Eine Ausstellung in der Kronprinzstraße feiert den legendären Atrium-Filmpalast. Das Kino hat Geschichte geschrieben und einst eine Leinwand, die bis auf die Königstraße reichte.

Stuttgart - Kinos in den 50er- und 60er-Jahren – das waren häufig noch gesellschaftliche Film-Ereignisse von Rang. Stars und Sternchen gingen mit ihren Streifen auf Tournee, zeigten sich bei Premieren dem begeisterten Publikum, das sich für den Kinobesuch eigens in Schale geworfen hatte, wie es heute allenfalls noch beim Opernbesuch zu erleben ist – wenn überhaupt.

 

Kein Wunder also, dass die Eröffnung des Atriums an der Ecke Kronzprinz-/Lange Straße 1952 das große Gesprächsthema in der Stadt war. Ein Filmpalast der Superlative, der schon bald auch prominente Schauspieler wie Luis Trenker oder Laya Raki ins „Haus der guten Filme“ lockte. Dem Kinobesitzer Willy Colm war mit der Eröffnung des Atriums im Nachkriegs-Stuttgart ein Coup gelungen.

Das Gewand – ein Film erstmals in neuem Format

Peter Kreglinger, der legendäre Filmkritiker des SWR, erinnert sich, dass das Kino das erste überhaupt gewesen sei, das einen Film im Cinemascope-Format gezeigt habe. „Das war 1954 der Film ‚Das Gewand‘.“ Ein Monumentalfilm mit Richard Burton, wie er damals gerade in Mode kam. Monumental war auch die Leinwand im großen Saal des Atrium, die im Laufe der Jahre bis auf eine 150 Quadratmeter große Fläche erweitert wurde, so Roman Colm, Enkel des Atrium-Gründers Willy Colm. „Eine Leinwand, die gefühlt bis zur Königstraße reicht“, soll damals ein Kommentator geschrieben haben.

Der 59-jährige Roman Colm eröffnete am Freitag im Gebäude Kronprinzstraße 13, in dem einst das Atrium untergebracht war und das heute Büros der Stadtverwaltung beherbergt, eine Ausstellung, die an die glanzvollen Tage des Lichtspielhauses erinnert. Zur Eröffnungsfeier eingeladen war auch der Stuttgarter Grafiker Siegfried Groß, der zahllose Kinoplakate jener Jahre entworfen hat, die nicht nur in Deutschland Filme bewarben, sondern zum Teil in die weltweite Werbung gingen. „Wir waren auch die Ersten in Süddeutschland die auf 70-Millimeter-Filme umgestellt haben“, erinnert sich Colm. Fortan brillierten die Streifen auf der Leinwand durch bis dahin ungekannte Schärfe und Farbtiefe. Im Fernsehen mussten diese Filme dann oben und unten beschnitten werden, damit sie überhaupt auf den Bildschirm passten.

2,5 Millionen Euro in Gebäude investiert

Die Stuttgarter Kino-Familie Colm, die hier einst mehrere Lichtspieltheater betrieben, besitzen heute noch zwei Kinos in Berlin, und auch das Geschäftshaus in der Kronprinzstraße in Stuttgart ist noch im Eigentum der Familie. Die Renovierung des Gebäudes, in die, laut Roman Colm, in den vergangenen Jahren rund 2,5 Millionen Euro investiert wurden, war denn auch Anlass für die Einrichtung einer retrospektiven Ausstellung über das legendäre Filmtheater.

Die Ausstellungsmacherinnen Carina Ernst und Sibylla Längle konzipierten im Treppenhaus des Gebäudes eine Schau mit rund 180 Exponaten und Ausstellungstafeln. Darunter befinden sich zahlreiche Repliken historischer Original-Kinoplakate von Filmen wie „Doktor Schiwago“ oder „Die Reifeprüfung“. Die Ausstellung führt über vier Stockwerke und zeigt neben der Geschichte des Gebäudes, das in der Nachkriegszeit errichtet wurde, viele Fotografien von noch immer berühmten und von heute weitgehend vergessenen Filmschauspielern, die sich im Atrium die Klinke in die Hand gegeben haben.

Zu wenig Kinos in Stuttgart?

Anders als zu erwarten, sieht Roman Colm die Entwicklung des Kinos für die Zukunft nicht pessimistisch. „Die Leute gehen wieder ins Kino“, sagt der Filmtheater-Experte. Stuttgart attestiert er sogar, inzwischen zu wenige Lichtspielhäuser und Kinositzplätze zu haben. „Es gibt mehr Filme am Markt, als in Stuttgart gezeigt werden können“, so der Kino-Profi. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die traditionsreiche Kino-Familie Colm sich vorstellen kann, auch in Stuttgart wieder einen Filmpalast zu eröffnen. „Da ist nichts geplant“, sagt Roman Colm. Aber gut gehen, verrät der Brancheninsider, das tun mittlerweile ohnehin eher die kleinen Filmtheater.