Am Wochenende waren viele Motorradfahrer im Mahdental unterwegs, wenn auch deutlich verhaltener als sonst.

Leonberg - Die Sonne scheint, es ist warm, viele lachende Gesichter, ein Gewirr aus Stimmen und Motoren – doch die Stimmung am Glemseck in Leonberg ist fast ein wenig gedrückt. Von Ausgelassenheit keine Spur, die man angesichts der fast sommerlichen Witterung an einem freien Sonntagnachmittag erwarten könnte. Doch plötzlich ist ein lautes Lachen zu hören: „Den kennt man gar nicht mehr“, ruft ein Mittfünfziger und läuft auf einen anderen Motorradfahrer ähnlichen Alters zu, klopft ihm auf den rundlichen Bauch und fragt: „Zehn Kilo, oder?“ Schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt, die Motorradjacke hängt lässig über der Schulter. „Ja“, sagt der angesprochene Biker und lacht über die Anmerkung zu seiner offenbar sichtbaren Gewichtszunahme. „Ist halt so in Corona-Zeit“, sagt er.

 

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Corona ist das beherrschende Thema auch unter den Bikern, sogar im Gespräch mit der Polizei. Deren Sprecher Stefan Hermann ist mit Kollegen gekommen. Sie informieren und werben für eine umsichtige Fahrweise.

Trauriger Anlass für die Aktion

Der Anlass der landesweiten Aktion liegt in den Zahlen begründet. Im vergangenen Jahr sei zwischen März und Oktober jeder vierte Verkehrstote ein Motorradfahrer gewesen, sagt Stefan Hermann. Laut dem Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Ludwigsburg – das sowohl für die Landkreise Böblingen wie Ludwigsburg zuständig ist – starb 2020 kein Motorradfahrer, in den Jahren zuvor aber waren es vier (2019) beziehungsweise acht (2018).

Um die Zahl der Unfälle mit schwer verletzten oder gar getöteten Motorradfahrern nachhaltig zu reduzieren, setze die Polizei auf Kontrolle, Optimierung im Straßenbau und Prävention, sagt Stefan Hermann. In den Jahren 2017 bis 2020 registrierte das Polizeipräsidium Ludwigsburg insgesamt 1361 Verkehrsunfälle mit Motorradfahrern. 14 von ihnen verloren dabei ihr Leben und 348 wurden schwer verletzt. Die Hälfte der Unfälle wurde von den Motorradfahrern selbst verursacht.

Wie aus dem Sicherheitsbericht außerdem hervorgeht, sind die mit Abstand häufigsten Ursachen unangepasste Geschwindigkeit – in 32 Prozent aller Unfälle – und Überholmanöver (27 Prozent). Die Gefahren resultieren dabei aus eigenem Verhalten – Überschätzung des fahrerischen Könnens, Handlingfehler vor allem zu Beginn der Saison oder auch technische Veränderungen – und aus dem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Darunter fallen laut der Polizei sowohl die verspätete Wahrnehmung als auch eine Unterschätzung der Geschwindigkeit von Motorrädern.

Auch Autofahrer haben Interesse

Christian Stroezel wohnt im Landkreis Ludwigsburg, doch als er am Leonberger Glemseck von seiner Maschine absteigt, ist er 200 Kilometer unterwegs gewesen. Motorradfahren bedeute Abwechslung für ihn, erzählt er. Mehr als Abwechslung ist es hingegen für den 57-jährigen Unternehmer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Motorradfahren bedeute ihm ein „Ausbrechen aus der verheerenden wirtschaftlichen Lage“. Ob er seinen Betrieb über die Pandemie hinweg retten könne, hoffe er nur noch. Er wisse es nicht.

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Fahrradfahrer haben am Sonntag ebenso Halt am Glemseck gemacht. Sie schauen auf die Motorräder, aber einkehren können sie ebenso wenig wie alle anderen. Es ist geschlossen. Wolfgang Roth schaut ebenfalls nur zu. Der Hechinger hat sich entspannt an eine Leitplanke gelehnt. Er sei mit dem Auto gekommen, erzählt er, schon lange habe er sich den Bikertreff mal anschauen wollen, sein eigenes Motorrad sei noch nicht fahrbereit.

Der 64-Jährige betrachtet die allzu PS-starken Maschinen skeptisch. Man könne sie gar nicht ausfahren und oft spüre man die Geschwindigkeit gar nicht, sagt er. Aber „der Führerschein ist schnell weg“.