Im Sommer sind die kroatischen Inseln in der Adria Touristenmagnete. Aber die Bewohner zieht es fort. Sie suchen ihr Glück auf dem Festland, berichtet unser Korrespondent Thomas Roser.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Vis - Kreischend kreist eine Möwe über dem verschlafenen Hafen von Komiza. Eine leichte Brise raschelt in den Palmwedeln des Fischerstädtchens auf der kroatischen Insel Vis. Sie habe jahrelang in den USA gelebt und gearbeitet, bevor sie wieder in ihre Inselheimat zurückgekehrt sei, erzählt eine weißhaarige Rentnerin. Ihre auf dem Festland lebende Tochter wolle zwar, dass sie zu ihr in die Stadt ziehe: „Aber ich bleibe hier. In der Stadt fehlt mir einfach der Duft der Orangen.“  

 

Auch die Besucher auf Kroatiens am weitesten vom Festland entfernter bewohnter Insel wollen vom anheimelnden Hort der Entschleunigung eigentlich nie wieder weg. Boris Simic aus dem zweieinhalb Fähr-Stunden entfernten Split aber reist nur noch in den Sommermonaten auf seine Heimatinsel. Von den rund 1500 Einwohnern in Komiza lebten nur 800 ständig auf der Insel, schätzt der Wirt der Konoba Koluna. Gut die Hälfte der Verbliebenen sei zudem mehr als 70 Jahre alt: „Im Winter ist hier absolut nichts los“. Zwar verfüge die Insel noch über alle Schulen: „Aber zum Studieren gehen die Jungen nach Split oder Zagreb – und kommen nur selten zurück.“

Immer weniger Bewohner, immer mehr Ferienimmobilien

Im Jahr   1900 zählte die Insel fast 10 000 Bewohner. Inzwischen ist deren offizielle Zahl auf ein Drittel geschrumpft. Ein Einzelfall ist die Entvölkerung von Vis keineswegs. Obwohl Kroatiens Archipel als wichtiger Touristenmagnet des Adria-Staats gilt, werden die meisten Inseln seit Jahrzehnten von anhaltendem Bevölkerungsschwund geplagt.   46 der 1244 kroatischen Inseln gelten noch als bewohnt. Stellten die Inselbewohner um 1900 noch mehr als fünf Prozent der kroatischen Bevölkerung, ist deren Anteil auf 2,8 Prozent geschwunden. Zwar vermeldete die letzte Volkszählung von 2011 eine Verlangsamung der Abwanderung. Das scheinbar positive Bild, sagt der Demograf Ivan Lajic, basiert allerdings auf trügerischen Statistiken und der „fiktive“ Bevölkerung in den Wochenendhäuschen. Bevölkerungswachstum wiesen nur durch Brücken mit dem Festland verbundene „Pseudo-Inseln“ wie Krk, Pag oder Vir auf: „Tatsächlich kann man von einer Revitalisierung der Inseln kaum sprechen.“