Sie isst gerne, trinkt gerne und lacht gerne. Und sie spricht gern über das kulinarische Erbe ihrer Urgroßmutter und die Folgen von „Eat, Pray, Love“. Sasha Verna ist ihr in New York begegnet.

New York - Toby, ich muss noch den Champagner von gestern Abend bezahlen“, ruft Elizabeth Gilbert dem Kellner zu, kaum hat sie das Restaurant des National Hotel betreten. Liz, wie die Autorin des Weltbestsellers „Eat, Pray, Love“ hier alle nennen, wird von der gesamten Belegschaft fröhlich begrüßt. Am Abend zuvor fand an der Bar des liebevoll restaurierten Gasthauses das monatliche Frauentreffen von Frenchtown in New Jersey statt. Als eine ihrer Freundinnen gegen Mitternacht ihre Verlobung bekanntgab, bestellte Elizabeth Gilbert für alle Champagner – allerdings ohne daran zu denken, dass sie keinen Dollar mehr in der Tasche hatte.

 

Auch das Lachen der 43-Jährigen ist ein bisschen wie Champagner: Es sprudelt bei jeder Gelegenheit aus ihr heraus, ob sie nun über sich selber spricht oder über ihre Urgroßmutter Margaret Yardley-Potter alias Gima, deren Koch- und Hausbuch sie vor Kurzem unter dem Titel „Daheim am Herd“ herausgebracht hat. „Gima würde das Exotischste wollen, das sie finden könnte“, sagt Elizabeth Gilbert, während sie die Karte studiert. „Das Kheema Chili . . . Lotusfrüchte mit frittiertem Cashew-Paneer . . . hmm . . . klingt auch interessant, das ist neu auf der Karte.“ Der Besitzer des Restaurants stamme aus Goa, erklärt Elisabeth Gilbert, und seine Frau sei Chilenin und mache die besten Empanadas weit und breit. Weit und breit heißt: in der Provinz von New Jersey. Frenchtown ist ein Bilderbuchstädtchen mit alternativem Flair – Yoga-Studios, Bio-Bäckereien, Antiquitätenläden. Hier wohnen Gilbert und ihr Mann José Nunes, der „Brasilianer“ aus „Eat, Pray, Love“, schon seit 2007 – wenn sie nicht gerade die Märkte Asiens nach Kunsthandwerk für ihr Geschäft „Two Buttons“ durchforsten.

Nach dem Film sind die Fans nach Frenchtown gepilgert

Besonders nach der Verfilmung ihres Selbstsuche-Hits mit Julia Roberts seien oft übereifrige Fans nach Frenchtown gepilgert, die ihr unbedingt ihr Herz ausschütten wollten, erzählt Elizabeth Gilbert. Die schickten ihre Nachbarn dann einfach in den nächsten Ort. Sie selber empfand es geradezu als Erlösung, in „Two Buttons“ Räucherstäbchenhalter aus Bangladesch mit Preisschildern zu versehen und als kreuznormale Verkäuferin durchzugehen: „Es tat so gut, von den Leuten mal nicht nach Gott gefragt zu werden, sondern einfach danach, ob ihnen ein roter oder ein blauer Schal besser steht.“

Elizabeth Gilbert hat sich für das Kheema Chili entschieden – „weil es sich auf Gima reimt“. Gima ist Gilberts neue Liebe. Da war sie quer über den Globus gereist, um sich selber und das Glück zu finden, und stieß ausgerechnet daheim beim Ausmisten des Speichers auf eine Seelenverwandte. Genauer: auf das vergilbte Exemplar eines Kochbuchs voller Leben, Witz und Anekdoten, das ihre Urgroßmutter 1947 veröffentlicht hatte.

Bei der Erinnerung Gänsehaut

Allein bei der Erinnerung an den Moment, in dem sie das Buch aufschlug und zu lesen anfing, bekommt Gilbert noch eine Gänsehaut: „Ich erkannte in Gimas meine eigene Stimme wieder“, sagt sie und streckt theatralisch den zarten Unterarm vor, auf dem sich tatsächlich die feinen blonden Härchen sträuben. „Endlich wusste ich, woher meine Neugier stammt und meine Freude an der Sprache und an Geschichten“. Dabei erläutert Frau Yardley Potter, wie man eine klumpenlose weiße Sauce hinkriegt und mit drei Eiern im Kühlschrank ein Festmahl zubereitet – freilich so köstlich fabuliert und so raffiniert autobiografisch gewürzt, dass auch kulinarisch völlig Desinteressierten das Wasser im Mund zusammenläuft.

Inzwischen hat Toby das Essen serviert. Elizabeth Gilbert bedankt sich überschwänglich und gleicht einer quirligen Frau Holle, die ihre ganze Umgebung statt mit Goldmünzen mit ihrer Freundlichkeit beglückt. Friede-Freude-Eierkuchen scheint ihr Motto zu sein. Wie Gima, die eine glänzende Gastgeberin war, weiß Elizabeth Gilbert um die Bedeutung der Eierkuchen. Sie liebt zwanglose Festivitäten.

Schwertransport als Stadtteilfest

Eine Party à la Gilbert kann mit einem sechs Tonnen schweren Marmor-Buddha beginnen. Als Gilbert und ihr Mann mit „Two Buttons“ ein neues Gebäude bezogen, musste solch ein Steinheiliger transportiert werden – dafür wurden dann sämtliche Straßen abgesperrt. „Also veranstalteten wir einen Buddha-Umzug, an dem spontan ganz Frenchtown teilnahm, mit Trommeln und Blumen und Gesang!“ Gilbert kichert wie ein Schulmädchen nach einem gelungenen Streich: „Am Ende der Parade empfingen wir alle mit einem gigantischen brasilianischen Barbecue, bei dem wir siebenhundert Leute verpflegten.“

Dieser Tage ist Elizabeth Gilbert besonders guter Laune. Vor Kurzem hat sie ihren zweiten Roman abgeschlossen, eine epische Familiengeschichte über den Heilmittelhandel im vorletzten Jahrhundert. Sie habe es enorm genossen, endlich wieder über frei erfundene Figuren zu schreiben anstatt über sich selber, sagt sie. Die Recherchen für das Buch führten sie bis nach Französisch-Polynesien. Gima hätte sie gerne mit dabeigehabt.

Deren Forschungsreisen beschränkten sich nämlich auf die Immigrantenviertel Philadelphias. So marschierte Gima einmal hochschwanger und ganz allein in einen italienischen Laden und entdeckte zu ihrem Entzücken „einen warmen, bräunlich-roten Kuchen“: Pizza, 1918. Dass ihre Urenkelin Elizabeth fast ein Jahrhundert später mit einer Pizza-Szene weltberühmt werden würde, das konnte sie natürlich nicht ahnen.

Aber man wird bei Elizabeth Gilberts nächstem Besuch in der Pizzeria Da Michele in Neapel auch für Gima den roten Teppich ausrollen. Vorausgesetzt, die „Eat, Pray, Love“-Touristen treten zur Seite. „Dafür werde ich sorgen“, versichert Elizabeth Gilbert und lässt sich den letzten Bissen ihres Kheema Chili schmecken.