Der Berliner Club Berghain gehört neben dem Borchart und dem Grill Royal zur heiligen Trias der Berliner Weltstadtsehnsucht. Zu Besuch in einer düsteren Parallelwelt zwischen Staatsballett, Sonntagsrave und spanischen Touristen.

Berlin - Es gibt diesen einen magischen Berghain-Moment. Wenn man sich an der angeblich härtesten Tür der Welt vorbeigeschlichen hat, die endlos langen Stufen von der Garderobe bis in den Hauptraum des klassizistisch-stalinistischen Betonpalastes genommen hat, steht man nicht mehr nur an der Pforte zur Unterwelt, sondern mittendrin: Gegen den Bass, der einem in die Gedärme fährt, sind die Hörner von Jericho ein Anfängerkurs der Kindermusikschule Feuerbach. Dieser Bass hat längst den Rubikon überschritten auf dem Weg von filigraner Musik hin zur erbarmungslosen Bestrafung.

 

Im Kontrast zum Soundtrack der Hölle steht die Leichtigkeit, mit der sich rund 200 Menschen auf der Tanzfläche bewegen. Vollbärtige Männer tanzen mit nacktem Oberkörper und einer üppigen Brustbehaarung neben jungen Mädchen, die den Sonnengruß des Yogas in einen Ausdruckstanz des Techno transformieren. Auf einem Podest post eine Blondine in einem Fantasiekostüm, bei dem Fetisch, Raumschiff Orion und Krankenschwester Pate standen. Und zu allem zuckt das Stroboskop kalt im Beat: Willkommen in der Parallelwelt Berghain, sonntags kurz vor 13 Uhr.

Der Club steht für das Zentrum des Easyjetsets

Das Berghain gilt als einer der bekanntesten Clubs der Welt. Der Koloss liegt am Wriezener Bahnhof in Friedrichshain. Als Heizkraftwerk in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts errichtet, wärmte es eine Zeit lang die Anwohner der damaligen Stalinallee, bis es zu einem Ausbildungskraftwerk umgewidmet wurde.

Die Einrichtung hat sich einen fast schon unheimlichen Status erarbeitet. Als Pars pro Toto steht der Club für das hedonistische Berlin, für das Zentrum des Easyjetsets – einer Jugendbewegung der Popkultur, entstanden in den Nullerjahren, als man dank Easyjet, Ryan Air und Co. plötzlich zum Taxipreis in eine europäische Großstadt fliegen konnte. Statt wie früher in ein Tanzlokal im Gewerbegebiet von Feuerbach gehen zu müssen, fliegt der popkulturell interessierte Berufsjugendliche heute zum „Mia“-Konzert ins Razzmatazz nach Barcelona, zum Auftritt von 2 „Many DJs“ in die Fabric nach London oder eben aus Spanien, England und Israel ins „Börghain“ nach Berlin, um der eigenen kleinen Welt für 48 Stunden entfliehen zu können.