Auf Simon Schempp ruhen im Einzelrennen über 20 Kilometer die Hoffnungen. Denn der 23-jährige Uhinger hat sein Tief überwunden.

Ruhpolding - Als Ziel für das WM-Rennen am Dienstag über 20 Kilometer hat der Bundestrainer Uwe Müssiggang eine Medaille als Ziel ausgegeben. Weil es auf der längsten Biathlonstrecke mit vier Schießeinlagen vor allem auf die Treffsicherheit ankommt, setzt der 60-Jährige dabei besonders auf Simon Schempp. „Denn Simon kann sehr gut schießen“, sagt Müssiggang.

 

Der 23-Jährige aus Uhingen ist in den zwei bisherigen Einzelrennen in Ruhpolding, die für die deutschen Männer ja wenig erfolgreich verliefen, derjenige aus dem Gastgeberteam gewesen, der den besten Eindruck hinterlassen hat. In der Verfolgung am vergangenen Sonntag wurde er Neunter. Wenn Schempp danach sagt, „ich bin sehr zufrieden“, ist das keine Tiefstapelei. Denn noch vor etwas mehr als einem halben Jahr wusste er nicht einmal, „wie es sich anfühlt, wenn alles gut ist“. Und das Schlimme daran war, dass er dieses Gefühl schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte.

Die Leidensgeschichte des zweimaligen Junioren-Weltmeisters beginnt bereits Anfang 2010. Kurz vor den Olympischen Spielen muss er pausieren, doch er berappelt sich schnell, ist in Vancouver dabei und wird in Russland sogar Weltmeister mit der Mixed-Staffel. „Bis Juli 2010 habe ich mich noch herübergerettet“, sagt Schempp. Doch dann bricht er komplett ein.

Schempp quält sich mit Selbstzweifeln

Nach einem Wettkampf kommt er kaum noch aus dem Bett. Ständig fühlt er sich erschöpft, nach der kleinsten Belastung spürt er ein Unwohlsein. Das geht ihm allerdings nicht nur im Training so. „Ich hatte einfach keine Kraft mehr“, sagt Schempp. Er versucht sich dennoch im Weltcup, muss die Saison aber nach fünf Starts abbrechen. Das größte Problem dabei war jedoch, dass niemand ihm sagen konnte, warum.

Zunächst wird eine Herzmuskelentzündung vermutet, doch diese Diagnose erweist sich als falsch. Schempp probiert es zusätzlich mit Alternativmedizin gegen die schnelle Erschöpfung, aber auch das hilft nicht wirklich. „Dass keiner herausfand, woran es lag, ist besonders vom Kopf her schwierig“, sagt Müssiggang.

Schempp quält sich mit Selbstzweifeln. „Ich hatte lange Zeit kein gutes Gefühl und wusste irgendwann einfach nicht mehr, was ich noch machen sollte.“ Er sucht ein wenig Abstand vom Biathlon, trifft sich viel mit alten Freunden. Und plötzlich, im Oktober 2011: „Da funktionierte es wieder.“ Schempp steigert sich im Aufbautraining immer mehr und schafft es zurück in die Weltcupmannschaft. Und gleich im ersten Rennen der Saison, dem Einzel, gelingt ihm mit Platz drei eine grandiose Rückkehr.

„Das Wichtige war, dass er sich mit viel Mühe und Fleiß da herausgearbeitet hat“, sagt Müssiggang. „Wenn er voll trainieren kann, bleiben bei seinem Talent auch die Spitzenplätze nicht aus.“ Schempp ist froh, dass er überhaupt wieder einen kompletten Winter durchhalten kann, auch wenn er in seinen Leistungen noch etwas schwankt.

Die Ursache für seine Erschöpfung bleibt nebulös. „Es heißt, es war Übertraining“, sagt Schempp. Er höre jetzt sensibler auf seinen Körper und sei reifer. „Doch vor allem weiß ich, dass ich noch mal angreifen kann.“ Auch heute im Einzel.