Ministerpräsident Kretschmann kritisiert Bahn und Eisenbahnbundesamt wegen Verzögerungen bei den Baumarbeiten. Der Zeitplan wackelt wieder.

Stuttgart - Die Landesregierung beobachtet mit zunehmenden Verdruss das Missmanagement der Bahn bei der Beibringung eines naturschutzrechtlichen Konzepts für die Baumfällarbeiten im Mittleren Schlossgarten. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat am Dienstag deutlich gemacht, dass allein das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) darüber befinde, ob die Vorschläge der Bahn zum Schutz von Fledermäusen und Juchtenkäfer ausreichten, um das seit Anfang Oktober 2010 geltende Baumfällverbot aufzuheben. Das Land und dessen Behörden hätten dafür keine Entscheidungsbefugnis, sagte Kretschmann. Zugleich versicherte er: „Die Landesregierung hat keinerlei Interesse an irgendwelchen Verzögerungen.“

 

Derzeit ist davon auszugehen, dass demnächst mit dem Abbruch des Südflügels begonnen wird. Die Bahn muss dafür Sorge tragen, dass durch die Abrissarbeiten die Winterruhe der Fledermäuse im nahen Schlossgarten nicht gestört wird. Dies hat die Bahn nach Auskunft des EBA nun nachgewiesen; ein rechtliches Hindernis für den Abbruch besteht nicht. Ein Bahn-Sprecher sagte, zunächst werde das Gebäude entkernt, ehe die Fassade niedergelegt werde.

Kretschmann kritisiert das Eisenbahnbundesamt

Anders verhält es sich mit der geplanten Baumfällaktion im Schlossgarten. Die bisher von der Bahn beigebrachten Unterlagen zum Artenschutz sind offenkundig wenig geeignet, das EBA zur Aufhebung des im Oktober 2010 verhängten Fällverbots zu bewegen. Mangels eigener Sachkompetenz hatte die Behörde die Unterlagen an das Regierungspräsidium Stuttgart weitergegeben und um Amtshilfe gebeten. Dort sollte geprüft werden, ob das Fällen und Versetzen der Bäume im Schlossgarten naturschutzrechtlich zulässig sei.

Regierungschef Kretschmann kritisierte das EBA in diesem Zusammenhang scharf. Die Behörde arbeite zu langsam, zudem fehle es an Personal, um bestimmte Sachfragen eigenverantwortlich zu klären. „So kann das nicht weitergehen.“ Mit seinem Ärger steht er im Kreis der Länderchefs nicht allein. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz Mitte Dezember brachte das Land Brandenburg das Thema unter der Überschrift „Verfahrensdauer beim Eisenbahn-Bundesamt im planungsrechtlichen Genehmigungsverfahren“ zur Sprache. Nun soll sich die Bundesregierung dazu äußern.

Aus "einem Aufwasch" wird wohl nichts

Die Landesregierung ist daran interessiert, den Abbruch des Südflügels und die Baumfällaktion zeitlich so zu synchronisieren, dass dafür ein Großeinsatz der Polizei ausreicht. „In einem Aufwasch“, heißt es im Innenministerium, wollte man diese Aufgabe abarbeiten. Doch daraus wird wohl nichts. „Wir hängen in der Luft“, heißt es im Innenressort. Zwar sagte der S-21-Projektsprecher Reinhold Willing am Dienstag, er rechne damit, dass das Eisenbahn-Bundesamt in Kürze den Weg frei mache für den Start der Baumfällarbeiten. Doch die naturschutzrechtliche Prüfung im Regierungspräsidium Stuttgart gibt diesem Optimismus wenig Nahrung.

Die Behörde hatte vom EBA Mitte Dezember eine Anfrage mit konkreten Fragen und der Bitte um eine rechtliche Bewertung erhalten – bei der Prüfung des Sachverhalts wurden nach Informationen der Stuttgarter Zeitung nun etliche Mängel festgestellt. So wird in dem vierseitigen Bericht der Abteilung Umwelt des Regierungspräsidiums unter anderem ausgeführt, dass eine Darstellung des Eingriffsbereichs im Schlossgarten fehle und der Umfang offenbar auch den mit der artenschutzrechtlichen Prüfung beauftragten Gutachtern der Bahn unklar war. Bemängelt wird in der vor wenigen Tagen verschickten Stellungnahme zudem, dass offenbar auch keine Erhebung von Brutvogelarten im erforderlichen Zeitraum durchgeführt wurde und Erhebungsmethoden nicht nachvollzogen werden könnten. Auch bei der Untersuchung, ob ein Gebiet von Fledermäusen genutzt wird, fehle der Zeitraum Frühjahr und Sommer, der Juchtenkäfer bleibe ganz unerwähnt. Durch eine Baufeldräumung im Winter, so das Fazit, sei eine Tötung oder Verletzung von Tieren nicht ausgeschlossen.

Plan ist nicht zu halten

Eine öffentliche Bewertung oder Einschätzung des Untersuchungsergebnisses will das Regierungspräsidium nicht abgeben. Der Entscheidungsträger sei das Eisenbahn-Bundesamt, so ein Sprecher. Bei der Bonner Aufsichtsbehörde werden die eingereichten Gutachten nach Angaben eines Sprechers nach wie vor geprüft, der Sachstand sei unverändert. Die Bahn geht dennoch davon aus, das Baufeld bis zum Beginn der Vegetationszeit am 1. März frei räumen zu können – was aber mit jedem Tag immer unwahrscheinlicher wird.

Nach dem ursprünglichen Zeitplan war vorgesehen, am 13. Januar den Bauzaun am Südflügel aufzustellen und am 16. Januar nach der Räumung des Zeltlagers mit den Fällarbeiten zu beginnen. Dieser Plan ist schon deshalb nicht zu halten, weil die Polizei die Planung für einen Einsatz im Zeltdorf mit Verweis auf die unklare rechtliche Situation gestoppt hat und nun zwei Wochen Vorlauf braucht. Weitere Verzögerungen drohen zudem durch einen Eilantrag, den S-21-Gegner vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gestellt haben, um die Allgemeinverfügung zur Anordnung eines Aufenthaltsverbots im Schlossgarten außer Kraft zu setzen. Die Stadt sei dabei, den Sachverhalt zu prüfen und zu bewerten, erklärte dazu der Stadtsprecher Markus Vogt. Man habe beim Verwaltungsgericht um eine Fristverlängerung für eine Stellungnahme gebeten.