Bio-Abfallverwertung in Leonberg Anrainer befürchten Pumpen-Chaos
Die Vergärungsanlage, die derzeit oberhalb der A 8 gebaut wird, wird künftig die sechsfache Menge an Abwasser produzieren. Hält das Entwässerungssystem Mahdental dem Stand?
Die Vergärungsanlage, die derzeit oberhalb der A 8 gebaut wird, wird künftig die sechsfache Menge an Abwasser produzieren. Hält das Entwässerungssystem Mahdental dem Stand?
Im Herbst des Jahres 2024 soll sie fertiggestellt werden, die neue Vergärungsanlage hoch über der A 8 auf der Gemarkung Leonberg. Sie wird derzeit – nach der Zerstörung durch den Brand im September 2019 – neu errichtet. Doch eine Frage begleitet den Bau: Kann das alte Entwässerungssystem der Anlage standhalten?
Denn mit dem Wiederaufbau erfolgt gleichzeitig eine bereits vor dem Brand geplante Erweiterung der Verarbeitungskapazität um 20 000 Tonnen - für eine Gesamtkapazität von 72 000 Tonnen aus den Kreisen Böblingen und Esslingen, davon 60 000 Tonnen Bioabfälle und 12 000 Tonnen Grünabfälle. Die Verwertung von einer größeren Menge von Abfällen bringt eine größere Menge an Abwasser, sogenanntes Press- und Schmutzwasser, mit sich. Das Entwässerungssystem des Einzugsgebietes Mahdental ist aus dem Jahr 2006 und läuft über eine Pumpendruckleitung. Ob das System diese Mengen zukünftig überhaupt stemmen kann, muss nun die Leonberger Stadtverwaltung gemeinsam mit dem Gemeinderat beantworten und hat sich hierfür Gutachter mit ins Boot geholt.
Ein kleiner Rückblick: Im Jahr 2009 hatte der noch damals für die Anlage zuständige Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) – im Juni 2019 wurde die Bioabfallverwertung GmbH Leonberg (BVL) gegründet – mit der Stadt Leonberg einen Vertrag abgeschlossen. Darin ist eine maximale jährliche Abwassermenge von 3200 Kubikmetern in die Kläranlage Mittleres Glemstal Leonberg genehmigt. Diese Menge wurde laut Aussage des Ditzinger Ingenieurbüros Diem und Baker, das sich auf Daten aus dem Jahr 2010 beruft, allerdings weit überschritten. „Im Bestand leitet die Bioabfallgärungsanlage etwa 5000 Kubikmeter Prozesswasser ein.“ Ist der Neubau erst fertig, gehe man von einer sechsfachen Einleitmenge an Prozess- und Abwasser, also maximal 30 000 Kubikmeter pro Jahr, aus. Von der Stadt Leonberg wird die Einleitmenge von Presswasser in das Entwässerungssystem auf 24 000 Kubikmeter im Jahr begrenzt. Gesteuert werden sollen die Mengen, die zur Pumpstation Forsthaus und von dort ins Mahdental transportiert werden, über einen Rückhaltetank. Und im Zuge des Neubaus soll das Niederschlagswasser von Dach- und Verkehrsflächen von der Druckleitung entkoppelt werden und über einen Graben am Fuße der Deponie über den Elendbach in die Glems fließen. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat dafür bereits eine wasserrechtliche Erlaubnis erteilt.
Hier schrillen bei Oliver Wolf die Alarmglocken. Seit 20 Jahren lebt er mit seiner Familie im Leonberger Mahdental im Hubertusbrunn – südwestlich des Seehauses und westlich des Glemsecks gelegen. Schon immer gibt es dort Wasserprobleme. Bei Starkregen geht das Gelände auch mal unter. „Kaum auszudenken, wenn noch mehr über den Elendbach kommt“, sagt Wolf. Hatten die wenigen Häuser in seinem Umfeld sowie auch die Mahdental-Siedlung früher eine eigene Sickergrube inklusive Kleinkläranlage, wurden sie im Jahr 2006 an das städtische Entwässerungssystem angeschlossen. Auch das Seehaus hängt an dieser Leitung. „Unsere Abwasserpumpen gehen regelmäßig kaputt“, sagt Wolf. Im schlimmsten Fall laufe bei ihm die Anlage, die er hinter dem Haus hat, auch mal über. Die Nachbarn hätten diese Pumpen im Keller stehen – und dementsprechend bei Überlauf auch die Fäkalien.
Die Räte im Planungsausschuss haben eine definitive Entscheidung vertagt. Sie wollen die Diskussion in der Gemeinderatssitzung am kommenden Dienstag fortsetzen. „Wir müssen wissen, ob das mit der größeren Abwassermenge funktionieren kann, und wenn es nicht funktioniert, wer dann verantwortlich ist. Für die Stadt und für die Anrainer dürfen keine Mehrkosten entstehen“, sagte Wolfgang Schaal (Freie Wähler). Auch der Vorschlag kam auf, eine gesonderte Leitung von der Vergärungsanlage in die Kläranlage zu legen.