Mit beeindruckender Wortakrobatik hat der Bühnendichter Bas Böttcher im Stuttgarter Literaturhaus den Tücken des Übersetzens nachgespürt.

Stuttgart - Übersetzen – das ist wie ein Bild mit anderen Farben noch einmal malen.“ So sieht es Bas Böttcher, und dass er den Vorgang in ein sprachliches Bild zu kleiden vermag, ist kein Wunder: Bas Böttcher ist Dichter, Bühnendichter genauer gesagt. Einer, der seine Texte vor Publikum mit schnellem Tempo und wenig Betonung nicht rezitiert, sondern rappt.

 

Böttcher ist eine der Gründerfiguren der Slam-Poetry-Szene in Deutschland. Seit den neunziger Jahren tritt er gegen andere Wortakrobaten an und hat so den Dichterwettstreit in die Gegenwart geholt. Mittlerweile sind es sogar verstorbene Dichter, die er herausfordert: Bas Böttchers Stück über fallende Äpfel und reifende Birnen ist zwar keine Neuinterpretation von Fontanes Klassiker „Herr von Ribbeck zu Ribbeck . . .“, aber Böttchers Wortspielereien über den Herbst weben ein kunstvolles Netz aus Klang und Bedeutung und fangen so die Melancholie der Jahreszeit auf ihre Weise ein.

Ein Annäherung ans Chinesische

Nicht nur Äpfel und Birnen, auch die Welt und das Wort, le monde und le mot – und die Alliteration, die bei beiden Paarungen vorkommt: das waren die Themen, mit denen sich Böttcher bei seinem Auftritt im Literaturhaus beschäftigt hat. Sein für dortige Verhältnisse junges Publikum bestand vor allem aus Übersetzern und daran Interessierten. Schließlich war Böttchers Vortrag Teil eines fünftägigen Seminars, das das Institut français mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung abgehalten hat. Die Übertragung von Kinder- und Jugendliteratur vom Französischen ins Deutsche und umgekehrt war das Thema des Workshops.

Die Texte, nein Stücke, die Böttcher schnell, präzise und frei vorgetragen hat, waren deshalb auch in Französisch an die Wand projiziert. Das Dilemma des Übersetzens war so an diesem Abend ständig präsent. Was ist wichtiger, der Klang oder die Bedeutung? Das Wortfeld oder die Lautmalerei? Dass sich etwa Böttchers witziger Text einer Annäherung ans Chinesische, der dann chinesisch klingt, ohne es zu sein, nicht wörtlich übersetzen lässt, ist klar.

Durch den Schwanz wird der Fuchs zur Säge

Was aber, wenn es um das Versmaß geht, wie in dem Tanzgedicht, in dem aus dem einsilbigen Takt ein Tak-k-t wird – so schreibt es der Daktylus mit einer schweren und zwei leichten Silben eben vor. Wunderbar, wie Böttcher die Laute knallen lässt, wie er den Rhythmus gleichzeitig stört und doch dabei einhält.

„Verkuppelte Wörter“ war das Thema des Bühnendichters. Bas Böttcher hat dafür grandiose Beispiele gefunden: Wenn etwa „aus dem der Fuchs durch den Schwanz eine Säge wird, der Vater durch unser ein Gebet, der Vogel durch frei eine Strafe.“ Böttcher ist ein Meister im Auffinden von Doppeldeutigkeiten, einer, der den Worten so lange nachspürt, bis sie ihren Widersinn preisgeben. „Anhaltend“ ist so ein Wort – meint es doch das Gegenteil von dem, was es sagt. Es hält eben keinen Vorgang an, sondern beschreibt dessen Dauer. Zur Diskussion, zum Fachgespräch zwischen dem Wortkünstler und seinem kundigem Publikum kam es nicht, auch wenn Böttcher dafür so freundlich wie unermüdlich geworben hat. Vielleicht, weil die Seminaristen und Zuhörer am Ende des Tages erschöpft waren, vielleicht aber auch, weil Böttchers Wortakrobatik so eindrucksvoll nachklang, dass danach niemand mehr ein Wort verlieren wollte. „Das macht die Sprache – die Macht der Sprache“ – so würde Böttcher selbst dazu sagen.