Drei Jahre nach der Eröffnung des Ionenzentrums am Uniklinikum Heidelberg geht der anspruchsvollste Teil der Anlage in Betrieb.

Stuttgart - Vor drei Jahren wurde am Universitätsklinikum Heidelberg das europaweit erste Ionenstrahl-Therapiezentrum ( HIT) eröffnet, in dem Patienten mit seltenen und schwer zugänglichen Tumoren statt auf herkömmliche Weise mit Röntgenstrahlen mit Protonen oder verschiedenen Schwerionen bestrahlt werden können. An zwei Behandlungsplätzen sind seitdem knapp 1200 Patienten behandelt worden. Nun wird der dritte und technisch aufwendigste Therapieplatz des Zentrum offiziell in Betrieb gehen: die sogenannte Gantry zur Rundumbestrahlung mit einer riesigen, drehbaren Strahlenquelle.

 

„Damit haben wir hier die komplexeste, technisch anspruchsvollste Bestrahlungsanlage, die jemals in Angriff genommen wurde. Das hat in dem Umfang bisher weltweit niemand gewagt“, erklärt der wissenschaftlich-technische Direktor des Zentrums, Thomas Haberer. Dies habe viele Nachtschichten gekostet.

Einige ähnliche Zentren sind in jüngster Zeit bekanntlich in der Planungsphase oder selbst noch in der Bauzeit ganz oder teilweise wieder zurückgefahren worden. In Kiel wird derzeit eine fast fertige Anlage wieder abgebaut, nachdem sich der Hersteller Siemens aus dem Projekt zurückgezogen hat. An das Heidelberger Zentrum wenden sich Patienten aus ganz Deutschland. Die Nachfrage ist groß „Wir arbeiten deutlich am Limit“, berichtet Jürgen Debus, der Ärztliche Direktor der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie.

Die Anlage, für die auf dem Klinikcampus im Neuenheimer Feld ein eigener Teilchenbeschleuniger errichtet wurde, ist 24 Stunden täglich in Betrieb. Von acht bis 20 Uhr wird sie an sechs Tagen in der Woche für Behandlungen genutzt. In der übrigen Zeit laufen Forschungsexperimente, Tests und Sicherheitsprüfungen. Der Schwerpunkt der Behandlungen liegt auf kaum zugänglichen oder sehr seltenen Tumoren, für die es mit konventionellen Methoden wenige oder gar keine Behandlungsmöglichkeiten gibt und bei denen die Prognose eher ungünstig ist, erklärt Debus. Dazu gehören etwa Tumore an der Schädelbasis, der Wirbelsäule, der Speicheldrüse, im Gehirn, an Schleimhäuten, aber auch inoperable Prostatatumoren.

Die Vorteile der Therapie liegen nach Angaben der Fachleute in der hohen Präzision der Strahlen aus dem Beschleuniger. Im Gegensatz zu Röntgenstrahlen, die gleich beim Eintritt stark auf das gesunde Gewebe wirken, geben sie ihre höchste Dosis millimetergenau erst am Ende, im Tumor selbst, ab. Die Patienten werden am HIT im Rahmen von Studien behandelt. Insgesamt zwölf wurden in Heidelberg begonnen; mehr sollen es zunächst nicht mehr werden.

Erste Ergebnisse, erklärt Debus, könne man je nach Tumorart in fünf bis sieben Jahren vorlegen. „Doch es gibt ja auch klinische Eindrücke“, sagt der Mediziner. „Die zeigen, dass die ausgewählten Patienten gut auf die Behandlung ansprechen. Wir sehen, dass die Bestrahlung sinnvoll ist, dass sich die Lebenszeit erhöht und die Nebenwirkungen sehr viel geringer sind bei anderen Therapien.“ Zehn bis 15 Prozent der Patienten, schätzt er, werden auf Dauer gesehen von der neuen Bestrahlungsform profitieren.

Neben medizinischen Einsichten sollen die Studien auch klare Aussagen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis der Therapie ermöglichen. Nach den bisherigen Erfahrungen ist die Kaufmännische Direktorin des Klinikums Irmtraut Gürkan zuversichtlich, dass die Anlage wirtschaftlich betrieben werden kann, auch wenn man mit 750 Patienten im Jahr wohl nicht so viele Kranke behandeln kann wie anfangs gedacht.