Exklusiv Für viele Fernsehzuschauer ist sie Bella Block und nichts anderes. Dagegen geht Hannelore Hoger schon seit einiger Zeit an: mit wachsendem Erfolg. Die StZ-Autorin Katja Bauer hat die Schauspielerin getroffen.

Hamburg - Wenn man einen schwierigen Einstieg für ein Gespräch mit Hannelore Hoger wählen will, dann fängt man mit dem Thema Alter an. Die Schauspielerin schnaubt tonlos bei diesem Wort, die Augenbrauen heben sich, die Mundpartie zeigt Ungeduld. Die Stimmung in dem kleinen, maritimen holzvertäfelten Hafenzimmer im Hamburger Hotel Atlantik ist in null Komma nichts im Keller.

 

„Warum muss man eine Schauspielerin ununterbrochen nach dem Alter fragen? Es scheint das Interessanteste an einem Menschen zu sein, man sieht doch, wie alt ein Mensch ist.“ Da ist er, dieser wohlbekannte, über die Welt empörte Bella-Block-Ton, und fast fühlt man sich wie Jan Martensen, der Assistent von Deutschlands dienstältester Fernsehkommissarin, und möchte am liebsten erst mal für eine Weile mit eingezogenem Kopf in der Gerichtsmedizin verschwinden.

Dabei ging es doch gar nicht um das Alter der Schauspielerin, das kann man ja sowieso nachlesen (71), sondern um das Altwerden – okay, darüber will Hannelore Hoger dann auch reden. Denn genau das ist das Thema ihres neuen Spielfilms „Nichts für Feiglinge“, den sie als Diskussionsbeitrag zu diesem Thema versteht.

Sie spielt eine alte Dame an der Schwelle zur Demenz

Hoger spielt Lisbeth, eine allein lebende alte Dame, fein, gebildet, humorvoll, kratzbürstig – und zu Beginn des Films an der Schwelle zur Demenz. Nicht brachial, aber schonungslos zeigt der Film den fortschreitenden geistigen Verfall eines Menschen, spielt Hannelore Hoger die Entpersönlichung, die ihre Figur mit dem Verlust ihres Gedächtnisses erleidet – und den Schmerz und die Scham, wenn Lisbeth diesen Verlust immer wieder realisiert.

Hannelore Hoger spricht sehr offen über ihre persönlichen Erfahrungen mit Demenz, dem gesellschaftlichen Tabu im Umgang mit der Krankheit will sie sich nicht beugen. „Meine Mutter war dement, im hohen Alter.“ Die Unwissenheit in der Gesellschaft sei groß, sagt Hoger. Viele Leute könnten nicht damit umgehen, wenn sich die eigenen Eltern veränderten.

Sie musste ihre Mutter, die rund um die Uhr betreuungsbedürftig war, am Ende in ein Heim geben – eine Entscheidung, die ihr bis heute zu schaffen macht. „Ich würde es nicht wieder tun. Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es versuchen.“ Bis zuletzt würde sie probieren, Betreuung ins Haus zu holen, sagt Hoger. Für berufstätige Menschen wie sie war diese Aufgabe seinerzeit nicht lösbar.

Die Darstellerin hat in ihrem wirklichen Leben traurige Einblicke in Betreuungseinrichtungen gewonnen: „In den meisten Heimen gibt es zu wenig Personal und oft zu wenig geschultes Personal“, sagt sie. „Hinzu kommt meistens die schlechte Bezahlung. Natürlich ist das Personal in Pflegeheimen auch überfordert.“

Was tun? Hannelore Hoger blickt nach draußen gen Außenalster und sagt in diesem kühlen, sehr realistisch klingenden Hamburger Ton: „Das wird ein ganz großes Problem in unserer Gesellschaft werden.“

Ein Heim, wie es sich jeder wünschen würde

Ihre Filmfigur Lisbeth landet nach schrecklichen, entwürdigenden Erfahrungen am Ende der Geschichte in einem Heim, wie sich jeder das wünschen würde – ein Gutshaus auf dem Land, freundliche, teils wunderliche Senioren im Kaschmirjäckchen. Gegen den Verlust der Erinnerung, gegen diese bittere Erfahrung ist trotzdem nichts auszurichten. „Nichts für Feiglinge“ ist eines der Projekte, mit denen Hoger in Zukunft wieder verstärkt andere darstellerische Seiten von sich zeigt. 200 Rollen hat Hannelore Hoger in den Jahrzehnten ihrer Schauspielkarriere am Theater und im TV gespielt. Aber der große Erfolg von Bella Block, die seit 1993 in mehr als 30 Episoden ermittelte, birgt als Nebenwirkung den Wahrnehmungsfluch: immer dichter ist die Darstellerin im Lauf der Jahre mit ihrer Figur verwachsen, mit dieser raubauzigen Einzelgängerin, die immer nur die Scherben irgendwelcher Leben aufsammeln kann, weil sie nur dann auf die Leinwand tritt, wenn die Katastrophe sich bereits ereignet hat. Zu Hause im Wohnzimmer der anderen ist Hannelore Hoger jene Bella mit der rauchigen Stimme, die manchmal vor lauter Zorn auf die Gesellschaft zu zerspringen droht.

„Ich habe immer viel gearbeitet“

Den langsamen Abschied von Bella Block hat Hannelore Hoger schon vor Monaten verkündet. Sie will ein wenig mehr Freiheit, mal was anderes machen – weniger arbeiten. Sie freue sich darauf, sagt Hoger, lehnt sich im Stuhl zurück, fährt sich durch die Haare und grinst schelmisch: „Ich langweile mich nicht so leicht. Ich kann gar nicht nichts tun.“ Sie freut sich über die Vorstellung, nicht mehr so viel und andere Dinge zu tun, die ihr genauso viel Spaß machen.

„Ich hab viel gearbeitet und war immer sehr angestrengt“, sagt Hoger, die sich nach der Geburt ihrer Tochter Nina mit 19 als alleinerziehende Mutter von Engagement zu Engagement arbeitete. „Ich hatte keine Wahl. Ich hatte keinen Millionär. Geschenkt wurde mir nichts.“ Einfach war es erst mal nicht. Die junge Schauspielerin hatte ihr erstes Engagement in Ulm Anfang der Sechziger, ledige Mütter waren gesellschaftlich nicht am oberen Ende der Skala, auch nicht im Theater. Die Tochter Nina lebte bei den Großeltern in Hamburg. Das bedeutete Fahrten durch die Republik zu jeder Tages- und Nachtzeit. Hoger hat sich durchgebissen, mit viel Liebe zu ihrem Beruf, in dem sie früh viel Ermutigung erfuhr.

Für die Mutter in ihr war das manchmal schmerzlich: „Ich war durch meine Arbeit oft nicht da, habe aber immer versucht, so viel Zeit wie möglich mit meinem Kind zu verbringen, wie eben viele Väter. Ich war beides zusammen.“ Ihrer Filmfigur Lisbeth stellt sich irgendwann die Frage nach dem schönsten Moment ihres Lebens. Hannelore Hoger antwortet auf diese Frage rasch und entschlossen: „Ich würde schon sagen, der bedeutendste Moment war wirklich, als ich nach der Geburt mein Kind im Arm hielt. Da lag sie, mit ihren langen, dunklen Haaren.“

TV-Tipp
Am Freitag, 10. Januar, um 20.15 Uhr zeigt das Erste den neuen Film „Nichts für Feiglinge“ mit Hannelore Hoger. Regie führt Michael Rowitz, in weiteren Rollen sind Frederick Lau und Anna Brüggemann zu sehen.