Sportrichter, die ohne Anhörung abgelöst werden, Missstände bei den Finanzen – aus Vorfällen der Vergangenheit zieht der Badische Fußballverband nun Konsequenzen. Kritiker rügen vor allem den Führungsstil des Präsidenten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Als Vize-Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB) ist Ronny Zimmermann derzeit ziemlich beschäftigt. Ob es um die Dauerdiskussion über den Videobeweis geht, um Gastspiele von chinesischen Nachwuchskickern oder um Querelen unter Schiedsrichtern – stets ist der Rechtsanwalt aus Wiesloch gefragt. „Wo Zimmermann ist, da brennt es“, titelte die Stuttgarter Zeitung kürzlich.

 

Aber auch als Präsident des Badischen Fußballverbandes (BFV) in Karlsruhe hat der Sportfunktionär gerade gut zu tun. Gleich in mehreren Bereichen werden dort Strukturen und Regeln geändert – teils als Konsequenz aus Vorfällen in der Vergangenheit. Zum Jahreswechsel wird zum einen das Finanzwesen neu geordnet, erstmals gibt es dann auch eine übergreifende Revision. Im Vorgriff auf eine Satzungsänderung erweitert der Verband zum anderen die Rechte von Betroffenen in Disziplinarfällen – allerdings nur halbherzig, wie moniert wird. Hinter all dem steht die Frage, wie der BFV unter Zimmermann mit Missständen und Kritikern umgeht. Letztere würden gerne kaltgestellt, erstere möglichst ausgesessen, sagen Gegner des Präsidenten. Der Verband selbst betont, „konstruktive Kritik“ sei ausdrücklich erwünscht, sie fördere die „ständige Weiterentwicklung“.

Ohrfeigen vom Amtsgericht

Zumindest in einem Fall schien der Verband sie eher als unerbetene Einmischung zu sehen. Vom Amtsgericht Karlsruhe-Durlach wurde er Ende vorigen Jahres ermahnt, fortan „rechtsstaatliche und verfassungsgemäße Prinzipien“ zu beachten. Gleich mehrfach waren diese laut dem Urteil beim Vorgehen gegen einen ehrenamtlichen Sportrichter, Roman S., verletzt worden. Ohne jede Begründung wurde der angehende Wirtschaftsjurist abgelöst, nie erfuhr er, welches angebliche Fehlverhalten ihm vorgehalten wurde – Geheimjustiz a la Kafka. Es habe wohl damit zu tun, dass er sich gegen Mauscheleien und Vorgaben für seine Richtertätigkeit gewehrt habe, mutmaßt S.. Das Gericht stufte seine Abberufung klar als rechtswidrig ein, weil der Sportrichter nie angehört worden sei und sich nicht verteidigen konnte. Der BFV war mit dem Urteil „inhaltlich nicht einverstanden“, verzichtete aber auf Rechtsmittel; man werde die Disziplinarregeln in der Satzung „präziser formulieren“, gelobte er.

Das soll nun in der Tat geschehen, aber erst 2020. Erst dann gibt es wieder einen Verbandstag, der allein Satzungsänderungen beschließen kann. Derzeit werde diese im zuständigen Ausschuss vorbereitet, sagt die BFV-Sprecherin. Schon jetzt aber sei beschlossen worden, Betroffene künftig anzuhören – „gleichgültig ob rechtlich erforderlich oder nicht“. Für den Anwalt von Roman S., den Stuttgarter Sportrechtsexperten Markus Höss, klingt das wie Hohn. Es sei eine „rechtliche Selbstverständlichkeit“ und schon nach den aktuellen Regeln zwingend, dass Betroffene angehört würden. Dies nun als „großzügiges Entgegenkommen“ darzustellen, zeige die Geisteshaltung beim Verband. Aus dem Urteil, folgert Höss, habe man offensichtlich „nichts gelernt“ – und das trotz diverser Juristen und sogar Richter in den Gremien.

Als Präsident „völlig deplatziert“?

„Fast genauso“ wie Roman S. ging es einem anderen langjährigen Schiedsrichter und dann Sportrichter, Pierre T.. Seine Berufung habe man Mitte 2016 einfach auslaufen lassen, ohne jede Begründung. Auch T. wollte sich „nicht sagen lassen, wie ich ein Urteil zu schreiben habe“. Beim BFV heißt es, er sei „aufgrund mangelnder Eignung nicht mehr vorgeschlagen“ worden. Insgesamt habe sich der Verband in den vergangenen Jahren von einem Sportrichter und drei Schiedsrichtern getrennt, durchweg nach den Vorgaben zu „Können, Charakter und Auftreten“; in keinem Fall sei Kritik an der Führung des Verbandes oder am Präsidenten der Grund gewesen.

Dirk S. etwa ist nach wie vor Schiedsrichter, obwohl er einst hart mit Zimmermann ins Gericht gegangen war. „Völlig deplatziert“ sei dieser auf seinem Posten, „völlig versagt“ habe er nach massiven Drohungen gegen Schiedsrichter beim Mannheimer „Morgen Masters“ 2013, bescheinigte er ihm öffentlich. Die Unparteiischen wollten damals nicht mehr pfeifen, was zum Abbruch des Turniers geführt hätte – mit Rückendeckung des Fußballkreises Mannheim. Der BFV-Chef aber habe entschieden, mit Schiedsrichtern von außerhalb weiterzumachen. S. empfand das als „Tritt in den Hintern“. Vor dem damaligen Kreisvorsitzenden Ralph K., ebenfalls einem Kritiker Zimmermanns, müsse er dagegen den Hut ziehen: Mit der Unterstützung für die Schiedsrichter habe dieser „Rückgrat bewiesen“.

