Nach bereits vier Weltcupsiegen in diesem Biathlon-Winter scheint die 22 Jahre alte Laura Dahlmeier der neue Biathlon-Star zu sein. Von sich selbst sagt sie aber, dass sie nicht die Fleißigste im Team sei.

Ruhpolding - Im Leben der Wintersportlerin Laura Dahlmeier hat es ein leicht traumatisches Ereignis gegeben. Es geschah, als die gebürtige Garmischerin Langlauf noch ohne Gewehr auf dem Rücken betrieb. Bei einem Schülerrennen sauste Christina Gössner, die drei Jahre jüngere Schwester ihrer jetzigen Teamkollegin Miriam, auf den letzten Metern an Dahlmeier vorbei. Weil die zu sorglos gewesen war. Bis heute erinnert sich die Überrumpelte an diesen Augenblick und erzählt: „Damals hab’ ich mir geschworen, nie wieder einen Sieg auf der Ziellinie zu verschenken.“

 

Deshalb warf sie bei ihrem Massenstart-Erfolg am Sonntag, in der Hand schon eine Deutschland-Fahne, kurz vor dem Zielstrich noch einen raschen Blick über die Schulter. In großer Entfernung machte die Französin Marie Dorin-Habert ihre finalen Stockschübe. Als Dahlmeier das sah, deutete sie erleichtert eine Verbeugung vor dem Publikum an. Später bekundete sie ihre Vorfreude auf die zweite Weltcup-Runde in Ruhpolding, die an diesem Donnerstag mit dem Einzel über 15 Kilometer beginnt.

Dabei hat die Frau mit den vier Weltcupsiegen in diesem Winter mit ihren 22 Lenzen nun schon ein grundsätzliches Problem. „Im Moment“, sagt Dahlmeier, „weiß ich nicht, was noch zu verbessern ist.“ Auf der Suche nach persönlichen Optimierungsmöglichkeiten in diesem zarten Alter im Dunkeln zu tappen – das ist ein Luxusproblem, das ihren Chef erst mal nach der passenden Formulierung fahnden ließ.

Lena geht, Laura kommt

Irgendwann war Gerald Hönig fündig geworden und erklärte mit bewegter Stimme: „Das ist der Beginn einer großen Karriere.“ Bei diesen Worten stand der Bundestrainer dort, wo im März 2012 eine ganz große Skijägerinnen-Laufbahn ihren finalen Höhepunkt erreicht hatte. Bei der Heim-WM 2012 in Ruhpolding verabschiedete sich Magdalena Neuner mit zwei letzten Goldmedaillen – und eine junge Dame, die sich damals noch bei der Junioren-EM in Oberhof tummelte, schaute ganz besonders genau hin: Laura Dahlmeier.

„Ich habe früher im Fernsehen verfolgt, wie Magdalena Neuner Wochenende für Wochenende aufs Podium gelaufen ist, und ich dachte mir: Das will ich auch mal schaffen“, erzählte die Frau vom SC Partenkirchen nach dem Sieg in der Verfolgung. Ansonsten scheut sie Vergleiche mit ihrer früheren Trainingspartnerin: Denn was Titel und Medaillen angeht, könnte sie wohl in Neuners riesige Fußstapfen treten – die großen Unterschiede zwischen den beiden Biathletinnen aber sind unübersehbar.

Langsame und sichere Schützin

Das „Renntier“ (Doppelolympiasiegerin Andrea Henkel über Doppelolympiasiegerin Neuner) aus Wallgau glänzte einst vor allem mit überragenden läuferischen Fähigkeiten. Dahlmeiers Erfolge dagegen basieren auf der anderen Teildisziplin der Skijägerei. „Mir ist es wichtig, fehlerfrei zu schießen“, betont die aktuell Vierte in der Gesamtwertung. „Deshalb nehme ich mir dabei auch die nötige Zeit.“ Die Sicherheit, Konkurrentinnen anschließend auf der Strecke noch abfangen zu können – so wie zuletzt die Tschechin Gabriela Soukalova in der Verfolgung –, gesellt sich als hart erarbeitetes Zuckerl inzwischen dazu.

Sie sei nicht die Fleißigste, sagt Dahlmeier. Doch ihr enormes Kämpferherz kommt bei Bedarf eben schon zum Tragen. Die Grundlage für solch extreme Energieschübe wie im Ruhpoldinger Regen holt sie sich nicht zuletzt bei ihrem Hobby, dem Klettern. Dahlmeier stand schon auf dem 5642 Meter hohen Gipfel des Elbrus, im letzten Sommer übernachtete sie bei der Besteigung des El Capitan im Yosemite-Nationalpark auf einem schmalen Felssims, 800 Meter über der kalifornischen Erde.

„Wenn du dich da in der Nacht falsch umdrehst, stürzt du zwar nicht ab, hängst aber im Klettergurt“, schaudert es sie nachträglich. Doch zugleich schwärmt die muntere Oberbayerin von erhebenden Momenten wie jenem auf dem winzigen Absatz in schwindelerregender Höhe. „Da gibt es keine anderen Gedanken mehr, du bist allein mit der Wand – ein echt cooles Gefühl“, sagt Laura Dahlmeier. Ähnlich cool wie die entspannte Verbeugung einer souveränen Siegerin vor ihren Zuschauern.