Inka Bauses „Bauer sucht Frau“ lockt jede Woche tausende Zuschauer vor die Bildschirme. Nachahmerformate wie „Schwer verliebt“ können da kaum mithalten.

Digital Desk: Anja Treiber (atr)

Stuttgart - Es ist Halbzeit bei „Bauer sucht Frau“: Am Dienstagabend zeigt RTL die fünfte von zehn Sendungen. Mit den Einschaltquoten kann der Privatsender zufrieden sein. Etwa acht Millionen Zuschauer beobachten jeden Montag die tapsigen Landwirte, wie sie ihre Angebeteten im Kuhstall oder auf dem Rübenacker bezirzen. Zwischen dem fleißigen Pferdewirt Philipp und seinem Veith – dem ersten schwulen Pärchen in der Sendung – fliegen nur so die Funken. Es soll so aussehen, als hätten sich da zwei gefunden. Bei anderen Paaren knirscht es dagegen gewaltig im Gebälk. Gezankt wird über Machoallüren und Kochgewohnheiten.

 

Auch die siebte Staffel hat wieder Momente zu bieten, in denen man am liebsten betreten wegschauen möchte, dann aber doch verstört am Fernsehschirm hängenbleibt. Fremdschämen ist angesagt, wenn Silvia den Lieblingstrecker ihres heiteren Ackerbauern Rolf mit dem Hochdruckreiniger säubert – und er mit lüsternem Blick jeden ihrer Handgriff verfolgt. Damit nicht genug. In der nächsten Folge zieht sich besagte Dame aus, um sich im Bikini auf dem Oldtimerschlepper zu räkeln. Wie der Zufall es will, hat Bauer Rolf eine Fotokamera zur Hand und macht heiße Schnappschüsse fürs Familienalbum. Das ist peinlich – für alle Beteiligten.

Erfolgreicher als andere Reality-Formate

Aber allen moralischen Fingerzeigen zum Trotz: die Sendung ist erfolgreich, erfolgreicher als andere Reality-Formate. Warum? Sind es die ulkigen Bauern? Ist es die in Großstädtern verborgene Sehnsucht nach dem vermeintlich so einfachen und romantischen Landleben? Oder ist es doch der nackte Voyeurismus?

„Es ist die Mischung aus mehreren Komponenten“, sagt die Expertin für Reality-Shows Joan Kristin Bleicher. Sie ist Professorin am Institut für Medien und Kommunikation der Universität Hamburg. „In ,Bauer sucht Frau‘ stecken Elemente des traditionellen Heimatfilms, den wir von früher kennen“, sagt Bleicher. „Gleichzeitig aber auch die Freakshow der alten Jahrmarktkultur“, ergänzt sie. Menschen, die nicht attraktiv seien, die zum Teil behindert wirkten, würden vor die Kamera gezerrt und gnadenlos zur Schau gestellt, damit sich die Zuschauer zu Hause über sie lustig machen können. „Das humoristische Element spielt also auch eine wichtige Rolle“, sagt Bleicher. Gerade bei dem jüngeren Zielpublikum werde „Bauer sucht Frau“ nicht primär als Kuppelshow, sondern als Comedy-Format wahrgenommen.

Erfolg weckt Begehrlichkeiten

Der Erfolg bei den Zuschauern weckt Begehrlichkeiten. Und deshalb sprießen derzeit die Kuppelsendungen wie Pilze aus dem Boden. Der Sender RTL legt mit „Großstadtliebe“, dem Gegenstück zur Liebe auf dem Land, nach. Dort will die Moderatorin Miriam Pielhau im kommenden Frühjahr zehn einsamen Großstädtern zum Liebesglück verhelfen. Es ist mit „Schwiegertochter gesucht“ dann die insgesamt dritte Kuppelsendung bei RTL.

Auch der Privatsender Sat 1 schickt nun die Moderatorin Britt Hagedorn auf Brautschau. Bei „Schwer verliebt“ sollen mollige Menschen an den Mann oder die Frau gebracht werden. Acht Folgen sind geplant. Produziert werden sie von UFA Entertainment, der Firma, die zum Beispiel auch die österreichische Ausgabe von „Bauer sucht Frau“ produziert. Die Auftaktsendung von „Schwer verliebt“ am ersten Novemberwochenende erreichte 2,8 Millionen Zuschauer erreicht, kein schlechtes Ergebnis für den Privatsender.

Die Zuschauer sollen etwas zum Lachen haben

Parallelen zu „Bauer sucht Frau“ gibt es viele: Alle Kandidaten werden etikettiert – vom fröhlichen Flötenspieler über die romantische Regalservicekraft bis zum einsamen Kirchgänger. Wie bei dem RTL-Format werden die einzelnen Szenen mit Kuschelrock-Klassikern unterlegt. Auch das Kennenlernen funktioniert ähnlich: Die Paare verbringen eine gemeinsame Woche und entscheiden sich dann, ob sie weiter zusammenbleiben möchten.

Joan Kristin Bleicher prognostiziert der Sat.1-Sendung aber keinen Erfolg, der an den von „Bauer sucht Frau“ heranreichen könnte: „Es fehlt die Idylle, daher ist dieses Format zu stark auf die Freakshow reduziert, um von einem breiteren Publikum angenommen zu werden.“ Bei „Schwer verliebt“ stehe das Vorführen noch stärker im Vordergrund als bei „Bauer sucht Frau“. „Die Schmerzgrenze des Fremdschämens ist offensichtlich noch nicht erreicht“, sagt Bleicher. So werden stark Übergewichtige in die Badewanne gesetzt oder in XXL-Unterhosen vor der Kamera postiert. Die Zuschauer daheim auf den Sofas sollen etwas zum Lachen haben, so das Kalkül.

„Bauer sucht Frau“ läuft dienstags, 21.15 Uhr auf RTL, „Schwer verliebt“ sonntags, 19.00 Uhr auf Sat 1.