Novak Djokovic hat in Key Biscayne zum sechsten Mal gewonnen - aber darf der stärkste Mann vor einer 72-jährigen Lady kapitulieren?

Key Biscayne - Willy Brandt war ein Visionär, er sah das Elend kommen – schon in den frühen 70ern mahnte er mit dem Machtwort des Kanzlers: „Die Demokratie darf nicht so weit gehen, dass in der Familie darüber abgestimmt wird, wer der Vater ist.“

 

Es war für die Katz.

Der Kampf ist verloren, wir Männer haben nicht mehr die Hosen an. Wir befinden uns in der größten Krise seit Adam und Eva, werden mittlerweile regiert von einer Kanzlerin, machen mobil mit einer Verteidigungsministerin, bald folgt eine US-Präsidentin, und der FC Bayern hat inzwischen eine Busfahrerin. Der Tag, an dem wir Männer um Gleichberechtigung flehen werden, rückt immer näher – und ein weiterer Schritt in den Untergang war jetzt das fünftwichtigste Tennisturnier der Welt, die Miami Open.

Novak Djokovic hat in der dortigen Bucht auf der Halbinsel Key Biscayne am Sonntag zum sechsten Mal gewonnen und nach seinem 6:3, 6:3 gegen den Japaner Kei Nishikori den Siegerscheck über 1,028300 Millionen Dollar in Empfang genommen – als Schmerzensgeld. Es hilft ihm wenigstens halbwegs über die Demütigung hinweg, dass sich tags zuvor bei den Frauen Viktoria Azarenka nach ihrem 6:3, 6:2 gegen Swetlana Kuznetsova exakt denselben Scheck ins Dekolleté stecken durfte, 1,028300 Millionen Dollar und keinen Cent weniger. Der Tennisspieler aus Serbien soll sich, als er das im Fernsehen sah, kopfüber in den Bildschirm gestürzt haben.

Sind die Frauen überbezahlt?

Djokovic hat sich dazu vor zwei Wochen mutig geäußert. Wir Männer, sagte er, locken mit unserem Spektakel die Massen ins Stadion, mähen den Mädels sozusagen die Wiese und hätten deshalb das höhere Preisgeld verdient – es war sein Schlusswort nach dem Sieg in Indian Wells und deckte sich mit dem Rat des Turnierdirektors Raymond Moore: „Die Spielerinnen sollten jeden Tag niederknien und Gott danken, dass es Federer und Nadal gibt.“

Oder Djokovic, das inzwischen größte Zugpferd. Beim Frauenfinale in Key Biscayne hat sich der Serbe charmant zurückgehalten, aber aus seinem Gesicht sprach die Botschaft: Wenn wir Männer den Zirkus nicht am Leben halten, legen sich die Leute lieber unter einen Sonnenschirm an den Strand, als im Tennisstadion bei 35 Grad anschauen zu müssen, ob eine Weißrussin oder eine Russin besser Federball spielt.

Hat Djokovic zu oft „Männer“ von Herbert Grönemeyer gehört? Der singt: „Männer sind furchtbar stark. Männer rauchen Pfeife. Männer führen Kriege.“ Doch plötzlich stellt sich heraus: Frauen auch. Sie rauchen die Männer notfalls sogar in der Pfeife. Jedenfalls haben ganze Heerscharen gewaltbereiter Frauenrechtlerinnen den Turnierdirektor von Indian Wells inzwischen in den Ruhestand gezwungen – und Djokovic hat in Miami zwar gegen alle Männer gewonnen, aber vor einer 72-Jährigen kapituliert.

Billie Jean King heißt die männermordende Lady. Sie war in ihrem früheren Leben die Queen im Tennis und die Krönung der Weltrangliste, aber weniger wegen ihrer fulminanten Vorhand hat das „Life Magazine“ sie in die Liste der 100 wichtigsten Amerikaner des 20. Jahrhunderts aufgenommen, sondern wegen ihrer feministischen Befreiungsschläge. Vor ein paar Tagen flog sie nun extra nach Key Biscayne, um gegen Djokovic Dampf abzulassen – und die Tennisveteranen fühlten sich zurückversetzt ins Jahr 1973, als Billie Jean sich berühmt stritt mit ihrem „Battle of the Sexes“, dem Krieg der Geschlechter.

Ihr Djokovic hieß damals Bobby Riggs. Der hatte in seinen rüstigen Zeiten einmal in Wimbledon gewonnen, und nun ging er auf die 60 zu und ärgerte sich über diese rebellische Emanze, die doch tatsächlich forderte, die Höhe des Preisgelds dürfe nicht vom Geschlecht abhängig sein. Jeder tennistechnisch halbwegs begabte Hodenträger schieße dieses nassforsche Fräulein vom Platz, spöttelte er – ganz sicher aber er, Bobby Riggs. Auf T-Shirts mit der Aufschrift „Men’s Liberation“ protestierte er feindselig für die Befreiung des Mannes und pochte wie ein Wanderprediger auf die Überlegenheit der männlichen Rasse, bis Billie Jean die Faxen dicke hatte und sagte: „Okay, lass es uns klären.“

Vor dreißigtausend Neugierigen im Houston Astrodome hat sie den aufgeblasenen Waschlappen dann in drei Sätzen (6:4, 6:3, 6:3) geschwind entmannt – und noch heute beschlägt es ihr vor Rührung die Brille, wenn sie zurückblickt auf jenen unvergesslichen 20. September 1973, der den TV-Sender „ABC“ veranlasst hat zum Drehen des historisch wertvollen Doku-Dramas „When Billie beat Bobby.“

Jetzt hat es Billie auch noch Djoko besorgt. „Wenn er statt seines Sohnes eine Tochter hätte, würde er nicht so daher reden“, sagt die Resolute. Sie ist eine jener Frauen, vor denen man als Mann besser auf die andere Straßenseite wechselt, und sie erinnert in ihrer kämpferischen Art ein bisschen an Silvia Neid, die als deutsche Rekordnationalspielerin auf die Frage, was ihr zum öffentlichen Ruhm des Rekordnationalspielers Lothar Matthäus fehle, einmal giftete: „Die entscheidenden fünf Gramm“. Matthäus soll tödlich beleidigt gewesen sein ob dieser mickrigen Einschätzung seines besten Stücks.

Novak Djokovic fühlt sich jetzt aber auch nicht ganz wohl. Seit ihm Billie Jean King mit Vergeltung droht, flüchtet er sich in die politische Korrektheit und schiebt die Schuld an seiner frauenfeindlichen Attacke nachträglich der „Euphorie und dem Adrenalin“ in einer Siegeslaune in die Schuhe – so kleinlaut hat noch kein Zweimeterriese vor einer 72-Jährigen den Schwanz eingezogen.

Wieder haben wir Männer also wertvollen Boden verloren, und zu unserem Niedergang passt als vorläufiger Tiefpunkt der fragwürdige Scherz, der auf der Terrasse des Presserestaurants in Key Biscayne einen US-Kollegen anlässlich der Debatte über den Krieg der Geschlechter dieser Tage sagen ließ: „Bruce Jenner hat die Signale der Zeit erkannt.“ Der Zehnkampf-Olympiasieger von 1976 heißt seit einem Jahr Caitlyn Jenner.

Er ist jetzt Frau.