Die Präsidentin des Bundesflüchtlingsamtes, Jutta Cordt, muss um ihren Job bangen. Ihr Entdecker, der frühere Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise, will seine Nachfolgerin schützen. Dabei beschuldigt er seine Vorgänger – keineswegs uneigennützig.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es hat lange gebraucht, bis es die Inhaberin des wohl heißesten Chefsessels einer deutschen Behörde auf die Titelseiten gebracht hat: Jutta Cordt, die seit Februar 2017 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leitet, hat es mit ihrer Zurückhaltung in der Öffentlichkeit geschafft, sich die dicksten Schlagzeilen vom Hals zu halten. Nun sind sie da und sagen gleich ihren Sturz voraus.

 

Bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg ist wegen der Bremer Asylaffäre eine Anzeige von einer „Privatperson“ gegen Cordt und drei weitere führende Bamf-Mitarbeiter eingegangen. Das ist an sich noch nicht bedrohlich, weil jeder ohne Weiteres einen Mitmenschen anzeigen kann. Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall. Ob daraus ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet eingeleitet wird, ist offen.

Einstiger „Feuerwehrmann“ der Union mischt sich ein

Politisch ist die Lage brisanter für die Bamf-Präsidentin: Am kommenden Dienstag muss Cordt mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) dem Bundestagsinnenausschuss Rede und Antwort stehen. Danach wird sich zeigen, ob die Opposition die bisher vereinzelten Rücktrittsforderungen zu einem Orkan verdichtet, denn dann wäre Cordt wohl nicht mehr lange zu halten. Der Vorteil Seehofers ist, dass er, weil kurz im Amt, der Behördenchefin nicht verpflichtet ist. Er könnte um seiner selbst willen ohne große Umstände reinen Tisch machen.

Erschwert wird dies aber durch den Einsatz des in der Union hoch geschätzten CDU-Mannes Frank-Jürgen Weise – einst Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Bamf sowie Bundeswehr-Reformierer – für seine Nachfolgerin. Diese stand von 2009 an der Geschäftsführung der BA-Regionaldirektionen in Sachsen und Berlin-Brandenburg vor. Kurz: Cordt war seine Entdeckung, die er nun nicht untergehen sehen will. Weise hält es für „unfair und unzulässig, ihr Vorfälle anzulasten, die lange vor ihrer Verantwortungsübernahme im Bamf geschehen sind“, sagte er. Damit bleibt freilich unklar, ob Cordt frühzeitige Hinweise auf die rechtswidrige Genehmigung Tausender Asylanträge in Bremen nicht ernst genug genommen hat.

„Keine Strukturen, keine funktionierende IT“

Unverblümt versucht Weise, die Schuld an die Vorgänger weiterzureichen. „Es war die frühere Führung des Bamf, die den Zustand der Behörde zu verantworten hatte, als ich dorthin gerufen wurde.“ Chaotisch sei die Organisation gewesen. „Es gab keine Strukturen, die dieser Belastung hätten gerecht werden können, keine funktionierende IT, keine Prozesskette.“ Es habe kaum Kontrollmechanismen gegeben. „Eine Innenrevision zur Prüfung von Entscheidungen habe erst ich eingeführt.“ Weise, heute Präsident der Johanniter Unfall-Hilfe, kam im September 2015 quasi als Feuerwehrmann für Manfred Schmidt, der wegen der schleppenden Bearbeitung Hunderttausender Asylanträge abgetreten war.

Womöglich baut Weise dem Vorwurf vor, selbst nicht entschlossen auf die Missstände in Bremen reagiert zu haben. Medienberichten zufolge soll ihm der Hannoveraner Regionspräsident des Bamf, Hauke Jagau, schon im Juli 2016 eine E-Mail geschickt haben. Darin war vom Abbruch eines Abschiebeversuchs durch die Außenstelle die Rede, obwohl diese nicht zuständig war. Ein Abteilungsleiter antwortete wohl mit Weises Wissen, dass eine Überprüfung stattfinde – die könne dauern. Später gab Jagau weitere Hinweise. Weise könne sich daran nicht erinnern, teilt sein Büro dazu nur mit.