Schlechte Filme, Frauengeschichten, Alkoholentzug: Ben Affleck war einmal Hollywoods Lachnummer. Jetzt ist alles anders. J-Los einstiger „Toy Boy“ lässt inzwischen sogar Steven Spielberg alt aussehen.

Nachrichtenzentrale: Nadia Köhler (nl)

Hollywood - Es war ein Schock – nicht nur für ihn selbst, sondern auch für andere: Kathryn Bigelow, Ang Lee, Steven Spielberg, Quentin Tarantino und – es musste ein Versehen sein – Ben Affleck! Doch es war volle Absicht. Sein Name wurde bei der diesjährigen Verleihung der Golden Globes nicht nur in einem Atemzug mit den ganz großen Regisseuren genannt. Nein, Ben Affleck wurde von Halle Berry tatsächlich auf die Bühne gerufen, um sich die Trophäe abzuholen. Ausgerechnet Affleck, der Typ, der einst dadurch auffiel, dass er im Jennifer-Lopez-Video „Jenny from the Block“ auf einer Jacht das viel begehrte Hinterteil der Latino-Popsängerin tätschelt, um ihr schließlich mit einem Ruck das pinkfarbene Bikinioberteil aufzuschnüren, ließ Steven Spielberg an diesem Abend alt aussehen. Wie konnte das passieren?

 

Für Kinoexperten kam diese Auszeichnung nicht so überraschend wie für unbedarfte Leser von Klatschmagazinen. Genau wie seine beiden ersten Regiearbeiten („Gone Baby gone“ und „The Town“) fand Afflecks jüngster Film „Argo“, ein politischer CIA-Thriller, der Ende der siebziger Jahre in Teheran spielt, durchweg gute Kritiken. Vom nächsten Clint Eastwood war die Rede, und Afflecks „Argo“ wurde in der Kategorie „Bester Film“ für den Oscar nominiert. Eine Nominierung als „Bester Regisseur“ aber blieb dem 40-Jährigen verwehrt.

Ach ja, einen Oscar hat er schon

Einen Oscar hat Ben Affleck schon. Das vergisst man, wenn man sich seine – auf den ersten Blick – von schlechten Blockbustern geprägte Filmografie anschaut. 25 Jahre war er alt, als er 1998 zusammen mit seinem Kindheitsfreund Matt Damon für das Drehbuch zu „Good will hunting“ mit der goldenen Statue ausgezeichnet wurde – ein Drama um einen hochbegabten, aber sozial völlig verkümmerten Jungen. Wer sich die Bilder der damaligen Oscargala anschaut, der sieht zwei aufgekratzte, fast schon aufgelöste unglamouröse Jungs, die mit ihren Müttern in der ersten Reihe sitzen.

Der Oscar war für die Jungschauspieler, die sich bisher vor allem mit Independent-Produktionen über Wasser gehalten hatten, der Durchbruch in Hollywood. Cleverer Schachzug der beiden: sie verkauften ihr Drehbuch nur unter der Bedingung, dass sie selbst in „Good will hunting“ mitspielen durften.

Kinoflops, Frauen, Alkohol

Danach waren beide gefragte Akteure. Wobei Damon mehr Geschick bei der Auswahl seiner Filme bewies als Affleck. Damon wurde „Der talentierte Mr. Ripley“ und der gejagte CIA-Killer Jason Bourne. Affleck ließ sich in „Shakespeare in Love“ (1998) von Joseph Fiennes die Show stehlen, durfte in „Armageddon“ (1998) nur unter Aufsicht von Bruce Willis die Welt vor Asteroiden retten und wurde in „Pearl Habor“ (2001) von der Kritik zerrissen. 2001 unterzog sich Affleck einem Alkoholentzug. Aufsehen erregte Affleck, der in seinen Rollen stets ein wenig spröde und hölzern wirkte, eher durch die Auswahl seiner Partnerinnen als durch seine Schauspielkunst. Auf Gwyneth Paltrow folgte Jennifer Lopez, der er 2002 einen Verlobungsring für 3,5 Millionen Dollar an den Finger steckte.

„Bennifer“ nannte die Klatschpresse das vermeintliche Traumpaar und machte die beiden zu ihrem liebsten Lästerobjekt. Aus Ben Affleck war in Teilen der öffentlichen Wahrnehmung zu JLos „Toy Boy“ geworden. Der Oscargewinner avancierte zur Lachnummer. Er selbst befeuerte dieses Image durch den erwähnten Videoauftritt und durch zwei Filme, die er mit ihr drehte. Einer heißt „Gigli“ und wurde 2004 mit sechs Goldenen Himbeeren – ein Preis für besonders schlechte Leistungen – bedacht.

Von Damon bis DiCaprio: die großen Filme drehten andere

Ben Affleck war abgestürzt. „Ich schaffe es, Klatschmagazine zu verkaufen, aber nicht mehr meine Filme“, gestand er Matt Damon. Rückblickend scheint es, als wäre für Affleck, der in Boston in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs mit einem arbeitslosen, trinkenden Vater und einer später alleinerziehenden Mutter, die Eroberung Hollywoods eine Nummer zu groß gewesen. Er selbst bestätigte dies eindrücklich in einem Interview: „Hollywood ist die Weltmetropole der Ambitionen. Und egal, was man dort erreicht, es scheint nie genug zu sein. Es muss immer noch höher, weiter und schneller gehen. Am Anfang seiner Karriere stellt man sich vor, man wäre glücklich, wenn man reich, berühmt und mit einer sogenannten Traumfrau zusammen wäre. Leider ist nichts davon wahr.“

Nach 2004 verschwand Affleck von der Kinoleinwand. Die großen Polit- und Actionthriller drehten andere: sein Freund Damon, Leonardo DiCaprio und natürlich George Clooney. Und was machte Affleck? Das, was sein Leben eigenen Aussagen zufolge ,„in die richtige Richtung gerüttelt hat“: Er gründete ein Familie. 2005 heiratete er Jennifer Garner, die er aus „Daredevil“ kannte, und wenig später kam die erste Tochter zu Welt. Heute haben die beiden drei Kinder, und Affleck sagt das, was sonst nur Frauen sagen: „Die Arbeit steht für mich nur noch an zweiter Stelle. Interessanterweise kann ich dadurch aber viel besser und konzentrierter arbeiten.“ Garner verzichtete auf ihre Ambitionen und half Affleck so, seine Karriere wieder unter Kontrolle zu bringen. Der Schauspieler tat das, was schon bei „Good Will hunting“ gut funktioniert hatte: Er fing an, sich seine Rollen selbst auf den Leib zu schneidern.

Endlich hat er sein Potenzial entdeckt

Von Ben Afflecks politischer Seite kannte die Öffentlichkeit nicht allzu viel. Dass er als Amerikaner Politik des Mittleren Ostens studiert hat, interessierte vor „Argo“ kaum jemanden. Doch wer Afflecks Engagement für das UN-Flüchtlingswerk im Kongo verfolgt hat, der ahnte, dass genau in diesem zurückgenommenen Weltverbesserungstrieb Afflecks größtes Potenzial schlummert. Clooney, das politische Gewissen Hollywoods, jedenfalls scheint das erkannt zu haben. Denn obwohl er sich die Rechte am Drehbuch für „Argo“ gesichert hatte, ließ er Affleck den Film machen und agierte selbst nur als Produzent. Vielleicht weil Affleck auch bei seinem zweiten Versuch, Hollywood zu erobern, eines nicht vergessen hat. „Unterhaltung ist wichtiger als politische Aussagen“, sagt der frisch gebackene Golden-Globe-Gewinner.