Razzia in Professoren-Büro und Wohnungen: nach Auffälligkeiten an der Beamtenhochschule Ludwigsburg prüft die Justiz die Verletzung von Dienstgeheimnissen. Der verdächtigte Professor soll von einer Studentin angestiftet worden sein.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Täuschungsverdacht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg beschäftigt nun auch die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen Unregelmäßigkeiten bei einer Prüfung gegen einen Professor der Steuerfakultät und eine angehende Finanzbeamtin. Es gehe um den Verdacht der Verletzung von Dienstgeheimnissen und um Anstiftung dazu, bestätigte ein Behördensprecher unserer Zeitung. In dieser Woche habe es in diesem Zusammenhang auch Durchsuchungen gegeben, nämlich in drei Privatwohnungen und im Büro des Professors an der Beamtenhochschule.

 

Der Jurist wird offenbar verdächtigt, sich Aufgaben und Lösungen der aktuellen Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung beschafft zu haben und diese an die Studentin weitergegeben zu haben. Er selbst hatte unserer Zeitung gesagt, er habe sich „jederzeit regelkonform verhalten“ und wolle nicht mit einem „angeblichen Täuschungsversuch“ in Verbindung gebracht werden. Auch die Studentin weist den Vorwurf dem Vernehmen nach zurück. Die Indizien seien aber ziemlich eindeutig, heißt es. Einem Korrektor soll aufgefallen sein, dass ihre Antworten weitgehend mit den Lösungsskizzen übereinstimmten. Zudem sollen ihre Leistungen in der Prüfung auffallend besser als zuvor gewesen sein.

Ein Generalschlüssel wirft Fragen auf

Die Frage der StZ, wer Zugang zu den Prüfungsmaterialen hatte, war von der Hochschule und den zuständigen Ministerien für Wissenschaft und Finanzen zunächst offen gelassen worden. Sie verwiesen auf die laufenden Untersuchungen. Dabei geht es nach Informationen aus der Hochschule auch um einen Generalschlüssel, den sich der Professor erst in jüngerer Zeit habe aushändigen lassen. Er war früher in herausgehobener Funktion in der Steuerfakultät tätig und hatte nach dem Rückzug aus diesem Amt offenbar nur noch eingeschränkt Zugriff.

Der Täuschungsverdacht, der an der Hochschule und in der Finanzverwaltung seit Tagen Gesprächsthema ist, war erst durch einen StZ-Bericht bekannt geworden. Von einer Information der Öffentlichkeit hatten die Ministerien offenbar abgesehen, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht zu gefährden. Nach dem Strafgesetzbuch wird die Verletzung des Dienstgeheimnisses mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet. Voraussetzung ist, dass das Geheimnis „unbefugt offenbart“ wurde und dadurch „wichtige öffentliche Interessen gefährdet“ wurden. Für die Strafverfolgung ist eine Ermächtigung der zuständigen obersten Landesbehörde erforderlich, die demnach vorliegen muss.

Professor beschäftigte schon früher die Justiz

Gegen den gleichen Professor hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits 2014 einmal ermittelt, das Verfahren aber mangels Tatverdacht eingestellt. Auslöser war eine Strafanzeige der früheren Rektorin Claudia Stöckle gewesen, die ihm falsche Verdächtigung und Verleumdung vorgeworfen hatte. Hintergrund: Der Jurist hatte zuvor Ermittlungen gegen Stöckle in Gang gebracht, die später ebenfalls eingestellt wurden. Er bat um strafrechtliche Prüfung eines Korruptionsverdachtes, weil sich die Rektorin und der Hochschulratsvorsitzende wechselseitig begünstigt hätten. Die Staatsanwaltschaft hielt ihm zugute, dass er sich auf eine Einschätzung gestützt habe, die der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas vom Rechtsreferat seiner Behörde eingeholt habe; danach könne ein Anfangsverdacht auf Straftaten bestehen.

Weitere Hinweise bestätigen sich nicht

Bei dem aktuellen Täuschungsverdacht soll es sich um einen Einzelfall handeln. Im August waren bei der Hochschule und der Oberfinanzdirektion zwar anonyme Schreiben eingegangen, in denen Vorwürfe gegen drei andere, namentlich genannte Studenten erhoben wurden. Sie hätten bei der Prüfung mit Hilfe von Smartphones oder abgeschriebenen Musterlösungen vom Vorjahr getäuscht. Der zuständige Prüfungsausschuss sei dem nachgegangen, habe aber keine Anhaltspunkte für einen Täuschungsversuch gefunden, teilte die Hochschule auf StZ-Anfrage mit. Weder sei den Aufsichtspersonen etwas aufgefallen, noch hätten sich die betreffenden Studenten länger als üblich auf der Toilette aufgehalten. Auch bei deren Klausuren habe es keine Auffälligkeiten gegeben, „insbesondere keine signifikant von Vorleistungen abweichende Leistungen“. Daher habe man keine Konsequenzen gezogen. Über dieses Ergebnis sei man am 11. September informiert worden, sagte eine Sprecherin der Oberfinanzdirektion.

Nach der Anklage wegen schwerer Untreue im Zusammenhang mit Zulagen für Professoren ist es bereits das zweite Mal, dass sich die Staatsanwaltschaft mit der Beamtenhochschule befasst. Die Vorsitzende des Zulagen-Ausschusses im Landtag, Sabine Kurtz (CDU), hatte es bedauert, „dass die Hochschule jetzt nochmals in schlechtem Licht da steht“. Sie hoffe, so Kurtz, dass es sich um einen Einzelfall handele.