Bernd Eichinger ist in Los Angeles gestorben. Doch sein Herz schlug stets für das Kino in Deutschland. Ein Nachruf von StZ-Kulturchef Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)
Los Angeles - Bloß jetzt nicht die Dinge schönreden. Nur, weil aus Los Angeles eine Todesnachricht kommt, mit der wirklich niemand gerechnet hat und die den Chronisten schon deswegen leicht milde stimmt. Keine Frage, jener Bernd Eichinger, der gestern völlig überraschend im Kreis seiner Familie an einem Herzinfarkt gestorben ist, war der mit Abstand erfolgreichste deutsche Filmproduzent. Aber er war dabei weder der beliebteste noch der am meisten geschätzte. Er war bei vielen Filmkritikern, man muss es so sagen, geradezu verpönt. Er war halt "der Eichinger". Das klang nicht wirklich gut. Und so war es auch gemeint.

Wenn es allein nach den Zahlen ginge, wäre die Sache klipp und klar: Knapp 100 Millionen Menschen, so hat eine dafür zuständige staatliche Stelle mal überschlagen, haben in Kinos Filme gesehen, die Bernd Eichinger produziert hat. Das ist für deutsche Verhältnisse einmalig. Aber wer das Kino liebt, dem geht es halt nicht nur um Zahlen. Bernd Eichinger jedenfalls ist es nie allein um Zahlen gegangen. 1949 wurde er in Neuburg an der Donau geboren, 1970 bewarb er sich an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. "Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte, auf nichts Neues" lautete der Titel seines Bewerbungsfilmes. Damals hießen Filme so. Denn es war just die Zeit, da eine Garde junger, politisch engagierter Regisseure versuchte, dem deutschen Kino jenseits von Schlager-, Kriegs- und "Schulmädchenreport"-Filmen wieder zu künstlerischem Format und Ansehen zu verhelfen. Und Eichinger war mitten unter ihnen. Mittendrin im Münchner Schmelztigel der Talente, Visionäre und Aufschneider.

1974 gründete er seine erste Filmproduktionsgesellschaft: Solaris. Seine Regisseure hießen damals Wim Wenders, Edgar Reitz, Hans-Jürgen Syberberg und Alexander Kluge – alle absolut Feuilleton-kompatibel. Doch irgendwann in dieser Zeit kommt das, was Teilen des Feuilletons damals wie heute wie als Sündenfall erscheint: Bernd Eichinger beschließt, fortan nicht mehr nur gute und wichtige, sondern auch erfolgreiche Filme zu produzieren. Er will nicht nur an das anspruchsvolle, sondern an das große Publikum heran. Er kauft sich 1979 ein Viertel der angeschlagenen Verleihfirma Constantin, benennt sie um in Neue Constantin Film – und wirft 1981 die schlagzeilenträchtige Geschichte von Christiane F. auf den Bildermarkt: "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo".

Der Mann fürs Filmgrobe


Die Lebensbeichte einer jungen Frau, die in Westberlin auf den Strich geht, um eine armselige Heroinexistenz zu finanzieren, passte zwar vom Stoff her in die sozialkritisch bewegte "BRD". Aber die Art des Filmes war eben so gar nicht à la Wenders, Reitz, Kluge oder Fassbinder. Sie war à la "Stern", jenem Massenblatt, das Christiane F. als Erste entdeckt hatte. Eichingers Film war plakativ, polarisierend, in gewissem Sinn boulevardesk. Er wurde der bis dahin kommerziell erfolgreichste Film der deutschen Nachkriegszeit. Von dieser Bilanz hat sich Eichinger in vielen deutschen Feuilletonspalten nie wieder erholt.

Bernd Eichinger wurde der Mann fürs Filmgrobe. Bernd Eichinger wurde "Werner – Beinhart!", "Manta Manta" und "Ballermann 6". Bernd Eichinger wurde "Das Superweib", "Hausmeister Krause" und "Der Schuh des Manitu". Bernd Eichinger wurde der Mann für die Klatschspalten von "Bunte" und "Bild". Bernd Eichinger wurde der Mann in Smoking und Lackschuhen und mit dicker Zigarre, der den Kulturjournalisten erzählte, dass der deutsche Film nur dann eine Zukunftschance hat, wenn seine Produzenten endlich so wichtig und machtvoll werden wie in Amerika – und wenn sich die deutsche Filmförderung endlich zur Produzentenförderung mausert.