Die Ludwigsburger spielen bisher eine ganz starke Saison, aber das ist auf Dauer kein Selbstläufer. Der Club-Chef Alexander Reil macht sich Gedanken, wie man den Erfolg konservieren und vielleicht sogar noch steigern kann.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ludwigsburg - Keine Sorge: Alexander Reil muss nicht zum Optiker. Wenn Ludwigsburgs Vorsitzender auf die europäische Rangliste im Club-Basketball blickt, traut er seinen Augen kaum. Die MHP Riesen rangieren dort auf dem sechsten Platz, nur drei, vier Plätze entfernt von Top-Teams wie ZSKA Moskau oder Real Madrid, die auf 40 Millionen Euro Etat taxiert werden. „Das ist schön“, sagt Reil, „aber dafür kann ich mir nichts kaufen.“

 

Doch selbst der zurückhaltende Reil, seit 2002 hauptamtlich bei den Riesen, sagt: „Die Play-offs sollten wir erreichen, trotz unseres schweren Restprogramms.“ Das beginnt am Mittwoch (19 Uhr) mit der Partie gegen den Vorjahresersten Ulm, ehe am Samstag Spitzenreiter München kommt. Eine Standortbestimmung.

Mannschaft

Sie ist der Grundstein des aktuellen Erfolgs mit Platz drei in der Liga. „Wir müssen es schaffen, ein Team zusammenzustellen, das unserem Spielstil entspricht. Das ist in dieser Saison gelungen.“ Und dies ist natürlich in erster Linie ein Verdienst des Trainers. John Patrick legt Wert auf Disziplin und Defensive. Wer nicht mitzieht, kann gehen, auch wenn das in dieser Saison noch keinem Profi widerfahren ist. Was bedeutet: Auch der Trainer ist zufrieden. Reil: „Wir haben auf dieser Position Kontinuität, gepaart mit Erfolg.“ Die Riesen werden wohl zum fünften Mal nacheinander unter Patrick die Play-offs erreichen, das haben in der jüngeren Vergangenheit nur fünf andere Clubs geschafft. „Wir versuchen, uns Jahr für Jahr ein Stück zu verbessern.“ Es ist kein Selbstläufer – sondern harte Arbeit.

Finanzen

Das gilt nicht nur für den sportlichen, sondern auch den wirtschaftlichen Bereich. Namenspatron MHP ist eingestiegen, „als wir eine Wildcard beantragen mussten – das darf man nicht vergessen. Aber es hat sich für MHP gelohnt“, betont Reil. Und zwar dahin gehend, dass das Unternehmen über den Multiplikator Basketball zusätzlich attraktiv für Nachwuchskräfte ist. MHP ist der Kopf der Sponsorenpyramide, die inzwischen an die 90 Partner umfasst. Dabei ist im Ballungsraum Stuttgart die Konkurrenz groß. Nicht nur durch den VfB. Auch im Handball oder Eishockey mit den Bietigheim Steelers. Da tut man sich schwerer als zum Beispiel in Ulm, wo die Basketballer ein Alleinstellungsmerkmal im Spitzensport besitzen. Reil: „Es gibt da aber keinen Neidfaktor. Im Gegenteil: Dort wird hervorragende Arbeit geleistet.“ Wie wichtig die Sponsoren sind, zeigt eine Kennziffer. Das Gesamtbudget von inzwischen etwa fünf Millionen Euro setzt sich zu 70 Prozent aus Sponsorengeldern zusammen.

Infrastruktur

„Irgendwann stößt man an die Grenzen“, sagt Reil. Das beginnt bei der MHP-Arena, „für mich eine der schönsten Basketballhallen in Deutschland“, wie nicht nur Reil findet. Doch leider zählt keine künstlerische Note, sondern die Einnahmenseite. Wobei der Verein in dieser Saison die Kapazität sogar um 300 Plätze auf 4200 reduziert hat. Was im ersten Moment grotesk klingt, hat Sinn. Denn es wurden Steh- in Sitzplätze verwandelt, was bei den Fans durchaus auf Kritik stieß. Doch unterm Strich bleibt bei einem ausverkauften Haus mehr Geld in der Kasse. Reil sagt: „Es war eben so, dass in 80 Prozent der Spiele 40 Prozent der Stehplätze leer blieben, obwohl wir noch hätten Karten verkaufen können.“ Zum Sitzen. Nach der Saison wird neu verhandelt. Auch in Sachen Hallenerweiterung. Es gibt Überlegungen, doch der Vorsitzende dämpft allzu große Euphorie. „Im besten Fall kommen wir auf 5000 Zuschauer“, sagt er, wobei darin auch eine Erhöhung der 350 Hospitality-Plätze inbegriffen wäre, bei denen das Angebot die Nachfrage längst übersteigt.

„Erfolg macht eben sexy“, sagt Reil, der dennoch keinen Gedanken daran verschwendet – anders als der TV Bittenfeld –, Richtung Stuttgart zu schielen oder gar den Namen zu ändern. „Seine Ursprünge zu verlassen hat in meinen Augen nur dann Sinn, wenn man dadurch an der Spitze mitspielen kann.“ Aktuell schaffen die Riesen das noch vor Ort.

Champions League

Die Basketballer machen Stadt und Verein sogar über die Grenzen hinaus bekannt, weil der Club zum dritten Mal nacheinander international antritt – und das auch noch erfolgreich. Nach der Vorrunde weist die Mannschaft die drittbeste Bilanz aller 32 Teilnehmer (hinter Monaco und Teneriffa) auf. „Wir würden es auch überleben, wenn wir uns mal nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren“, sagt Alexander Reil. Aber allein durch die bisher 20 Champions-League-Spiele hat sich die Medienpräsenz nahezu verdoppelt.

BBL

Das ist auch ein Stichwort für die Liga, die zuletzt drei Jahre mit Telekom zusammengearbeitet hat, die jedes Spiel im Livestream überträgt. „Das ist eine tolle Plattform“, sagt Reil – die aber den Clubs kein Geld bringt. Der Vertrag läuft aus, und man kann davon ausgehen, dass er in dieser Form nicht verlängert wird. Denn Reil betont in seiner Funktion als Liga-Präsident: „Wir brauchen neben Werbe- und Zuschauereinnahmen Gelder aus der TV-Lizenz.“ Dafür macht er sich stark – und sagt in Richtung öffentlich-rechtliche Sender: „Sie sollen sich für Basketball engagieren, sonst steigt irgendwann ihre Zielgruppe aus.“ Stagnation heißt Rückschritt. Reil weiß, dass die Erwartungshaltung steigt – selbst im beschaulichen Ludwigsburg.

Auch nach einem Titel? Statt einer Antwort kommt von Alexander Reil eine Anekdote. „Ich habe mal gegenüber einem Kollegen eines größeren Clubs gesagt: Wenn wir einen Titel holen, genehmige ich mir noch eine Zigarre, dann höre ich mit Rauchen auf.“ Woraufhin der antwortete: „Dann hörst du ja nie auf.“