Die Gewerkschaft Verdi hat die Mitarbeiter des Bodenabfertigungsdienstes SGS am Stuttgarter Flughafen für den gesamten Freitag zum Warnstreik aufgerufen. Die Beeinträchtigungen des Flugverkehrs sind allerdings gering. Streikbedingt muss kein Flug gestrichen werden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Ein relativ kleiner Teil der Beschäftigten am Stuttgarter Flughafen wagt erneut die Kraftprobe: Am Freitagmorgen hat die Gewerkschaft Verdi die Mitarbeiter der Stuttgart Ground Services (SGS) wieder zum Warnstreik aufgerufen. Seit Beginn der Frühschicht um 3.30 Uhr lassen bis zu 70 SGS-Beschäftigte die Arbeit ruhen – am Vormittag wird der Streik bis zum Ende der Spätschicht ausgeweitet.

 

Zuständig ist die SGS für die Bodenabfertigung der meisten Airlines außer der Lufthansa – also für das Einchecken, das Boarding vor dem Abflug und den Ticketverkauf. Verdi spricht von einer Streikbeteiligung von mehr als 90 Prozent der betroffenen Mitarbeiter. Dennoch bleiben erhebliche Störungen aus, weil der Arbeitgeber diesmal mit Ersatzpersonal die Streikfolgen abfangen kann. Kein Flug müsse wegen des Ausstands gestrichen werden, sagt eine Flughafensprecherin. „Auch die Verspätungen halten sich sehr in Grenzen.“ Der Flughafen empfiehlt Passagieren dennoch, etwas mehr Zeit einzuplanen, online einzuchecken und sich möglichst auf Handgepäck zu beschränken. Informationen seien auf der Website www.stuttgart-airport.com sowie bei Twitter (@str_flughafen) erhältlich.

Es entsteht in jedem Fall wirtschaftlicher Schaden

Der Flughafen habe die Lage „leidlich im Griff“, sagt ein Verdi-Sprecher. Es gebe zwar Verzögerungen von bis zu einer Stunde in der Abfertigung, die in Lautsprecherdurchsagen mit dem Streik begründet würden, doch seien die Folgen „nicht dramatisch“. Gleichwohl zeigt er sich zufrieden, weil der Flughafen nun Ersatzleute aufbiete, die nach dem besseren Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt würden. Insofern verursache der Streik in jedem Fall einen wirtschaftlichen Schaden. Verdi-Verhandlungsführerin Katharina Wesenick dreht mit den Streikenden eine kleine Runde in Terminal 3 und weist die eher erstaunt blickenden Reisenden in den Warteschlangen per Lautsprecher auf den Tarifkonflikt hin.

Mitgliederbefragung bringt Votum fürs Weiterkämpfen

Vorangegangen war eine Befragung der Verdi-Mitglieder zum jüngsten Arbeitgeberangebot vom vorigen Mittwoch. Demnach hat sich eine klare Mehrheit gegen eine Annahme der Offerte und für eine Fortführung des Konflikts ausgesprochen. Vor der nächsten Verhandlungsrunde am kommenden Mittwoch wird nun der Druck auf die Arbeitgeber verstärkt. Verdi-Landesfachbereichsleiter Andreas Schackert nennt die Signale aus der Belegschaft „eindeutig“ – diese seien „bereit, für eine existenzsichernde Bezahlung zu kämpfen“. Ein Sprecher des Flughafens widersprach: „Bei den Gesprächen am Mittwoch hat die Arbeitgeberseite ein gutes Angebot vorgelegt und ist den Forderungen der Gewerkschaft noch einmal deutlich entgegengekommen“, sagt er. „Deshalb haben wir keinerlei Verständnis, dass der Tarifkonflikt heute erneut auf dem Rücken der Passagiere ausgetragen wird.“

Schon am 8. Februar hatte es einen ganztägigen Warnstreik gegeben, der zu 15 innerdeutschen Flugausfällen und massiven Verzögerungen geführt hatte, dies allerdings in Kombination mit Streiks der Bodenverkehrsdienste an den Flughäfen in Berlin und Hamburg. Seither hält die SGS-Mutter Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) nach Verdi-Angaben Fremdpersonal „in erheblichem Umfang“ in Bereitschaft, um weitere Streiks zu „unterlaufen“. Dabei würden „gesetzlich vorgeschriebene Rechte der Betriebsräte“ der SGS sowie der das Personal abgebenden Unternehmen „missachtet“, moniert die Gewerkschaft. „Wir als Flughafenbetreiber sind in der Pflicht, alles dafür zu tun, um die Auswirkungen für Fluggäste so gering wie möglich zu halten“, kontert die Geschäftsführung.

Auch das Land und die Stadt Stuttgart im Visier

Am Pranger der Arbeitnehmervertreter stehen aber auch die Haupteigentümer der Flughafen-Tochtergesellschaft SGS: die Landesregierung und die Stadt Stuttgart. Sie stünden mit in der Verantwortung für anständige Arbeitsbedingungen am Stuttgarter Airport, beklagt Wesenick. Dies machen die Streikenden mit einer Protestaktion deutlich, indem sie kurz nach acht Uhr im Bus zum Stuttgarter Rathaus und dem Staatsministerium fahren. Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) nimmt ein Schreiben mit den Forderungen entgegen.

Verdi will für die gut 300 Beschäftigten in der Passagierabfertigung, die zu 40 Prozent befristet tätig sind, unter anderem Lohnzuwächse von zwei Euro pro Stunde durchsetzen. Begründet wird dies mit einem Einkommensniveau knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn, denn die meisten Beschäftigten würden zwischen 9,20 und 11,52 Euro pro Stunde verdienen. In der dritten Verhandlungsrunde am Mittwoch hatten die Arbeitgeber einen Aufschlag von 55 Cent in allen Entgeltgruppen für 2017 und eine prozentuale Erhöhung für 2018 angeboten, die laut Verdi in der untersten Entgeltgruppe 31 Cent ausmacht. Laut Verdi brächte dies für das Gros der Beschäftigten jeweils 60 bis 70 Euro mehr im Monat. Zusätzlich wurde eine einmalige Gewinnbeteiligung von 700 Euro für dieses Jahr in Aussicht gestellt.

Urabstimmungen bei Bodenverkehrsdiensten in Berlin

Bundesweit strebt Verdi einen Branchen-Tarifvertrag an. Diese Forderung scheint auf Arbeitgeberseite mittlerweile Wirkung zu hinterlassen. Dennoch drohen an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld nun sogar Streiks der gesamten Bodenverkehrsdienste. In einer Urabstimmung sprachen sich fast 99 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für den Arbeitskampf aus, wie Verdi mitteilt. Am Dienstag will die Verdi-Tarifkommission über die Strategie beraten. Demzufolge könnte es nun massive Behinderungen während der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) geben, die am Mittwoch beginnt. Die Arbeitgeber hätten es in der Hand, den Streik zu stoppen, so die Gewerkschaft.

Zuvor waren die Tarifverhandlungen für rund 2000 Beschäftigte geplatzt, weil sich das Forum der Bodenverkehrsdienstleister Berlin-Brandenburg und Verdi in fünf Runden nicht auf einen Kompromiss einigten. In Berlin fordert Verdi einen Euro mehr pro Stunde. Zwei Warnstreiks hatten in den vergangenen Wochen den Ausfall von Hunderten Flügen verursacht.