2012 soll das Europaviertel langsam aber sicher Gestalt annehmen – denn zwischen Hauptbahnhof und Wolframstraße wird viel gebaut. Zum Beispiel die Pariser Höfe.

Stuttgart - Der Name Europaviertel gehört noch immer nicht zum Sprachschatz weiter Bevölkerungskreise. Die Stuttgarter fremdeln nach wie vor mit dem neuen Stadtquartier, das hinter dem Hauptbahnhof entsteht und in wenigen Jahren bis zur Wolframstraße reichen wird. Letztere wird dann, wenn alles bebaut ist, neuer Teil und neue Außenlinie des Cityrings sein. Noch freilich ist das im Vorfeld von Stuttgart 21 zur Innenstadterweiterung frei gegebene Areal in weiten Teilen eine Brache. Allerdings hat das neue Viertel mit der Eröffnung der Bibliothek 21 schlagartig für viele sicht- und erlebbar an Kontur gewonnen. Und das Europaviertel wird 2012 weiter zulegen.

 

So stehen mit dem jüngst begonnenen Bau der neuen Sparkassenakademie samt 148 Studioapartments und Kindertagesstätte sowie dem Einkaufszentrum Milaneo nicht nur zwei weitere markante Bauvorhaben an, sondern mit der Bezugsfertigkeit der Pariser Höfe bekommt die Bibliothek 21 auch zu Hunderten neue Nachbarn. Der Projektentwickler Reiß & Co Real Estate ist dabei, Mieter für die bis zum Sommer bezugsfertigen und bereits an die Bayerische Versorgungskammer verkauften 242 Wohnungen zu suchen. Nach Firmenangaben sind bisher 30 Verträge zu Kaltmieten von 11 bis 14 Euro für den Quadratmeter abgeschlossen worden. Für den Büroteil der Pariser Höfe mit etwa 7000 Quadratmetern dagegen gebe es noch keinen Mietabschluss, es werde aber mit Interessenten verhandelt, so Daniela Reber von Reiß & Co.

Quartier gilt vielen als nüchtern und kühl

Ob die Stuttgarter freilich je mit dem Europaviertel warm werden, steht auf einem anderen Blatt. Noch schrecken die für hiesige Verhältnisse sehr großstädtischen Neubauten viele eher ab, noch gilt das Quartier vielen als viel zu nüchtern und kühl. Die Landesbank hat seinerzeit mit ihrem Neubau die neuen Dimensionen vorgegeben. Dahinter geht es jetzt entsprechend massiv und auch dicht gedrängt weiter. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster ist dennoch wie kaum ein anderer davon überzeugt, dass das Europaviertel, wenn es denn erst einmal halbwegs aufgesiedelt ist, ein pulsierendes, modernes Stück Stuttgart sein wird. Der Mailänder Platz neben der Bibliothek wird, wenn er erst einmal mit Bäumen und Wasserspielen gestaltet sein wird, bestimmt nicht leer bleiben, das ist allein schon wegen der vielen Bibliotheksbesucher gewiss.

Das auf der anderen Platzseite entstehende Einkaufszentrum Milaneo nebst 417 Mietwohnungen in allen Größen obendrauf wird das Seine dazu beitragen, dass Leben ins Quartier kommt. Wie viel Leben durch das nach wie vor umstrittene Projekt aus der Innenstadt abgezogen wird, bleibt abzuwarten. Die Investoren ECE, Strabag und Bayerische Hausbau nehmen zusammen rund 550 Millionen Euro in die Hand.

Bis zum Herbst 2014 soll das größte Einkaufszentrum der Region mit mehr als 200 Läden und Lokalen entstehen, die Betreiber rechnen dann mit täglich rund 30 000 Besuchern – an normalen Tagen. Neben dem lokalen Einzelhandel in Stadt und Region bekommt auch die Hotellerie neue Konkurrenz. An der Heilbronner Straße entsteht mit dem Milaneo auch ein 150-Zimmer-Haus in der unteren bis mittleren Preiskategorie. Und nur einen Steinwurf weiter stadtauswärts an der Ecke Heilbronner/Wolframstraße sind nun in der Hochhausplanung die Würfel offenbar doch zu Gunsten eines weiteren Hotels mit 140 Zimmern im Viersternesegment gefallen. Die Schwäbische Wohnungs AG hat angekündigt, dass noch Ende 2012 die Bagger auffahren könnten. In dem 60 Meter hohen Gebäude sollen zudem auch hochwertige Servicewohnungen entstehen.

Ergebnis der Volksabstimmung belebt Pläne neu

Auch an anderer Stelle wird das sogenannte A1-Areal nach und nach zu einem Viertel zusammenwachsen. So hat das klare Ergebnis der Volksabstimmung zum Bahnprojekt S 21 während der Hängepartie auf Eis gelegte Planungen neu belebt. „Wir nehmen jetzt die Gespräche mit Interessenten wieder auf und rechnen damit, dass wir 2012/2013 mit dem Bau des Europe-Plaza beginnen können“, sagt Ulrike Geißler von Fay Projects in Frankfurt. Pläne für das hinter der Bibliothek 21 geplante Bürohaus mit Läden oder Gastronomie im Erdgeschoss gibt es bereits seit Jahren. Jetzt, wo das Europaviertel Aufwind verspürt, sollen sie endlich umgesetzt werden.

Serie Die StZ stellt in loser Folge die größten Baustellen in Stuttgart vor. Alle Teile der Reihe können nachgelesen werden unter

www.stuttgarter-zeitung.de/thema/baustellen2012