Das Tierwohl wird im Südwesten groß geschrieben. Das gilt auch für Tierversuche. Anders als im Bund sinkt im Südwesten die Zahl der Versuchstiere.

Stuttgart - Ob es den Tieren in Baden-Württemberg heutzutage besser geht als vor 50 Jahren, darauf möchte sich Cornelie Jäger, die Tierschutzbeauftragte des Landes, nicht festlegen. Doch es gibt positive Entwicklungen. „Die Kenntnisse über das Tierwohl haben sehr stark zugenommen“, lobt die Veterinärin die Tierhalter. In der Bilanz ihrer inzwischen dreieinhalbjährigen Tätigkeit als unabhängige Tierschutzbeauftragte kommt Jäger zu dem Schluss, dass die Tiere jetzt intensiver betreut werden als früher. Nicht schlecht sieht es für Kühe und Rinder aus. Dort habe sich besonders im Stallbau viel getan.

 

Die Bauern interessieren sich laut Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) zunehmend für artgerechte Tierhaltung. Das Land versteht sich als bundesweiter Vorreiter in Sachen Tierwohl. Bonde bekannte sich zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung als einem „bedeutenden Standbein der heimischen Landwirtschaft“. Die Regierung setze auf die Familienbetriebe und unterstütze artgerechte und zeitgemäße Tierhaltung. Der Minister verwies auf spezielle Beratungsangebote zu Tierwohl und Tierschutz. Mit neuen Förderprogrammen vergüte das Land den Bauern den Mehraufwand für eingestreute Liegeflächen und beispielsweise Beschäftigungsmöglichkeiten für Mastschweine. Allein in diesem Jahr hätten die Landwirte Förderanträge über fünf Millionen Euro für Vorhaben zur artgerechten Tierhaltung gestellt.

„Unmoralische Preisgestaltung“ beklagt

Jäger machte deutlich, dass artgerechte Tierhaltung und Billigpreise für Nahrungsmittel unvereinbar seien. Die Tierschutzbeauftragte sprach von „unmoralischer Preisgestaltung bei Lebensmitteln“, zum Beispiel bei Eiern und Milch und appellierte an die Konsumenten ihr Verhalten zu ändern. Als Verbraucherminister weiß Bonde, dass immer mehr Konsumenten genau wissen wollen, wo die Lebensmittel herkommen.

Bereits im vergangenen Jahr habe Baden-Württemberg in der Agrarministerkonferenz einen Vorschlag zur Kennzeichnung der Tierhaltung bei Frischfleisch gemacht. Ähnlich wie bei Eiern soll aus der Etikettierung hervorgehen, wie die Tiere gehalten wurden und wo sie herkommen. „Wir wollen den Verbrauchern die Möglichkeit geben, bewusst einzukaufen“, erklärte Bonde. Noch ist es aber nicht so weit. eine Arbeitsgruppe unter Führung Baden-Württembergs prüfe derzeit, wie der Vorschlag umgesetzt werden könne, berichtete der Minister.

Weniger Versuchstiere

Das Bewusstsein für das Tierwohl scheint im Südwesten der Republik besonderes ausgeprägt zu sein. Entgegen dem Bundestrend ist die Anzahl der Versuchstiere in Baden-Württemberg nach Darstellung von Bonde in den Jahren 2011 bis 2013 um 15 Prozent zurück gegangen. Es werde erwartet, dass sich der Trend im Jahr 2014 fortgesetzt habe. Dagegen berichtete Jäger von leichten Anstiegen im Bund. In Baden-Württemberg seien im vergangenen Jahr 466 000 Tiere in Versuchen gewesen. 60 Prozent davon waren Mäuse und 20 Prozent Ratten. Bonde betonte, dass das Land keine Gesetzgebungskompetenz beim Thema Tierversuche habe. Vielmehr sei die bisherige Praxis höchstrichterlich bestätigt worden. Dennoch legt die grün-rote Koalition Wert darauf, dass möglichst wenig Tiere für Versuche eingesetzt werden. Alternative Methoden zu Tierversuchen werden mit 400 000 Euro im Jahr gefördert.

