfungen noch heute nachwirken. „Als Künstlerin interessiere ich mich für genau diese Zusammenhänge.“

Und für die Gegensätze. Deutlich wird das in dem Porträt einer schwarzen Frau, die sich, gleichsam einer zweiten Haut, einen weißen Handschuh überstülpt. Provokant? Vielleicht. Spannend ist es allemal.

Ausstellung im MIK

Kunstverein
– Die Vernissage im Ludwigsburg-Museum ist am Sonntag, 6. März, 11 Uhr. Geöffnet ist die Galerie des Kunstvereins dienstags bis sonntags (und feiertags) von 11 Uhr bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr. Ostermontag ist geschlossen. Die Ausstellung endet am 1. Mai.

Künstlerin
– Die Deutsch-Syrerin Adidal Abou-Chamat ist in München geboren und hat unter anderem dort, in Edinburgh, in den USA und in London studiert. Für ihre Arbeiten hat sie zahlreiche Preise erhalten.