Mit Gras, Rosen oder Graffiti bedeckt: Acht ungewöhnliche Särge werden derzeit im Haus der Wirtschaft gezeigt. Stuttgarter haben sie selbst gestaltet – das Motto: „Ende gut, alles gut“.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Dagmar Brüssau setzt sich auf ihren Sarg, schlägt lässig die Beine übereinander, als ob es das normalste der Welt wäre. „Für mich ist das ein Möbelstück“, sagt die Marketingfachfrau. Sie hat den ungewöhnlichen Sarg selbst entworfen: eine schwarze, rechteckige Truhe auf Rollen mit einem Graffito besprüht. Normalerweise steht der Sarg bei ihr im Arbeitszimmer, aber bis zum 25. November ist er im Haus der Wirtschaft zu sehen.

 

Acht von Stuttgartern gestaltete Särge werden in der Ausstellung „Ende gut, alles gut“ im Erdgeschoss präsentiert – vorbereitend auf die Messe „Lebenswende für Tod, Trauer und Neubeginn“, die am 23. November startet.

Kein Sarg gleicht dem anderen: Einer ist mit Gras bewachsen, ein anderer hängt an mit Rosen verzierten Gurten. Sogar ein überdimensioniertes Vogelnest ist darunter. „Der Tod ist so wie das Leben – gnädiger, wenn man ihm mit einem Lächeln begegnet“, dieser Spruch passe sehr gut zu der Ausstellung, meint die Bestatterin und Theologin Andrea Maria Haller.

Das Bestattungshaus Haller hatte ausgehend von der Langen Nacht der Museen die Idee mit der individuellen Sarggestaltung und zu diesem Anlass die Särge schon in seinem Abschiedshaus gezeigt. „Wir haben die Gestalter zuvor das Jahr über alle zwei Monate getroffen und begleitet, das hat uns alle sehr verbunden“, berichtet Andrea Maria Haller. Sie hat selbst eines der Ausstellungsstücke gestaltet: einen mit Filz ummantelten Sarg. „Wie geht es Euch? Wie erlebt Ihr die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod, und wie reagiert Eure Umwelt?“, diese Fragen hätten sie bei gemeinsamen Abendessen besprochen.

Viele Menschen verdrängten das Thema Tod und Sterben, sagt Dagmar Brüssau. „Dabei lebt man besser, wenn man sich damit auseinander setzt“, sagt sie. Sie habe mit ihrem Mann bereits besprochen, wie sie sich verabschieden will. Es sei „unfair“, die Hinterbliebenen damit allein zu lassen.

Teilweise seien die Leute irritiert gewesen, als sie gehört hätten, dass sie ihren eigenen Sarg entwirft, erzählt Sabine Kuster, die das Vogelnest gestaltet hat. Warum sie das mache, ob sie etwa sterben wolle, sei sie gefragt worden. Sie selbst ist sehr früh mit dem Thema konfrontiert gewesen – als sie 17 Jahre alt war, starb ihr Bruder an Krebs. „So etwas begleitet einen ein Leben lang“, sagt die Kauffrau. Sie habe sehr viel mitgenommen in dem Projekt.

In das Vogelnest hat Sabine Kuster viel Mühe investiert. Fertig werden musste es vor der Langen Nacht der Museen 2012. „Schade, er war einmal sehr grün, aber es war klar, dass er nicht auf mich wartet“, sagt die 48-Jährige, als sie am Samstag ihren Sarg wieder sieht. Er lagerte beim Bestattungshaus Haller. Das Vogelnest soll nach der Ausstellung bald bestattet werden. Es ist zu vergänglich, als dass es weiter aufbewahrt werden könnte.

Alexander Fluhr, er ist Künstler und Bestatter bei Haller, wird dagegen noch viel Zeit mit seinem Sarg verbringen. Für ihn ist die Aktion zum Lebensprojekt geworden: Sein Sarg ist in 102 Flächen aufgeteilt, ein Teil ist bemalt. 102 Lebensjahre seien sein Ziel, erklärt Fluhr. „Einmal im Jahr gehe ich an den Sarg und male eine Fläche zu“, berichtet er. Hinter der Holzkiste hat der 52-Jährige Kartons gestapelt, auf denen sich die gleichen Farben wie auf dem Sarg finden. In jedem Karton liegt mindestens ein Objekt aus dem Jahr: darunter sogar die Hochzeitsurkunde. Wenn er sterbe, sollen Sarg und Schachteln so aufgebaut werden wie in der Ausstellung. In die letzte Schachtel, die keine Farbe bekommt, soll anschließend seine Asche eingefüllt werden. „Ich will mir das als Kunstwerk zertifizieren lassen, dann gilt Kunstrecht“, erklärt Fluhr, wie er das Bestattungsrecht aushebeln will.