T.C. Boyle, der amerikanische Bestseller-Autor, ist viel unterwegs. Sein erster großer Erfolgsroman „Wassermusik“ spielte vor auch schon wieder 40 Jahren teilweise an den Ufern des Flusses Niger in Afrika, und am Mittwochabend hat er in der Stuttgarter Liederhalle aus seinem neuen Buch „Blue Skies“ vorgelesen. Er kam aus Wien angeflogen, wo er zuvor gelesen hat. Er mochte offenbar den Wiener Flughafen nicht. „Die hallenden Korridore der Langeweile und Frustration“, schrieb er – auf Englisch – auf Twitter über ein offenbar selbstgeknipstes Foto, auf dem ein paar Wartende zu sehen sind und Lichtreflexionen auf dem Fußboden einer Flughafenhalle.
In Stuttgart gelandet, postete Boyle unter der Überschrift „My current view“ ein Foto der aus seiner Perspektive durchaus dschungelhaft sich Richtung Himmel reckenden Bäume des Hoppenlau-Friedhofs, die oberhalb ihrer Opulenz gerade noch einen Blick auf das Weinberghäusle der IHK und den Turm des Linden-Museums gestatten.
Abends musste T.C. Boyle ja lesen, aber kurz nach Mitternacht fand er Zeit, auf einen „tollen Ort zum Abhängen in Stuttgart“ hinzuweisen. Das zumindest schrieb er – auf Englisch – über ein Foto von einer technischen Gerätschaft hinter einem Gitter, an dem ein Schild mit der Aufschrift „Espresso-Bar“ lehnt.
Ein Frühaufsteher blickt in die Seidenstraße
T.C. Boyle, inzwischen 74 Jahre alt, war während seines kurzen Aufenthalts in Stuttgart offenbar Frühaufsteher: Am Donnerstag um 7.03 Uhr twitterte er unter der Überschrift „This morning, 7:00 A.M.“ ein Foto der Seidenstraße mit der von der Morgensonne effektvoll beleuchteten Russischen Kirche St. Nikolai.
Bereits kurz nach 9 Uhr stand der Schriftsteller offenbar abreisebereit am Bahnsteig im Stuttgarter Hauptbahnhof. Um 9.16 Uhr postete er ein hübsch komponiertes Foto von Wartenden am Gleis.
Das schöne Foto inspirierte einen anderen Twitter-Nutzer zu folgender Antwort an den Schriftsteller (übersetzt aus dem Englischen): „Der Bahnhof des Grauens… Das war früher ein schöner Bahnhof mit einem wunderschönen Park daneben.“ T.C. Boyle zitierte diese Antwort mit dem Vermerk, dass er sich daran erinnere.
253 Twitter-Nutzer hinterließen Stand Donnerstagnachmittag, 16 Uhr, ein digitales Herzchen unter T.C. Boyles schönem Foto aus dem Stuttgarter Hauptbahnhof. 33 Nutzer fühlten sich zu Antworten inspiriert. Die Bemerkung einer mutmaßlichen Stuttgarterin „Oh, Entschuldigung für den schlimmsten Bahnhof in Deutschland“ verleitete wiederum den Schriftsteller zu einem Zitat mit folgender eigener Einschätzung, die es speziell in Stuttgart schwer haben dürfte, Konsens-Status zu erreichen: „Jeder Bahnhof in jedem Zustand ist weitaus besser als sogar der schönste Flughafen.“
Er ist kein Fan des Fliegens. Sein neuer Roman „Blue Skies“ thematisiert den Klimawandel. Als er am Donnerstag im Zug zur nächsten Lesung in München rollte, war der Himmel über Stuttgart blau mit weißen Wolken.