Mit einer extrem schnell auszuwertenden Datenbank namens Hana will das Unternehmen aus Walldorf gegen die Erzrivalen von Oracle auftrumpfen – und auch das Geschäft mit dem Cloud Computing ankurbeln.

Walldorf - Rund 112 Millionen Datensätze liegen auf dem Rechner. Doch die Analyse dauert nur einen Wimpernschlag lang. „Scoop“ - also Schöpflöffel - heißt das Programm, das im Vortragssaal des Softwareanbieters SAP in Walldorf erahnen lässt, was das Schlagwort „Big Data“ bedeutet, also der Umgang mit riesigen Datenmengen. Günther Tolkmit vom Start-up-Unternehmen VMS demonstriert vor Kunden und Experten, wie er Fragen beantworten kann, die viele Firmen bisher nicht zu stellen wagen, weil sie in ihrer Datenflut ertrinken.

 

Im Live-Beispiel geht es darum, wie man Kunden ermuntert, ihre Rechnungen zügig zu bezahlen. Intuitiv scheint die Antwort klar: Besserer Service bedeutet schnellere Überweisungen. Doch wie viel Frühzahlerrabatt muss eine Firma etwa anbieten, um den Kunden das Geld zu entlocken? Wann kostet der Rabatt mehr als es der so erkaufte Liquiditätsvorteil wert ist? Ein Klick – und zehn Millionen Rechnungsbelege werden mit einer Reihe anderer Daten verknüpft. Grün und rot scheinen auf einer seitenfüllenden Liste die Zusammenhänge auf. Schnelle Lieferung gleich zügige Bezahlung – diese Korrelation liegt beispielsweise satt im grünen Bereich. „Eine Auswertung die früher 108 Tage gedauert hätte ist nun eine Sache von Sekunden“, sagt Tolkmit. Bei dem realen, aber anonym gehaltenen Beispielunternehmen, das in 137 Ländern einen Jahresumsatz von 2,5 Milliarden Euro erzielt, ergibt die Analyse, dass bei gezielten Anreizen für die Kunden ein Liquiditätsvorteil von 46 Millionen Euro im Jahr winkt.

Die Deutschen sehen sich als Technologieführer

Möglich gemacht hat die Rechenoperation ein seit 2010 von SAP angebotenes Datenbanksystem namens Hana, bei dem sich die Deutschen als globaler Technologieführer sehen. Seit Anfang des Jahres ist das System mit der Unternehmenssoftware des Walldorfer Unternehmens zu kombinieren. Vor wenigen Tagen hat SAP angekündigt, dass Hana auch in der so genannten Cloud verfügbar ist, also für externe Rechen- und Speicherkapazitäten, die über das Internet angezapft werden. Hier will SAP mithilfe der schnellen Datenbank gegenüber der Konkurrenz Boden gut machen. Dass beim Cloud-Angebot nicht alles rund läuft, hat in der vergangenen Woche der überraschende Abgang des zuständigen SAP-Managers Lars Dalgaard gezeigt. „Hana ist das mit Abstand am schnellsten wachsende Produkt, das wir seit der Unternehmensgründung vor 41 Jahren hatten“, sagt Harry Thomsen, SAP-Geschäftsführer für Deutschland: „Viele Auswertungen können damit bis zu zehntausendmal schneller werden.“

Doch was ist anders an der neuen Datenbank? Bisher haben Computer ihre Daten, die sie nicht für laufende Arbeitsvorgänge brauchen, auf separaten Festplatten abgelegt. Hana greift nun direkt auf den Arbeitsspeicher zu, ohne dass die Daten hin- und hergeschoben werden. Die abgelegten Informationen sind zudem anders strukturiert. Bisher sind etwa in Kundendateien die Namen und die dazugehörigen Telefonnummern und Adressen gebündelt. Das hat den Nachteil, dass das ganze Datenpaket gelesen werden muss , auch wenn etwa nur die Telefonnummern interessieren. Bei Hana sind die Daten spaltenweise gegliedert. Informationen, die bei einer Anfrage nicht interessieren, werden ausgeblendet – was zu deutlich schnelleren Resultaten führt.

