Ein großer Teil der Menschen, die Asyl in Deutschland beantragen, kommt vom Balkan. Diese Menschen haben aber nur sehr geringe Chancen, dass ihrem Asylantrag stattgegeben wird. Deshalb will der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Anreize abbauen.

Nürnberg - Verfahren verkürzen und Leistungen streichen: Das Bundesamt für Flüchtlinge fordert mehrere Maßnahmen gegen die hohe Zahl von Asylanträgen aus Balkan-Staaten. Nur dann bestehe die Chance, dass auch der Berg von Altverfahren endlich abgebaut werden könne.

 

Die Verfahren von Asylbewerbern aus Staaten mit geringer Anerkennungsquote müssen aus Sicht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge radikal verkürzt werden. Eventuell müsse man auch Leistungen für Asylbewerber aus Staaten des Westbalkans reduzieren, sagte Behördenchef Manfred Schmidt.

Zudem brauche es mehr Öffentlichkeitsarbeit in den Herkunftsländern. Es gehe darum, die Anreize, nach Deutschland zu kommen, zu reduzieren. "Da müssen wir uns über alles Gedanken machen und dürfen keinen Punkt ausblenden", sagte Schmidt. Vor allem die vielen Asylanträge aus Staaten mit geringer Schutzquote - allen voran vom Westbalkan - hinderten das Amt an einer schnelleren Arbeit.

"Da ist etwas aus dem Gefüge geraten"

Von den bislang rund 200.000 Asylanträgen, die in diesem Jahr in Deutschland gestellt wurden, kamen laut Schmidt 97.000 Menschen aus Ländern des westlichen Balkans. Von ihnen würden aber nur 0,1 bis 0,2 Prozent als Flüchtlinge anerkannt. Dagegen stammten etwa 44.000 Anträge von Flüchtlingen aus Syrien - ihnen wird in 85 Prozent der Fälle Schutz gewährt. "Das heißt, es sind doppelt so viele Anträge aus dem Balkan wie aus der Krisenregion, die wir abends im Fernsehen sehen. Diese Zahlen zeigen, da ist etwas aus dem Gefüge geraten", sagte Schmidt.

Auffällig sei zudem: 85 Prozent aller Anträge von Menschen aus Balkan-Ländern würden in Deutschland gestellt. Dies habe vor allem zwei Gründe: Die Leistungen für Asylbewerber seien hier höher als in anderen europäischen Ländern und die Verfahren dauerten hier länger.

Doch hier gebe es Fortschritte: Von den bislang 97.000 Anträgen von Balkan-Flüchtlingen in diesem Jahr seien bereits 60 000 entschieden. Die Zahl der Entscheidungen habe sich auch insgesamt deutlich erhöht, betonte Schmidt: Ende Juli seien es bereits 131.000 gewesen. "Das ist mehr als im gesamten Jahr 2014."

Taschengeld kürzen

Schmidt regte zudem erneut an, das Taschengeld von etwa 140 Euro für Asylbewerber vom Westbalkan zu kürzen oder durch Sachleistungen zu ersetzen. "Was wir in unseren Anhörungen hören ist, dass die Barmittel durchaus ein Anreiz sind, in der Bundesrepublik zu bleiben." Schon jetzt sei es geltendes Recht, dass Leistungen für Asylbewerber gekürzt werden können, "wenn anzunehmen ist, dass sie nur deswegen hier sind, um diese Leistungen in Anspruch zu nehmen".

Laut Schmidt landen auch überdurchschnittlich viele Verfahren abgelehnter Asylbewerber vom Westbalkan vor Gericht: "Insgesamt werden 33 Prozent der negativen Entscheidungen beklagt, beim Westbalkan liegt die Quote bei 49 Prozent: Es geht hier offensichtlich darum, den Verbleib in der Bundesrepublik so lange wie möglich zu gestalten."

Bei einem weiteren Problem setzt Schmidt auf ein seit Anfang August geltendes Gesetz: Viele abgelehnte Asylbewerber stellen nach kurzer Zeit erneut einen Antrag. "50 Prozent der 20.000 Folgeanträge kommen aus dem Westbalkan. Wir haben hier so eine Art Drehtüreffekt." Seit Anfang des Monats kann das Amt aber bei offensichtlich unbegründeten Anträgen eine Wiedereinreisesperre und ein Aufenthaltsverbot für das Schengen-Gebiet aussprechen. "Das Signal ist: Wenn Du diesen Weg beschreitest, droht Dir nicht nur Rückführung in Dein Herkunftsland, sondern dass Du auch auf legalem Weg nicht mehr in ein Schengen-Land einreisen darfst."

Die Regelung betreffe nicht nur Menschen vom Balkan. "Auch Antragsteller aus Georgien oder Tunesien müssen mit Wiedereinreise-Sperren rechnen", sagte Schmidt der Zeitung "Die Welt".