Der Palast der Republik ist Stuttgarts bunteste Kneipe. Ein Gespräch mit dem Betreiber Stefan Schneider über das Geheimnis des ehemaligen Klo-Häuschens, über Kontrollen und Anschauungsunterricht für einen Bier-Konzern.
19.04.2013 - 12:21 Uhr
Stuttgart Wie stellt man sich den Betreiber der freigeistigen Kneipe Palast der Republik vor? Schön abgerockt, Lederjacke, eine Halbe in der Hand. Und schon fliegen einem die Klischees um die Ohren: Stefan Schneider trägt das lichter werdende Haupthaar blond und wohlfrisiert, hat ein Polohemd von Ralf Lauren an und bestellt Tonic Water. Ein Gespräch über Nachbarschaft, Bierumsatz und Kontrollwut.
Herr Schneider, früher war alles besser, oder?
Wie meinen Sie das?
Früher waren Ihre Nachbarn am Palast Das Unbekannte Tier, ein feiner Club, und der punkige Imbiss Zum Zum. Die Ecke galt als Bermudadreieck der Stuttgarter Ausgehkultur. Heute heißen Ihre Nachbarn Vapiano oder Leonardo und bald Tialini, das lassen wir maximal als tragisches Dreieck der Systemgastronomie durchgehen.
Jetzt übertreiben Sie aber. Klar war der Palast in den 90ern Teil einer legendären Ausgeh-Ecke. Am wichtigsten ist aber, dass es hier überhaupt eine Frequenz gibt. Als das Tier 1996 geschlossen und das Gebäude jahrelang saniert wurde, hatte ich erhebliche Umsatzeinbußen.
Weil sich keiner in Ihre Ecke verirrt hat?
Genau! Masse zieht Masse an. Wie spannend das war, als es noch das Salvini gab, das von einem feinen Publikum besucht wurde, von Professoren. Die haben das wilde Treiben am Palast angestarrt, unsere Besucher haben die feinen Herren und Damen beäugt. Sehen und gesehen werden, darum geht es am Ende doch immer.
Ist das der Grund, wieso man an einem lauen Sommerabend kein Stück freien Boden mehr vor dem Palast sieht, weil sich am ehemaligen Klo-Häuschen alle gegenseitig beäugen? Wir dachten, „sehen und gesehen werden“ ist das Motto vor dem Waranga.
Die bunte Zusammensetzung der Gäste ist unser Geheimnis. Wir haben hier jeden Tag aufs Neue ein komplett unterschiedliches Publikum. Bei uns ist jeder willkommen, egal ob er Handwerker, Banker oder Student ist. Dieses Laisser-faire war immer mein Bestreben: Die Leute sollen den Palast bespielen, zu ihrem Ort machen. Nicht der Ort darf die Leute dominieren, sondern andersherum.
Palast der Republik gehört der Stadt Stuttgart
Die Mischung der Gäste und die Art Ihrer Außengastronomie ist für Stuttgarter Verhältnisse tatsächlich spektakulär. Ein Unding, dass es solch einen anarchischen Ort in Stuttgart gibt!
Sie übertreiben schon wieder. Solange man sich korrekt verhält und mit den Behörden vernünftig zusammenarbeitet, kann man sich in Stuttgart wunderbar entfalten.
Jetzt übertreiben Sie wiederum. Andere Gastronomen bekommen einen Bußgeldbescheid, weil die Außenbestuhlung 20 Zentimeter zu weit in den Gehweg ragt.
Als ich den Palast vor über 20 Jahren übernommen habe, hatten wir viele Probleme und Auseinandersetzungen mit der Stadt. Die Freiheit in der Zusammenarbeit habe ich mir Stück für Stück erarbeiten müssen.
Diese Freiheit hat nicht zufällig damit zu tun, dass das Liegenschaftsamt Ihr Verpächter ist und der Stadt die Immobilie gehört?
In keiner Weise. Ich werde genauso kontrolliert wie alle anderen.
Und wie haben Sie die große Kontrollwelle gegen die jungen Gastronomiebetriebe in Stuttgart im vergangenen Jahr erlebt?
Die Kontrollen waren unverhältnismäßig und eine Unverschämtheit. Man kann nicht jahrelang eine Feiermeile dulden und dann fünfmal hintereinander mit einem großen Aufgebot im laufenden Betrieb kommen und immer dasselbe kontrollieren, ohne dass erhebliche Verstöße festgestellt werden! Da hat die Stadt Gastronomen in Sippenhaft genommen, weil sie Besäufnisse auf öffentlichen Plätzen nicht in den Griff bekommt.
Apropos Alkohol: für gewöhnlich gut unterrichtete Kreise behaupten, dass Sie mit Ihrem Palast der Republik das meiste Bier der Brauerei Dinkelacker verkaufen – und zwar in der ganzen Stadt.
Wer sagt denn so was? Richtig ist auf jeden Fall, dass wir die logistisch schwierigste Situation aller Gastronomiebetriebe haben – und zwar nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Deutschland. Wir haben kaum Lagerfläche und bezogen auf die Nachfrage eine winzige Schankfläche. Als Dinkelacker für einige Zeit zum Konzern Anheuser-Busch Inbev gehört hat, der unter anderem Beck's braut, hat Beck's seine Schüler und Auszubildenden nach Stuttgart geschickt mit der Ansage, schaut euch mal an, wie die das machen. So viel Bier auf so einer kleinen Fläche, das konnte da oben keiner glauben. Der Palast ist eben ein Referenzobjekt und einzigartig in seiner Gestalt.