Höher hinaus geht’s für einen Sänger in Stuttgart kaum: Dem Himmel so nah ist die neue Bühne des Fernsehturms, die mit Wolfgang Selje unter dem Titel „Kulturm“ ausverkauft gestartet ist. Das Publikum genießt den schwäbischen Entertainer und die Aussicht.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Den ganzen Tag war Stuttgart von dickem Nebel bedeckt, Schneefall kam noch dazu. Pünktlich zur Premiere der neuen Veranstaltungsreihe Kulturm am Montagabend reißt die Wolkenwand auf – und gibt aus 144 Metern Höhe eine atemberaubende Sicht auf die leuchtende Stadt frei.

 

Wo sonst würde das Lied „Stuttgart bei Nacht“ besser passen, das Wolfgang Selje auf Sinatras „London by Night“ getextet hat? Bei dem Blick auf den Talkessel sagt der 64-Jährige mit dem weißen Schopf, das erinnere ihn an eine „Badewann’ voll mit wertvolla Stein’“. In einer eiskalten, aber klaren Nacht ist diese Badewanne festlich illuminiert. Tausende von Lichter glitzern und sorgen hoch oben im Turmkorb für großen Genuss.

Für den Mann, der sich „schwäbischer Botschafter“ nennt, ist der Fernsehturm das „schönste Bauwerk“ von Stuttgart. Deshalb ist es für Selje eine Ehre, dass er in der Event-Etage des Stuttgarter Wahrzeichens die neue Reihe „Kulturm“ eröffnen darf. Die Idee dazu hatten der Turm-Gastronom Dennis Shipley (er betreibt neben dem Leonhardts auch die Alte Kanzlei) und die Veranstalterin Cathrin Schwarzer-Ziegler von der Agentur Bookingbar, beide haben mit ihrer Idee SWR Media als Eigentümerin des Fernsehturms überzeugt. An jedem dritten Montag im Monat tritt eine Künstlerin oder ein Künstler aus der Region hier oben auf. Bis April steht das Programm – und bis April sind alle Termine ausverkauft.

Wie Wolfgang Selje zu dem Titel „Schwäbischer Botschafter“ kam? Seine Antwort lautet: „Basisdemokratisch.“ Neun Freunde habe er befragt, ob er sich nicht zum Botschafter der Schwaben eigne. Acht davon hätten ja gesagt, nur einer sei dagegen gewesen. Nun hat sich der Sänger mit dem Faible für Sinatra diesen Titel sogar schützen lassen. Seine Mission sieht er darin, den Schwaben zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Denn er mag es gar nicht einsehen, dass sich seine Landsleute oft kleiner machen als sie sind.

Auf dem Fernsehturm sind seine Zuhörerinnen und Zuhörer begeistert von seinen „Goodlsa“. So nennt er die Songs, die im Original zwar nicht schwäbisch sind, aber dem Schwäbischen doch phonetisch ähnlich sind. Ein Beispiel: Aus „Theo wir fahrn nach Lodz“ wird bei ihm nach einem Wasenbesuch mit dem Kumpel „Leo, i glaub, da kotscht.“ Und aus Bob Marleys „No woman no cry“ macht er „Da nomm ond da noi.“

Die Tickets für das Konzert inklusive Auffahrt zum Turmkorb samt Spaziergang auf der Plattform kosten 39 Euro. Wegen des Brandschutzes dürfen nur 70 Personen in die Eventetage, die man über den Turm-Gastronomen Dennis Shipley für Feste aller Art mieten kann. Weil montags dort meist wenig los ist, findet die neue Reihe immer montags statt. Für die Kultur gibt’s montags einen Mietnachlass auf dem Turm.

Am 5. Februar wird der Fernsehturm 68 Jahre alt

„Talentierte, namhafte und preisgekrönte Künstlerinnen und Künstler werden das Publikum einen Abend lang hautnah unterhalten, aber auch Newcomer aus dem Poetry-Slam und der Stand-up-Comedy sollen eine Bühne und Chance bekommen“, sagt die Veranstalterin Cathrin Schwarzer-Ziegler. Gerade „in Zeiten wie diesen“ seien „neue Impulse im Bereich Kunst- und Kulturveranstaltungen“ wichtig. Weil das Auditorium klein ist, geht’s recht intim zu. Die Gage für die Künstler ist ebenso eher klein. Doch es gibt genügend, die einen Auftritt in dieser einzigartigen Location lieben.

Seit zwei Jahren ist die filigrane „Betonnadel“ offizieller Kandidat für das Unesco-Welterbe, zunächst vorgeschlagen vom Land. Auf dem Weg zur hohen Auszeichnung ist der Stolz von Stuttgart noch einen weiteren Schritt vorangekommen und hat es geschafft, 2024 auf der deutschen Vorschlagsliste zu stehen. Am 5. Februar feiert das Meisterwerk von Fritz Leonhardt übrigens seinen 68. Geburtstag. Voller Eleganz sticht der Fernsehturm aus Stuttgart hervor. Ist Teil der Popkultur, Instagram-Star und Nostalgie zugleich.

Das weitere Programm

Ausblick So geht es beim Kulturm weiter: Am Montag, 19. Februar, kommt Buddy Bosch mit schwäbischer Mundart und Musik. Am Montag, 18. März, präsentieren Sandra Hartmann & Oli Prechtl einen „komödiantischen Chansonabend“. Am Montag, 15. April, folgt Tina Häussermann mit Comedy und Musikkabarett.