Neues Fair-Play-Konzept in Arbeit

Der Verband habe damals klargestellt, „dass keine Schiedsrichter mehr eingesetzt werden, wenn für ihre Sicherheit nicht gesorgt ist“, sagt die BFV-Sprecherin heute. Im Nachgang habe man weitere Gespräche mit den Organisatoren geführt, Ergebnis: künftig werde das Turnier „mit dem Schwerpunkt fair play ausgetragen“. Der Schutz der Schiedsrichter und die Unversehrtheit aller am Spiel beteiligten sei „sehr wichtig“, betont der Verband. Aktuell erarbeite man ein neues, umfassendes Fair-Play-Konzept.

Damals gab es auch Diskussionen, ob Sportrichter zwingend Mitglied in einem Fußballverein sein müssten. Für den BFV-Präsidenten war das offenbar nicht nötig, doch die Argumente dafür wogen letztlich stärker. Als Exempel, wie sich fehlender Fußball-Hintergrund auswirken kann, galt ein „Geisterspiel“ in Heidelberg. Dort war als Sanktion die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden, worüber auch die Lokalzeitung berichtete. Die Folge: da der Sportplatz von drei Seiten gut einsehbar war, kamen zahlreiche Zuschauer, um das Spiel von jenseits des Zaunes zu verfolgen. Die Strafe wurde so zur Lachnummer.

Kritiker als Kandidat unerwünscht

Der bekennende Zimmermann-Kritiker Ralph K. wollte 2016 übrigens Schatzmeister des BFV werden; sein Heimatverein unterstützte die Kandidatur. Doch er scheiterte an einer Hürde, die wenige Jahre vorher in die Geschäftsordnung aufgenommen worden war: Präsidium, Vorstand oder der geschäftsführend Kreisvorstand müssten den Bewerber vorschlagen. Das taten sie nicht. Man habe einstimmig beschlossen, nicht ihn, sondern einen anderen Kandidaten zu unterstützen, schrieb der BFV-Geschäftsführer an K.; traditionell solle wieder ein Vertreter aus Mittelbaden zum Zuge kommen. Alternativen bei Wahlen seien unter Zimmermann nicht erwünscht, folgert K. aus dem Vorgang.

Intern hatte er wiederholt das Finanzgebaren des BFV unter dem langjährigen Schatzmeister Peter Barth hinterfragt. In dessen mehr als dreißigjähriger Amtszeit sei zuletzt manches im Argen gelegen, Strukturen und Abläufe hätten nicht mehr den heutigen Anforderungen genügt. Offiziell lässt der Verband nichts auf Barth kommen: Bei allen Verbandstagen sei dieser einstimmig entlastet worden, betont die Sprecherin, bei Prüfungen habe es „keinerlei Beanstandungen“ gegeben. Unregelmäßigkeiten im Fußballkreis Mannheim, wo Strafzahlungen nicht ordnungsgemäß verbucht und Spesen-Vorgaben überschritten wurden, seien „komplett aufgearbeitet“ worden.

Mehr Transparenz bei den Finanzen

Gleichwohl werden die Finanzregeln zum 1. Januar 2018 neu gefasst. Die „Reform“ sei das „Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses“, sagt die BFV-Sprecherin. So wird das Rechnungswesen künftig in Karlsruhe zusammengefasst und vereinheitlicht; die Fußballkreise als nicht-selbstständige Untergliederungen hätten dann keine separaten Konnten mehr. Dies diene „der Transparenz und zeitgemäßen Arbeitweise“ und entlaste zugleich die Ehrenamtlichen. Spesenrechnungen würden künftig ebenfalls zentral bearbeitet, anstelle der Prüfberichte aus den Fußballkreisen gebe es fortan eine „verbandsübergreifende Revision“. Compliance-Richtlinien, also Vorgaben zur Regeltreue, gibt es laut der Sprecherin zwar weiterhin nicht. Alle Mitarbeiter – ob haupt- oder ehrenamtlich – unterzeichneten aber einen Ehrenkodex und orientierten sich an dem 2013 beschlossenen Leitbild.

Von Machtbesessenheit oder demokratischen Defiziten, wie sie Kritiker beim „System Zimmermann“ diagnostizieren, ist darin natürlich keine Rede. Stattdessen werden hehre Ansprüche an das interne Miteinanderformuliert. „Wir halten zusammen“, heißt es da etwa. „Unsere Umgangsformen sind … menschlich, verständnis- und vertrauensvoll“.

Der Badische Fußballverband und das Geld

Der Badische Fußballverband selbst erhält nach eigenen Angaben keine öffentlichen Gelder, wohl aber seine Sportschule Schöneck in Karlsruhe. Als festen Betriebskostenzuschuss bekomme diese vom Land jährlich 300 000 Euro, der Zuschuss zu den Investitionen sei variabel. Meist habe er ebenfalls bei 300 000 Euro gelegen, 2017 jedoch höher wegen größerer Bau- und Renovierungsmaßnahmen.

Die Finanzen der Fußballkreis sind laut der Sprecherin seit 2013 im Jahresabschluss des BFV ausgewiesen. Da die Kreise nicht-selbständig seien, handele es sich um Vermögen des Verbandes; aktuell betrage das Guthaben etwa 600 000 Euro. Das Geld werde für „satzungsgemäße Zwecke“ ausgegeben, etwa die Organisation des Spielbetriebes, Qualifizierungsmaßnahmen oder Aktionstage. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.urteil-gegen-badischen-fussballverband-die-bizarre-geheimjustiz-der-fussball-funktionaere.a7b4c716-c334-4e77-804b-36eb786e28ac.html