Den Tierschutz betrachte die Koalition als einen „wichtigen politischen Schwerpunkt“, sagte der Minister. Das kommt den Tierheimen und den Tierschutzvereinen zugute. Jedes Jahr gibt es eine halbe Million Euro für die Tierheimförderung.

Unabhängige Tierschutzbeauftragte

Ein wesentlicher Bestandteil des Tierschutzkonzepts von Grün-Rot ist die unabhängige Tierschutzbeauftragte, die bereits 2012 etabliert wurde. Cornelie Jäger hält Vorträge, schreibt Stellungnahmen und Gutachten, „von der Schwanenfütterung bis zu animal hoarding“, wie sie sagt. Sie hat Fortbildungen zum Tierschutz bei Schlachtungen organisiert und zwei Unterrichtseinheiten für Pädagogen entwickelt, denn auch die „Tierschutzbildung“ soll in der Schule gefördert werden.

Inzwischen habe sich ihre Stabsstelle zu einer „gut etablierten Serviceeinrichtung“ entwickelt, berichtet die Tierschutzbeauftragte. Und das, obwohl der Anfang „Züge eines Experiments“ getragen habe. Vorbilder gab es praktisch nicht. Nur Hessen hat ebenfalls eine Stelle für einen unabhängigen Tierschutzbeauftragten.

Bürger stellen die unterschiedlichsten Fragen an Cornelie Jäger. „Das Spektrum reicht vom Zirkus bis zur Reptilienhaltung“. Die Servicestelle vermittelt Ansprechpartner oder erteilt Ratschläge. Jäger will keineswegs das Denunziantentum fördern, „aber“, sagt sie, „manchmal wäre es besser, man würde manche Tierhalter früher ansprechen“. Zum Beispiel wenn der Nachbar 40 Katzen in der Dreizimmerwohnung hält.

Dieses „animal hoarding“, der krankhafte Drang, Tiere anzusammeln, kommt nach Einschätzung Jägers statistisch gesehen in jedem Landkreis mindestens zweimal vor. Meist seien Katzen oder Hunde betroffen. Aber auch bei Pferden sei das Horten schon vorgekommen. „Man muss den Menschen helfen“, sagt Jäger. Ein Schritt sei, das Veterinäramt oder die Tierschutzbeauftragte rechtzeitig zu informieren. Besitzen dürfe übrigens fast jeder fast alle Tierarten – vorausgesetzt die artgerechte Haltung sei gewährleistet.

Der Minister und die schwarzen Katzen

Haustiere
In Baden-Württemberg werden fast vier Millionen Haustiere gehalten. Eins davon, eine Labradorhündin, gehört der Landestierschutzbeauftragten Cornelie Jäger. Agrarminister Bonde besitzt zwei schwarze Katzen. Jäger hat einen Führerschein für Haustierhalter angeregt. Dafür habe sie guten Zuspruch erhalten, sagt sie. Zuständig sei aber der Bund, so Bonde.

Das Statistische Landesamt hat im Jahr 2013 im Südwesten 985 100 Rinder gezählt, darunter 344 300 Milchkühe. 1,95 Millionen Schweine füllten die Ställe, 3,72 Millionen Hühner sind erfasst. Schafe gibt es 247 300, Ziegen 26 700 und Pferde 58 000. Die Menagerie wird komplettiert durch 1,06 Millionen Gänse, Enten und Truthühner.

Zimmervermittlung für Tiere

Im vergangenen Jahr wurden bei der Tierschutzbeauftragten 61 Fälle gemeldet. Knapp ein Drittel davon betraf die Nutztierhaltung. Die Stabsstelle vermittelt auch Tiere, für die die Veterinärämter Plätze suchen. Zurzeit brauchen Hunde, Ponys und Vögel ein neues Zuhause.