Boden, Wände, Decke, alles neu: Die Unterführung des Ludwigsburger Bahnhofs wird renoviert. Das gefällt nicht allen Reisenden.

Ludwigsburg - Dieser Arbeitsplatz gefällt Peppino di Gioia. „Hier laufen so viele hübsche Frauen vorbei“, sagt der Fliesenleger. Doch ihm bleibt nicht viel Zeit, den Passanten hinterherzusehen. Peppino di Gioia hat ein straffes Programm. Er muss innerhalb von drei Wochen die Fliesen in der Unterführung des Ludwigsburger Bahnhofs austauschen. Die alten weißen und roten Terrazzo-Steine sollen raus, neue und große sandfarbene Fliesen rein. „Die sind richtig edel, so etwas hat nicht jeder“, preist er sein Arbeitsmaterial an.

 

Di Gioia ist einer von sechs Arbeitern, die im Auftrag der Stadt Ludwigsburg die Unterführung erneuern. Bis zum Ende des Jahres will die Stadt entscheidende Schritte auf dem Weg zum „Wohlfühlbahnhof“ machen. So leicht hochtrabend wird das Projekt genannt. 70 000 Euro lässt die Stadt für Böden und Wände springen. Weitere 70 000 Euro zahlt die Deutsche Bahn für die Decke und das Licht in der Unterführung. Außerdem werden im Auftrag der Deutschen Bahn die Aufzüge ausgetauscht (wir berichteten). „Das i-Tüpfelchen“ soll laut Arne Wintermeier, dem Projektverantwortlichen der Stadt, eine Beschallungsanlage sein, die Schlossfestspielmusik in den Bahnhof bringt.

Der Presslufthammer macht den Ton

Das einzige Geräusch, das an diesem Montagmittag zu hören ist, ist der des Presslufthammers. Kontrolliert hält der Bauarbeiter den Meißel zwischen die Fugen. Sobald die Fliese locker ist, kann er den Meißel wie einen Tortenheber benutzen und die Fliese aus ihrer Verankerung lösen. In der Unterführung verstärkt sich der Lärm des Presslufthammers. „Meine Kollegin hat ihre Frühschicht heute mit Kopfschmerzen beendet“, sagt eine Bäckerin, die in der Ladenzeile nach der Unterführung verkauft. Sie hoffe, dass die Arbeiten bald vorbei sind, „denn es kann doch nicht sein, dass ich meine Kunden anbrüllen muss“, sagt die Frau.

Für die Dauer der Arbeiten am Bodenbelag ist zuerst die (von der Innenstadt kommend) linke Hälfte der Unterführung gesperrt, dann die rechte. Dementsprechend sind auch die auf der betreffenden Seite abführenden Treppen nicht zu benutzen. Im Prinzip bleibt alles erreichbar. Zum Problem wird die Baustelle, wenn Pendlerströme zu Stoßzeiten anrücken. Die schmale Gasse bietet nur zwei Personen nebeneinander Platz. Entgegenkommende Fußgänger müssen im Zweifelsfall warten.

So wie eine junge Mutter, die mit ihrem Kinderwagen durch die Unterführung möchte, aber wegen ankommender Reisender nicht kann. „Zum Glück habe ich es nicht eilig“, juxt sie, als sie aufs Abebben des Pendlerstroms wartet. Die Mutter glaubt auch nicht, dass sie in der Gasse an einem entgegenkommenden Kinderwagen vorbei käme. „Das hat schon etwas von einem Nadelöhr hier“, findet sie.

Die Wände in „eiffelturmbraun“

„Bauarbeiten sind immer ärgerlich. Wichtig ist aber, dass man sich vor Augen führt, was man nach Schluss der Arbeiten hat“, sagt Wintermeier. Für ihn ist es wichtig, „dass der Bahnhof wieder aussieht wie aus einem Guss“. Die neuen Fliesen am Boden orientieren sich in ihrer Sandfarbe an den Steinen, die in Richtung Weststadt an der Unterführung liegen. Und die neuen Wände sollen im gleichen Farbschema sein wie die genoppten Aluminiumplanken, die Richtung Weststadt an den Wänden hängen. Wintermeier bezeichnet es als „eiffelturmbraun“.

Kein Verständnis für die Bauarbeiten hat eine alte Frau mit Rollator. Sie wohnt seit 86 Jahren in Ludwigsburg und kennt daher noch das alte Gründerzeit-Bahnhofsgebäude, das 1987 abgerissen wurde. Sie findet, dass man sich hier mit Erneuerungen zu sehr Zeit lasse. Sie selbst müsse zwar nicht durch die Unterführung, gehe aber immer in der Einkaufspassage ihre Erledigungen machen. „Wenn jetzt auch bald der Aufzug wegfällt, muss ich wohl woanders einkaufen gehen“, sagt sie. Überhaupt findet sie den Begriff „Wohlfühlbahnhof“ unpassend. „Jetzt warten wir mal die Bauarbeiten ab und dann werden wir ja sehen, wer sich hier wohlfühlt“, sagt sie vieldeutig.