Beleidigungen können teuer werden, besonders bei geöffnetem Autofenster. Bleiben Sie cool auch bei hohen Temperaturen. Falls das Temperament doch überkocht, hier einige Tipps.

Stuttgart - Der Sommer ist heiß und die Stimmung wird da gerne hitzig. Beleidigungen können teuer werden, besonders bei geöffnetem Autofenster. Bleiben Sie cool auch bei hohen Temperaturen. Falls das Temperament doch überkocht, hier einige Tipps.

 

Ohne Anzeige keine Strafe

Wer möchte kann den ganzen Tag lang Menschen beleidigen. Ohne eine Strafanzeige passiert überhaupt nichts. Niemand wird mit einem EC-Kartenlesegerät an Ihr Autofenster treten. Der Beleidigung liegen strafrechtliche Prozesse zugrunde: Jemand fühlt sich beleidigt und bringt das zur Anzeige. Die Polizei prüft die Angaben, lässt den Kontrahenten Stellung nehmen und leitet das an die Staatsanwaltschaft weiter. Dann erst geht der Schlamassel los.

Ein Großteil der verhandelbaren Vergehen wird allerdings als Bagatelle veranschlagt, als geringfügige Straftat. Das Bundesverfassungsgericht hat 1979 diese Lockerung des Strafverfolgungszwangs beschlossen, damit deutsche Gerichte auch noch Zeit finden, dringlichere Angelegenheiten zu bearbeiten. Sollte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellen, bleibt aber die Möglichkeit einer Privatklage.

Allgemeine Unhöflichkeit reicht nicht

Die Beleidigung ist juristisch die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung einer anderen Person. Allgemeine Unhöflichkeit, Distanzlosigkeit oder Persönlichkeitsverletzung sind nicht automatisch Beleidigungen im juristischen Sinne. Deren Kern liegt in der „ausgedrückten Missachtung eines Charakters“, nicht zum Beispiel in geäußerter Kritik an einer Handlung oder Maßnahme.

Als der Pop-Produzent Dieter Bohlen 2005 einen Polizisten duzte, wurde das lediglich als „Unhöflichkeit ohne ehrverletzenden Inhalt“ bewertet, da das Duzen augenscheinlich zu Bohlens, so das Gericht, „normalen Umgangsformen“ gehöre und somit nicht darauf abzielte, den Beamten in seiner Ehre zu verletzen.

Geldstrafe liegt der Verdienst zugrunde

Die auf zahlreichen Internetseiten bereitgestellten Informationen zum sogenannten Bußgeldkatalog können in die Irre führen, meist sind sie komplett falsch. Tatsächlich werden im Falle von Beleidigungen oder rustikalen Gesten die Geldstrafen nicht pauschal veranschlagt, sondern in Tagessätzen berechnet. Ein Tagessatz entspricht grob einem Dreißigstel des Nettomonatseinkommens eines mutmaßlichen Rüpels. Nebeneinkünfte werden eingerechnet, Kindergeld oder Unterhaltszahlungen abgezogen. Zumindest da lässt sich kaum über mangelnde soziale Gerechtigkeit streiten.

Würde Elon Musk jemanden ein „Arschloch“ nennen, müsste er einen höheren Betrag entrichten als eines mit geringerem Einkommen. Gute Nachrichten für Spitzenverdiener: laut Gesetz ist ein Tagessatz nach oben hin auf 30 000 Euro beschränkt. Die Anzahl der veranschlagten Tagessätze wird an der Schwere der Schuld bemessen, ähnlich wie in anderen Strafsachen mal sechs Monate oder vier Jahre Haft verhängt werden.

Der internationale Autofahrergruß

Der auch als „internationaler Autofahrergruß“ bekannte gereckte Mittelfinger, bei ansonsten geballter Faust, wird in den seltensten Fällen als Kompliment gedeutet. Wird „der Finger“ mit Nötigung, verbalen Entgleisungen, Drohungen angereichert, setzt es mehr Tagessätze, als bei jemandem, dessen Finger als Solist juristisch auffällig wird.

Interessant: Wer einer Überwachungskamera den Stinkefinger zeigt, beleidigt offiziell nicht das Gerät, sondern die Menschen dahinter. Das Oberlandesgericht Bayern verurteilte deshalb im Jahr 2000 einen Autofahrer zu 30 Tagessätzen. Laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wurden im Jahr 2014 rund 225 000 solcher Beleidigungen von der Polizei registriert, 31 000 landeten vor Gericht – und drei von vier Beklagten wurden tatsächlich verurteilt.

Ohne Zeugen hat’s der Gegner schwer

Juristisch zu beweisen, ob es überhaupt zu einer Beleidigung kam, ist gar nicht so einfach, besonders wenn Aussage gegen Aussage steht und der Beklagte darauf beharrt, beispielsweise nicht den Mittelfinger, sondern den Zeigefinger erhoben zu haben. „Nahe Angehörige sind nicht unbedingt ein beweiskräftiges Mittel. Wenn keine weiteren objektiven Beweismittel, wie etwa neutrale Zeugen, vorhanden sind, wird das in der Regel zu keinem Ergebnis kommen“, sagt Amely Schweizer, Rechtsanwältin für Strafrecht in Kornwestheim.

Neutrale Schimpfwörter nutzen

Die Annahme, der Straßenverkehr werde flüssiger, wenn man mehrmals hintereinander hupt und laut „A*loch!“ aus dem Fenster brüllt, entspringt der gleichen wissenschaftlichen Lehre, die meint, dass sich die Grünphase einer Fußgängerampel durch wildes Hämmern auf den Druckknopf schneller herbeiführen lasse. Wer überkocht wie ein Topf voll Nudeln, sollte möglicherweise beleidigende Kraftausdrücke ersetzen – durch ungeliebte Promis, Filme oder Handlungen zum Beispiel: Brüllen Sie also zum Druckausgleich „Seehofer!“, „Tatort aus Münster!“ oder „Sockensortieren!“ aus dem Autofenster.

Charme schadet nicht

Sollte der Verkehrsteilnehmer vor Ihnen die Grünphase verschlafen, fragen Sie freundlich: „Na, war wieder nicht die richtige Farbe für Sie dabei?“. Ebenso könnte es sich anbieten, in hitzigen Momenten einfühlsam nachzufragen. Ein mit ruhiger Stimme vorgetragenes „Verzeihung, sind Sie betrunken?“ klingt freundlich, fast fürsorglich und lässt den Gegenüber dennoch Ihr Anliegen erkennen.