Der Bahn-Chef Rüdiger Grube schließt für später den Bau einer eigenen Trasse für den Fernverkehr nicht aus.

Leinfelden-Echterdingen/Stuttgart - Bahn-Chef Rüdiger Grube hat am Mittwochabend gleich zwei Auftritte in der Region gehabt: vor den Mitgliedern des Stuttgarter Haus- und Grundbesitzervereins warb er im Theaterhaus für Stuttgart 21. Zwei Stunden davor hatte er den Bürgern von Leinfelden-Echterdingen ein ordentliches Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt 1.3 des Bahnprojekts 21 zugesichert. Auf einer Veranstaltung im Kulturzentrum Goldäcker sagte Grube, die Pläne für die Strecke, auf der künftig neben S-Bahnen auch Fern- und Regionalverkehr mitten durch die Große Kreisstadt fahren sollen, könnten demnächst beim Eisenbahn-Bundesamt (Eba) eingereicht werden. Mit den Worten "Ich habe keine Bedenken, dass das Thema dort positiv bearbeitet wird" wischte Grube Überlegungen der Stuttgart-21- Gegner für eine autobahnnahe Alternativtrasse vom Tisch. Zugleich erklärte er sich für Forderungen der Anwohner nach mehr Lärm- und Erschütterungsschutz für nicht zuständig. Nicht die Bahn, das Eba habe dies zu entscheiden: "Da sind uns die Hände gebunden."

Rund 350 Bürger sowie zahlreiche Honoratioren und Vertreter des Landkreises Esslingen waren der Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich und des Oberbürgermeisters Roland Klenk zum Dialog mit dem Bahn-Chef in das umgebaute Hallenbad gefolgt. Sie erlebten zunächst einen gut 20-minütigen Monolog des Konzernvorsitzenden, der keinen Zweifel daran ließ, dass Stuttgart 21 und der Bau der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm aus Bahn-Sicht unumkehrbar seien. "Selbst wenn ich wollte, kann ich die Planfeststellungsbeschlüsse nicht wieder aufschnüren", betonte Rüdiger Grube. Nur dort, wo die Verfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen seien, könne man "Kompromisse machen", so der Bahn-Chef.

Der Abschnitt 1.3 ist ein solcher Fall. Für die Strecke zwischen der Rohrer Kurve und dem Flughafen war ursprünglich gar kein Beteiligungsverfahren vorgesehen. Die Bahn baute von Anfang an fest auf eine Ausnahmegenehmigung des Bundesverkehrsministers für die Nutzung der Trasse durch ICE und IC, die schließlich im Sommer auch – zeitlich befristet und nur unter Auflagen – erteilt wurde. Weil die Bahn auf der Trasse erhebliche bauliche und technische Veränderungen vornehmen muss, soll es nun doch zu einer im Rahmen der Planfeststellung vorgeschriebenen öffentlichen Erörterung kommen. Bei dieser Anhörung können Kommunen und betroffene Anlieger dann ihre Einwände vorbringen.

Dem neuen DB-Konzernbevollmächtigten für Baden-Württemberg, Eckart Fricke, blieb es vorbehalten, die konkreten Sorgen der Bürger etwa vor einer Ausdünnung des S-Bahn-Takts auf der Strecke zu dämpfen. Zwar sei die Bestellung von Zügen Sache des Landes und der Verkehrsverbände, aber man plane für die Zukunft mit einem festen 15-Minuten-Takt im S-Bahn-Verkehr, so Eckart. Und Grube ergänzte: "Wir wollen Ihnen noch mehr S-Bahnen geben." Für den Fall, dass die S-Bahn-Trasse irgendwann einmal durch den zusätzlichen Fern- und Regionalverkehr überlastet sei, stellte er gar den Bau einer separaten Strecke für den Fernverkehr in Aussicht. "Wenn das Aufkommen zu groß wird, werden wir einen Weg finden", sagte er.

Über diese Absichtserklärungen hinaus pries Grube einmal mehr die Vorteile von Stuttgart 21 für die Filder, den Landkreis Esslingen und die Region Stuttgart – zum Verdruss anwesender Projektgegner. "Der Regional- und Nahverkehr profitiert, es gibt zusätzliche Verkehrsangebote und schnellere, durchgehende Verbindungen. Ich verstehe einfach nicht, warum Sie dieses Angebot nicht annehmen", zeigte sich der Bahn-Chef ratlos angesichts lautstarker Zwischenrufe. Weitere Überzeugungsarbeit will er nun in den Weihnachtsferien leisten: "Ich lade Sie alle ein für den 27. Dezember um 18 Uhr an gleicher Stelle."

Beim Auftritt vor den Mitgliedern des Stuttgarter Haus- und Grundbesitzervereins bekam Grube viel Beifall – aber es gab auch etliche kritische Nachfragen. Der Bahn-Chef selbst ließ allerdings keine Zweifel an der Realisierung von Stuttgart 21. Das Vorhaben sei demokratisch legitimiert und durch geltende Verträge fixiert. Die Alternative K 21 führe zu schweren Eingriffen insbesondere im Bereich des Neckartals und sei auch wegen des dann notwendigen Umbaus im Hauptbahnhof unter "rollendem Rad" nicht darstellbar. Es gebe weder eine konkrete Planung noch eine Finanzierung dafür – und dies vor dem Hintergrund, dass beim bestehenden Gleisvorfeld allein ein Sanierungsstau in Höhe von 1,8 Milliarden Euro zu konstatieren sei. "Es tut mir leid", so Grube, "aber K 21 ist nicht realisierbar."