Wie stellt man sich einen Mann vor, der Milliardenprojekte verantwortlich realisiert? Edel­anzüge, schnittiger Wagen, umschwirrt von einem Heer dienstbarer Geister. Auf Klaus Grewe passt nichts davon. Und trotzdem verfügt kaum ein anderer international tätiger Baumanager über ein Renommee wie er.

Stuttgart - Wie stellt man sich einen Mann vor, der Milliardenprojekte verantwortlich realisiert? Edelanzüge, schnittiger Wagen, umschwirrt von einem Heer dienstbarer Geister und mit einer Aura, die auch noch der letzten Maus deutlich macht: hier steht jemand, der vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen unglaublich wichtig und mächtig ist. Auf Klaus Grewe passt nichts davon. Zwar trägt er üblicherweise „volle Uniform“, wie er das nennt: „Anzug und bei jedem Wetter Krawatte.“ Doch die hat er der Hitze wegen getauscht in ein hellblaues Hemd mit offenem Kragen, helle Jeans und schwarze Turnschuhe. Er empfängt auch nicht, sondern kommt einem auf die Sekunde pünktlich in der Hotellobby entgegen – übrigens nicht in einem Edelhotel, sondern im unspektakulären Intercity-Hotel im Stuttgarter Hauptbahnhof.

 

Als Mitglied im Expertenbeirat der Deutschen Bahn zu Stuttgart 21 wird er wohl so etwas wie Corporate Identity damit signalisieren, schießt es einem durch den Kopf. Aber nicht einmal das stimmt. Das Hotel hat er selbst gebucht und ausgewählt, weil es so praktisch liegt. Und mit Stuttgart 21 verbindet ihn auch nichts mehr – er hat seine Beiratsaufgabe gerade niedergelegt. Grewe sagt nichts über seine Gründe, nein, da hält er sich „vornehm englisch“ zurück. Aber es darf schon vermutet werden: Hätte er die Chance gesehen, bei diesem Projekt einen Beitrag zum Erfolg zu leisten, wäre er wohl geblieben.

Eine Erfolgsgeschichte

Denn es gibt nicht viele, die über ein ähnliches Renommee verfügen wie der international tätige Baumanager. In der Schweiz war er mitverantwortlich für das erfolgreiche Ausbauangebot des Gotthard-Basistunnel, in Berlin neben zahlreichem anderen für den Hauptbahnhof und den U-Bahnhof Potsdamer Platz. In London unterstützt er gerade das „Underground Crossrail“-Projekt mit einem Volumen von 19,7 Milliarden Euro. Sein Arbeitgeber Jacobs Engineering ist mit 71 000 Mitarbeitern weltweit einer der größten Projektsteuerer.

Mit Grewes Namen ist aber vor allem eine andere Erfolgsgeschichte verbunden: die Olympischen Spiele 2012 in London. 2005 hat seine Firma den Zuschlag für das Gesamtprojekt erhalten, bis 2008 wurde nur geplant, danach drei Jahre gebaut. Grewes Erfolg: sämtliche olympischen Einrichtungen wurden nicht nur rechtzeitig schlüsselfertig übergeben, sondern blieben auch im Kostenrahmen.

„Wir hatten 400 Projektmanager, in Spitzenzeiten 1000 Planer und jeweils rund 10 000 Arbeiter fürs olympische Dorf und den Olympiapark“, sagt Grewe zu der in 100 Einzelprojekte gegliederten Herausforderung, die er als „Integrationsmanager“ mit einem Team von drei Leuten koordinierte. Dabei hatte er „harte“ Aufgaben wie den Bau des Olympiastadions ebenso im Blick zu behalten wie „weiche“, etwa die Bürgerbeteiligung. „Weich ist nicht nachrangig“, erklärt der 52-Jährige. „Sind die Bürger nicht ausreichend informiert, werden sie zu Recht unruhig und können auch ein Riesenprojekt zu Fall bringen“, sagt Grewe und verweist auf die Olympia-Bewerbung Münchens für 2022, die vergangenes Jahr am Nein der Menschen in Garmisch-Partenkirchen „leider“ krachend gescheitert ist.

„Transparenz und Fleißarbeit“ nennt Grewe deshalb als Schlüsselbegriffe für den Erfolg. Für ihn stehe am Anfang immer akkurate, in die Tiefe gehende Planung. Ob Tausende Terminvorgänge, detaillierte Kostenrechnungen oder präzise Arbeitslisten – stets geht er nach dem Motto vor: „Lieber ein Held am Schluss, als am Anfang allen gefallen“. Im Prinzip, sagt er, sei es egal, ob Haus, Bahnhof, Stadion oder Tunnel – „es geht immer um Zeit und Geld“. Wichtig sei, vernetzt zu denken und die Leute miteinander ins Gespräch zu bringen.

„Ich bin zweimal durchs Abitur gefallen“

Es ist denn auch keineswegs überragendes Architekten-Können, was den Mann so erfolgreich werden ließ – auch wenn ihm schon lange niemand mehr entsprechenden Sachverstand absprechen würde. Aber Grewe ist weder Architekt noch Ingenieur, er ist von Haus aus Vermesser und Zimmermann. „Ich bin zweimal durchs Abitur gefallen“, bekennt er ganz offen. Und nach London gekommen ist er eigentlich auch nur, weil seine Frau, eine promovierte Volkswirtin, damals ein interessantes Angebot bekam. Er hatte sich davor zwar schon 16 Jahre in Berlin bei der bekannten Baufirma Strabag hochgearbeitet, aber in London nahm er erst mal Elternzeit für seine drei Sprösslinge. Angesichts dieser ungewöhnlichen Biografie überrascht dann schon fast nicht mehr, dass er auf die Frage, welches seine wichtigste Eigenschaft sei, sagt: „Zuhören können, denn in einer Frage steckt die Antwort oft schon drin. Und dann schnell reagieren.“

Schnell ist er in der Tat, Anfragen beantwortet er so prompt, dass man glauben könnte, er habe nur darauf gewartet. Fleißig ist er auch, sehr fleißig. Terminbestätigungen verschickt er auch schon mal morgens kurz nach 6 Uhr. Und trotzdem sagt er, „Ziel eines gutes Managers muss auch sein, das eigene Leben nicht aus dem Blick zu verlieren“. Die Kinder in die Schule zu bringen und abzuholen gehört für ihn dazu. Aber auch anderes.

Grewe lacht, als er gefragt wird, wie es sich anfühlt, bei den Olympischen Spielen auf der Tribüne zu sitzen und sagen zu können: alles meins. Er saß nicht dort. Es habe für seine Firma zwar 400 Karten gegeben, „aber dafür hatte ich keine Zeit“. Grewe war während der Olympischen Spiele eine Woche lang ehrenamtlicher Helfer. „Ich habe den Hockey-Damen Wasser hinterhergetragen und sie chauffiert. Ich hab mich zwar ziemlich alt gefühlt, so jung waren die Spielerinnen, aber es hat richtig Spaß gemacht.“

Kongress „Stadt der Zukunft“

Die Stadt ist ein Labor, in dem künftiges Zusammenleben sichtbar wird. Dieser Text entstammt der Beilage zu dem von der StZ veranstalteten Kongress „Stadt der Zukunft“, auf dem Experten über die Zukunft der Städte diskutieren.