Das Forst- und Gartenamt verzeichnet eine Zunahme sogenannter Baumfreveltaten. Da wird die Rinde abgezogen, Löcher in den Stamm gebohrt oder die Krone abgeschlagen. Für die Täter kann das teuer werden – wenn sie denn erwischt werden. Ein neuer Baum kostet bis zu 3000 Euro.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - „Warum auch immer“, antwortet Till Teckentrupp auf die Frage, ob er irgendeine Ahnung hat, warum Menschen Bäume am Wegesrand zerstören. Abgeschälte Rinde, eingeritzte Botschaften, Löcher in den Stämmen, abgeschlagene Kronen: in diesem Jahr ist es offenbar besonders schlimm, sagt der Leiter der städtischen Baumpflege. Wie viele Bäume es getroffen hat, weiß er noch nicht. Denn viele Schäden entdecken er und seine Kollegen entweder zufällig bei den regelmäßigen Kontrollen, oder wenn Anwohner anrufen und die Freveltaten bei der Verwaltung melden.

 

Ein Nachbar hat auch auf den Ahorn an der Kornbergstraße aufmerksam gemacht, an dem auf einer Länge von mehr als einem Meter rundum in langen, schmalen Längsstreifen die Rinde abgeschält ist. Noch sieht es gut aus für den Baum, „ein echter Kämpfer“ sagt Teckentrupp über seinen Schützling. Er grünt und wächst, als wäre nichts gewesen. Dabei fehlt ihm der Schutz für seine Lebensadern, die unter der Rinde verlaufen. „Ob er es tatsächlich schafft, wissen wir aber erst im Herbst. Es kann auch sein, dass er sich jetzt noch einmal aufbäumt und dann doch noch eingeht“, sagt der Fachmann.

Im Frühjahr nehmen die Fallzahlen zu

Am 5. Mai ging die Meldung ein, dass der Baum stark beschädigt sei. Ein typischer Fall von blinder Zerstörungswut. „Da wollte jemand einfach seine Aggressionen ablassen“, vermutet Till Teckentrupp. Der Tattag Anfang Mai sei dabei typisch. Manchmal haben die Experten den Eindruck, dass im Frühjahr, wenn der Saft in die Bäume schießt, bei den Menschen die Hormone in Aufruhr geraten. Eine Wallung, die den Täter teuer zu stehen kommen kann, würde man ihn denn erwischen. Wenigstens 3000 Euro koste es, einen neuen Baum zu setzen.

Die Aggression sei nur ein Motiv, das er unterstelle, wenn die Baumfrevler zuschlagen, sagte Till Teckentrupp. Manchmal dränge sich auch der Verdacht auf, dass Anwohner ein großes Exemplar gezielt töten wollen. Wenn es den Leuten in der Wohnung zu dunkel ist, oder wenn sie hoffen, dadurch einen Stellplatz für ihr Auto zu gewinnen. Wie bei den blindwütigen Zerstörern sei es auch in diesem Fall so gut wie unmöglich, den Verursacher zu ermitteln. „Die Polizei hört sich dann schon bei den Nachbarn um, ob jemand etwas bemerkt hat, etwa dass jemand über den Baum geschimpft hat.“ Von erfolgreichen Ermittlungen in derlei Fällen weiß er aber nichts.

Jährlich werden 100 000 Bäume kontrolliert

Der Baum an der Kornbergstraße könnte eine Faustregel widerlegen, nach der die Baumpfleger das Ausmaß des Schadens begutachten. Sind mehr als 50 Prozent des Umfangs von einer Wunde in der Rinde betroffen, zählt dies als Totalschaden – unabhängig von der Länge der Wunde in der Horizontalen. Sollte der rundum abgeschälte Baum überstehen, wäre er trotz eines Totalschadens zu retten gewesen. Bäume können Wunden schließen, in dem sie vom Rand her Rinde darüber schieben.

Wie es um den Baumbestand bestellt ist, überprüft die Baumpflege jährlich. Im Frühjahr beginnt die Kontrolle der 100 000 erfassten Bäume, bis in den Herbst suchen sie die 35 000 Bäume am Straßenrand und die 65 000 in den Grünanlagen auf.