In Syrien ergreift alle 60 Sekunden eine Familie die Flucht. Insgesamt sind 4,5 Millionen Menschen mehr auf der Flucht als 2012. Deutschland berät, ob mehr Menschen aufgenommen werden.

Stuttgart – Bewaffnete Konflikte und andere Gewaltausbrüche haben so viele Menschen wie wahrscheinlich nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg in ihrem eigenen Land in die Flucht getrieben. 33,3 Millionen Kinder, Frauen und Männer waren dem UN-Flüchtlingshilfswerk zufolge Ende des vergangenen Jahres sogenannte Binnenflüchtlinge. Das seien 4,5 Millionen Menschen mehr als 2012 und damit ein weiterer trauriger Rekord. Der Anstieg der Binnenvertreibung setzt sich dem Bericht zufolge besonders stark durch den Bürgerkrieg in Syrien fort. Dort ergreife etwa alle 60 Sekunden eine Familie die Flucht, täglich mache der Krieg 9600 Syrer zu Vertriebenen im eigenen Land. Weit mehr als 6,5 Millionen Syrer sind derzeit Binnenflüchtlinge, weitere mehr als 2,5 Millionen Syrer sind bisher in andere Staaten geflohen.

 

Parallel dazu nimmt die illegale Zuwanderung nach Europa stark zu. In den ersten vier Monaten des Jahres wurden an den Außengrenzen der EU 42 000 Flüchtlinge aufgegriffen – mehr als dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Der Zuwachs sei drastisch, sagt Gil Arias-Fernandez, der Vizedirektor der EU-Grenzschutzagentur Frontex: „Wir vermuten, dass im Sommer sehr hohe Zahlen erreicht werden.“ Grund dafür seien Konflikte wie in Syrien und die schlechten Lebensbedingungen in vielen afrikanischen Ländern. Zudem seien die Kontrollen verstärkt worden. Die meisten illegalen Flüchtlinge gelangen mit Booten übers Mittelmeer nach Europa.

In Deutschland wird über weitere Plätze für Syrer verhandelt

In Deutschland verhandeln Bund und Länder unterdessen über weitere Plätze für Syrer. Über die genaue Zahl will man sich bis zum Treffen der Innenminister Mitte Juni verständigt haben. Ursprünglich war vereinbart, 5000 Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland aufzunehmen; das Kontingent wurde Ende 2013 verdoppelt. Inzwischen ist das erste Kontingent laut dem Bundesinnenministerium weitgehend erfüllt. Am heutigen Donnerstag wird ein Flug mit Flüchtlingen aus Syrien erwartet, dann werden 5000 von ihnen auf diesem Wege eingereist sein. Darüber hinaus haben die Länder dem Ministerium zufolge weitere 4400 Visa erteilt. Offenbar haben alle Länder außer Bayern freiwillig mehr Syrer aufgenommen als zunächst zugesagt. Die Aufnahme über das zweite Kontingent befinde sich „noch in der Anfangsphase“, so  das Bundesinnenministerium. Man sei „mit Hochdruck“ dabei, den Betroffenen den Aufenthalt hier zu ermöglichen.

Nach Baden-Württemberg sind bis Ende April über das Bundesprogramm 430 syrische Flüchtlinge eingereist. Über die insgesamt 1000 Plätze, welche die beiden Landesprogramme vorsehen, haben bisher nur 320 Menschen nach Deutschland einreisen können. Baden-Württemberg habe große Bereitschaft zur Hilfe gezeigt, betont der Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD). Weil die Visa aber nur schleppend erteilt würden, seien schon die bisherigen Programme nicht ausgeschöpft.