Vor zwei Jahren nannte der Erzrivale Oracle, den Einstieg der für ihre Unternehmenssoftware bekannten Deutschen in das Datenbankgeschäft einen Irrweg. Schließlich hatte die Firma aus Kalifornien zusammen mit den US-Konkurrenten IBM und Microsoft den Markt für Datenbanken aufgeteilt. Doch vor zwei Monaten hat Microsoft angekündigt, sich ebenfalls dem Thema ultraschnelle Datenbanken zuzuwenden.

Anwendungen reichen von der Formel 1 bis zur Krebsforschung

Für mögliche Anwendungen gibt es keine Grenzen. Maschinen in einer Fabrikhalle, die immer häufiger über das Internet vernetzt sind, könnten sich so beispielsweise selbsttätig steuern. Wenn ein Auftrag eingeht, reicht ein schneller Zugriff auf die laufenden Daten, ob er zu wirtschaftlichen Konditionen zum gewünschten Termin abzuarbeiten ist. Ein von SAP gerne erwähntes Beispiel ist der Formel 1-Rennstall von McLaren. Moderne Rennautos überschütten die Ingenieure während eines Rennens mit einer Flut von Daten – hunderte von Parametern übermittelt allein der Motor. Die neue Datenbanktechnik ermöglicht nun, dass all dies noch während des Rennens ausgewertet wird. Hana wurde auch schon am Krebsforschungszentrum der Berliner Charité-Klinik getestet. Die aufwändige Entschlüsselung von DNA-Sequenzen wurde zu einer Sache von Sekunden. Sogar die Verkaufsabteilung von SAP hat die neue Datenwelt zu spüren bekommen. Fragen zu Auftragsgang oder Kundenzufriedenheit, die bisher erst nach Stunden beantwortet werden konnten, liegen nun in Reichweite eines einzigen Mausklicks – auch für den Chef. Der eine oder andere habe angesichts dieser neuen Echtzeit-Einblicke schon etwas gestöhnt, sagt Ingo Brenckmann, der bei SAP für das Datenbanksystem zuständige Produktmanager.

Wenn die Hana-Verkaufszahlen ein Maßstab sind, die allein in diesem Jahr um mehr als Dreiviertel auf bis zu 700 Millionen Euro steigen sollen, dann ist der Trend zur totalen Datentransparenz nicht aufzuhalten. Auch andere Anbieter werden nachziehen. Informationen, die zehntausendfach schneller ausgewertet werden als bisher, bedeuten in jedem Fall eine neue Dimension für den Datenschutz. Die Zugriffsrechte seien bei Hana von vorne herein genau geregelt, sagt dazu der SAP-Experte Brenckmann. Skeptiker fragen allerdings, ob die Unternehmen überhaupt so viele Fragestellungen haben, für die ein konventioneller Datenbankzugriff nicht ausreicht. Andreas Giraud, der Vorstand der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) sprach jüngst davon, dass Schnelligkeit allein noch nicht genüge. SAP müsse auch Anwendungen demonstrieren, für die das einen Nutzen bringe.

Fakten zum SAP-Datenbankgeschäft

Umsätze –
Bisher spielt das Datenbankgeschäft für den Walldorfer Softwareanbieter SAP eine relativ kleine Rolle. Im Jahr 2012 hat SAP 392 Millionen Euro in diesem Geschäftszweig erlöst. 2013 sollen es 650 bis 700 Millionen werden. Im vergangenen Jahr lag allerdings der gesamte Unternehmensumsatz bei 16,2 Milliarden Euro. Der Anteil der Verkäufe in Deutschland lag bei 14 Prozent. Im ersten Quartal 2013 hat SAP einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro erzielt – ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit kurzem bietet SAP seine schnelle Datenbank auch für das so genannte Cloud Computing über das Internet an.

Konkurrenz
– Wichtigster Rivale von SAP ist das US-Unternehmen Oracle. Lange Jahre haben die Firmen zusammengearbeitet - zum Beispiel nützen viele Firmen die SAP-Anwendungssoftware zusammen mit Oracle Datenbanken. Beide Unternehmen dringen verstärkt auf Geschäftsfelder des Konkurrenten vor. Während SAP nun Datenbanken anbietet, offeriert Oracle nun Unternehmenssoftware. Beide Firmen wollen im Bereich des Cloud-Computing expandieren. Der überraschende Abgang des für diesen Bereichverantwortlichen Managers Lars Dalgaard bei SAP wird daran nichts ändern.