Mit einer „aktiven Mittagspause“ haben Beschäftigte der Backnanger Klinik für eine gesetzlich geregelte Personalbemessung demonstriert. In vielen Bereichen sei man unterbesetzt.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Backnang - Die Diagnose, die Verdi den deutschen Krankenhäusern stellt, klingt alles andere als gesund: „Die Qualität der Versorgung sinkt, die Arbeitsbelastung ist unerträglich.“ Laut Einschätzung der Dienstleistungsgewerkschaft fehlen den Hospitälern bundesweit 162 000 Beschäftigte, allein 70 000 davon in der Pflege. Schon vor der Bundestagswahl haben die Arbeitnehmervertreter mit verschiedenen Protestaktionen auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Jetzt, anlässlich der aktuellen Koalitionsverhandlungen, will man die potenziellen Regierungspartner an ihre Wahlversprechen erinnern oder überhaupt für das Thema sensibilisieren.

 

Vor dem Backnanger Kreiskrankenhaus haben knapp 40 Beschäftigte Stellung bezogen. „Der Druck muss raus“ ist auf Transparenten zu lesen, „Zusammenstehen“ und „Der Deckel muss weg“. Es ist die erste „aktive Mittagspause“, die Verdi in der Region Stuttgart organisiert hat, weitere sollen folgen. Das Ziel sei nicht nur, mehr Geld für das Gesundheitssystem zu erstreiten, sagt die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Rosemarie Medak, „wir brauchen auch dringend eine gesetzliche Personalbemessung“.

Ein Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden möchte, berichtet auf Nachfrage von prekären Verhältnissen auf der Schlaganfallstation der Klinik. Dort arbeite das Personal schon seit geraumer Zeit fast ausschließlich in der Mindestbesetzung, die eigentlich für Ausnahmesituationen wie Streik oder Krankheitsausfälle gedacht sei. Nicht nur deshalb bleibe immer weniger Zeit für die eigentliche Aufgabe, die Patientenversorgung. Immer größeren Raum nähmen Dokumentationspflichten ein, die von den Krankenkassen gefordert würden. „Der Verwaltungsaufwand nimmt ständig zu, gleichzeitig soll die Qualität verbessert werden – wir werden von allen Seiten unter Druck gesetzt.“

Klagen wie diese hört der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Franz Gabel immer wieder. „Die Kollegen arbeiten am Limit.“ Das habe auch damit zu tun, dass „immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit durch die Klinik geschleust“ würden. Während man sich früher etwa für einen Leistenbruch zehn bis 14 Tage Zeit nehmen konnte, würden heute maximal drei Tage Verweildauer eingeplant. Der Verwaltungsaufwand für Dinge wie Aufnahme und Entlassung sei jedoch der gleiche.“

Eine verbindlich geregelte Mindestbesetzung sei gerade für Kliniken „unserer Größenordnung“ auch vor dem Hintergrund der vor etwa zehn Jahren eingeführten Krankenhausfinanzierung wichtig. Die Behandlung der Patienten werde seither nach sogenannten diagnoseorientierten Fallpauschalen (neudeutsch Diagnosis Related Groups – DRG) bezahlt, die Qualität der Behandlung werde dabei nicht berücksichtigt. Halbwegs wirtschaftlich rechnen könnten bei diesem System allenthalben Großkrankenhäuser, in denen gut honorierte Leistungen im Akkord bewältigt würden und weniger lukrative „Geschäfte“ wie Gallenblasenentzündung oder Nierensteine nicht so ins Gewicht fielen. „Die kleineren Kliniken wie wir hängen am Tropf der großzügigen Kreisverwaltung“, sagt Gabel, „und darauf wollen wir nicht mehr angewiesen sein.“